Wie war die große Academy-Awards-Show? Was waren die Glanzmomente und wo haben die Verantwortlichen daneben gegriffen?
Gut: Die Verleihung ging zügig vorwärts
Obwohl die Gleichung "Eine kurze Oscar-Veranstaltung ist automatisch kurzweiliger"-Unfug ist, da ja auch drei Stunden eines spannenden Films unterhaltsamer sind als zweieinhalb Stunden lang Farbe beim Trocknen zuzuschauen: In den vergangenen Jahren haben sich die Academy und die Verantwortlichen hinter der Oscar-Gala einige unnötige Momente angewöhnt. Da wurde zuletzt zwischendurch auch mal die Moderatorin oder der Moderator nach einer halben Stunde Abstinenz von der Show auf die Bühne geholt, um in spröden Worten einen Star anzukündigen, der danach eine Montage ankündigt. Ohne feste Moderation fielen solche unnötigen Füllmomente flach, ebenso wie misslungene Comedypassagen wie "Wir stören spontan «Das Zeiträtsel»-Kinobesucher!" Nur ein erneuter Hinweis auf das seit Jahren in Bau befindliche Academy-Museum war verzichtbar.
Schlecht: Ohne Moderation fehlt der Show Form
Auch wenn die 91. Academy Awards ohne festen Moderationsposten besser über die Bühne gingen als die letzten moderationslosen Oscars: Ohne Moderatorin oder Moderator wurde die Verleihung zu einer kopflosen Nummernrevue. Zugegeben – auch mit Moderation waren die vergangenen Oscars vor allem im Mittelteil eine vermeintlich wahllos zusammengewürfelte Abfolge von Laudationen, Preisen und Montagen. Doch dieses Jahr traf dies auch auf den Einstieg zu (Queen-Auftritt! Vorspann! Off-Kommentar! Laudatio!) sowie auf den Schluss zu, als eine verloren dastehende Julia Roberts in knappen Worten die Aufgabe übernahm, den Abend zu beenden. Der wichtigste und bekannteste Filmpreis der Welt sollte sich mehr Gravitas leisten.
Gut: Ein natürliches Gespür dafür, wann die Dankesreden enden sollten
Seit Jahren werden neue, teils ungeschriebene, Gesetze erwähnt, wie lang die Gewinnerinnen und Gewinner haben, um ihre Dankesrede zu halten. Und stets misslingen diese Versuche, ausufernde Monologe zu stoppen. Zudem entstehen Jahr für Jahr Zwei-Klassen-Gesellschaften: Erst heißt es, die Gewinnerinnen und Gewinner hätten nur X Sekunden Zeit, dann wird sich während Sparten wie "Bestes Kostüm" dran gehalten, indem das Orchester ihnen rüde ins Wort musiziert, doch dann reden sich später die Schauspieler einen Ast ab. Dieses Jahr flossen die Dankesreden in einem gesunden, natürlichen Takt – und die zuvor gemunkelte 90-Sekunden-vom-Sitzplatz-bis-zum-Bühnenabgang-Regel schien nur ein Gerücht zu sein. Wer wie «Black Panther»-Kostümdesignerin Ruth E. Carter von Gefühlen übermannt Wichtiges, Mitreißendes zu sagen hatte, konnte es ausformulieren. Und wer sich in eine Ecke quatschte, wie Beste-Hauptdarstellerin-Gewinnerin Olivia Colman wurde durch Musik ausgezählt – und in diesem Fall zu einem großartig kontextlosen Schlussausruf ("Lady Gaga!") inspiriert.
Schlecht: Zu viele steife Laudationen
Ohne Moderation fehlt nicht nur, angesichts dessen, wie die Oscars zuletzt aufgezogen wurden, unnötiges Füllmaterial. Ohne Moderation fehlt auch ein Entertainment-Faktor, der durch kreative Laudationen aufgefangen werden müsste. Doch abgesehen von Maya Rudolph, Tina Fey und Amy Poehler zu Beginn des Abends und eine herrliche «The Favourite»-Parodie waren die meisten Anmoderationen der 91. Oscars wenig auf Unterhaltung ausgelegt, manche sogar völlig gehetzt – statt Sam Rockwell und Frances McDormand oder Gary Oldman und Allison Janney hätte man auch eine Texttafel einsetzen können. Denkwürdig bleibt derweil ein unplanbarer Doppelmoment: In Begleitung von Brie Larson überreichte Samuel L. Jackson direkt nacheinander zunächst voller Verwunderung (und schwach kaschierter Enttäuschung?) einen Drehbuch-Oscar an «Green Book», ehe er vor Freude platzt, als Spike Lees «BlacKkKlansman» den anderen Drehbuch-Oscar gewinnt. Ein Augenblick, der die Schizophrenie der diesjährigen Gewinnerliste hervorragend unterstreicht. Doch sonst? Mehr Spaß und Fallhöhe auf der Bühne darf schon sein.
Gut: Die Umsetzung der Bester-Song-Anwärter-Performances
Simple Sache, und doch eine, die oft bei der Oscar-Verleihung misslingt: Die Song-Performances sind oft entweder verkrampft inszeniert oder langweilig. Dieses Jahr hatten alle Lieder eine schlichte Bühnenshow mit Flair – und "Shallow" ließ sich auf effektive Weise von der Kameraführung in «A Star Is Born» inspirieren und brachte uns ein sehr passioniertes Duett zwischen Lady Gaga und Bradley Cooper, mit einer Anspannung zwischen ihnen, die man mit einem Messer hätte schneiden können.
Schlecht: * Hier die Oscar-Siege einsetzen, die euch missfallen *
Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Kaum gewinnt ein Film einen Oscar, wird irgendwo auf der Welt ratlos der Kopf geschüttelt, wenn nicht sogar erzürnt der Bildschirm angebrüllt wird. Was variiert, sind die Wahl des Aufreger-Oscars und die Begründungen dafür. Für den Autor dieser Zeilen ist «Green Book» ein zahnloser, stilistisch austauschbarer Film, der neben Mahershala Ali keinerlei Preiswürdigkeit aufweist und somit ein unwürdiger Bester-Film-Gewinner in einem Jahr ist, das so viel aufregendere Filme zu bieten hat. Andere werden sich über Cuaróns zweiten Sieg als bester Regisseur ärgern und «Roma» so eine große Ehre nicht gönnen, wieder andere werden auf die vielen viralen (und nach der Oscar-Nacht plötzlich verschwundenen) «Bohemian Rhapsody»-Clips verweisen und fragen: "
Das ist ein preiswürdiger Schnitt, wirklich?"
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Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
26.02.2019 07:35 Uhr 5
Der Großteil der Filme kommt halt aus den USA und Anime sind nicht jedermanns Fall. Da haben bei einer eher auf „klassische“ Filme ausgerichteten Jury halt auch eher Mainstream Animationsfilme Erfolg. Außerdem gibts den weniger als 20 Jahre und chihiros Reise hat den meine ich mal gewonnen.
Da jetzt aus Prinzip immer mal wieder ausländische Produktionen den Preis zu geben, ist ja auch nicht der Sinn der Sache.
Und mal nebenbei erwähnt: Der Spiderman Film ist klasse.
Mirai läuft erst irgendwann dieses Jahr im Kino. Also zu kritisieren dass der keinen oscar bekommt, wo er hier nicht mal veröffentlicht ist...mutig
26.02.2019 14:35 Uhr 6
Ok, irgendwann haben die dann noch an den Regeln rumgeschraubt, aber z.b. The Revenant spielt für mich in einer ganz anderen (2.ten) Liga, als z.b. The Artist.
LaLa Land werde ich nie nachvollziehen, ähnlich wie manche diesjährige Oscars.
Ich finde, die sollten eher Freddie Mercury posthum einen Oscar als bestes Performance-Vorbild geben. Der Film ist ok, aber echt jetzt? Das sind zu viele Oscars dafür, das es eigentlich nur HighBudget impersonation mit existierender Musik war, noch dazu teilweise komplett ohne Realitätsbezug, genau wie ohne Barbara Valentin.
26.02.2019 15:53 Uhr 7
Die Preise für Bohemian Rhapsody kann man in den Kategorien schon geben. (Und ich mochte den Film auch nicht besonders).
The Revenant kann man mit The Artist auch wirklich nicht vergleichen. Allein schon zwischen dem Produktionsaufwand und den widrigen Bedingungen liegen Welten.
Und bei La La Land war nun auch wirklich jeder Preis mehr als verdient. Den Oscar für den besten Film hätte man (trotz der lowen Story) für das Gesamtkunstwerk locker geben können. Das ist alles so perfekt choreographiert (und damit meine ich v.a. auch die Kameraarbeit), die wenigen Schnitte, oder gerade die Szenen ohne, in knappen Zeitfenstern, das Licht, die Darsteller usw. Das war einfach zuende gedacht.
Allgemein liegt der Fehler bei den Awards doch meistens schon bei den Filmen, die erst gar nicht nominiert wurden und nicht an den nominierten Produktionen selbst. Und das war schon immer so.
Bei den Animationsfilmen kann ich die Auszeichnungen auch nur selten nachvollziehen. Die Spiderman Animation sah aber schon wahnsinnig gut aus. Würde mich aber auch mal weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Isle Of Dogs (gesehen) oder der Mirai (nicht gesehen) es mindestens genauso verdient hätten. Die Chizu-Produktionen sind ohnehin ein kleiner Geheimtipp und Hosoda kann ich erstmal allein schon aus nostalgischen Gründen nicht schlecht finden.
Ach, freue ich mich auf das Trickfilmfestival <3