Die kürzlich gestartete 14. Runde der Modelsuche wartete mit einigen inhaltlichen Änderungen und neuen Begleitformaten auf. Wie anders ist «GNTM» im Jahr 2019?
Nicht mehr lange, dann ist «Germany’s Next Topmodel» so alt wie einige der Kandidatinnen darin. Mittlerweile 13 Jahre hat die Reality-Show auf dem Buckel. Formate, die so lange bestehen, müssen sich alle paar Jahre neu erfinden. Diese Herausforderung wusste das Model-Casting seit jeher gut zu meistern. Lange Zeit bezogen sich die Neuerungen vor allem auf die Riege der Juroren, später kamen weitere konzeptuelle Änderungen hinzu – zuletzt etwa das Aufteilen von Heidis „Mädels“ in Team weiß und Team schwarz, die je von unterschiedlichen Juroren geleitet wurden und miteinander konkurrierten. Mit Runde 14 rollte das Produktionsteam das Format wieder neu auf. Das Ergebnis zum Start: Der beste Auftakt seit 2011 und 44,5 Prozent Marktanteil bei den ganz Jungen zwischen 14 und 49 Jahren (siehe Info-Box). Zwar sanken die Quoten seitdem, nach Woche drei kann ProSieben aber erneut ein sehr positives Zwischenfazit ziehen. Was hat sich konkret geändert und was macht die ProSieben-Show richtig?
Die Heidi-Dosis wurde erhöht
Die einschneidendste Änderung, das wurde schon im November 2018 bekanntgegeben, war der ganz neue Umgang mit den Juroren im Format. Erstmals nehmen neben Heidi nicht mehr feste Juroren Platz und hin und wieder mal ein Gastjuror, sondern die Juroren wechseln wöchentlich. In der neuen Staffel kamen etwa die Designer Michael Michalsky und Wolfgang Joop sowie Fotografin Ellen von Unwerth zum Einsatz, die alle bereits eine Vorgeschichte mit dem Format verbindet. Diese Neuerung versprach mehr Heidi und dieses Versprechen hielt «GNTM» auch ein. In Eigenregie traf die Model-Mutter in der ersten Folge etwas fixer als sonst in den Castings ihre Vorauswahl und im weiteren Verlauf der Staffel zeigte sich, dass Heidi nun generell wieder etwas mehr Zeit mit den Jung-Models verbringt als zuvor.
Auf dem Papier klingt der Wechsel von der «The Voice»-ähnlichen Team-Competition zum von Heidi geleiteten, eher traditionell gehaltenen Einzelwettbewerb wie eine größere inhaltliche Neufärbung der Produktion. De facto unterscheidet sich «Germany’s Next Topmodel» aber gar nicht so sehr von den vergangenen Staffeln. Ohnehin war vom Team-Wettbewerb zwischen Michalsky und Thomas Hayo gerade 2018 gar nicht mehr so viel zu spüren. Wer die Challenges für sein Team gewann, war häufig nur noch nebensächlich, denn am Ende wurde aus dem Format ohnehin wieder ein Einzelkampf der Model-Talente. Weiter treu bleibt sich «GNTM» nach wie vor auch mit dem wöchentlichen Shooting, einem Walk zum Ende und Trainingseinheiten dazwischen. Alleine dies sorgt schon für die gewohnte Episodenstruktur.
Wie schwer wiegt das neue „Himmel-und-Hölle-Konzept“?
Also alles beim Alten? Das nun auch wieder nicht. Was inhaltlich dazu kam, ist eine Neigung in Richtung von Elementen, die sich auch anderswo im Reality-Genre finden lassen. Statt den Teams schwarz und weiß wurden die Models in Folge zwei beispielsweise zur Übernachtung in ein Luxushotel und eine rustikale Hütte aufgeteilt. Ein Foto-Wettbewerb zwischen den beiden Teams entschied davor darüber, wer die Tage im Alpenland im Luxus verbringen darf und wer nicht.
Ähnliches kennt man aus Sendungen wie «Big Brother», die ein ähnliches Himmel-und-Hölle-Konzept verfolgen, das dort aber wesentlich extremer ausfällt und im Falle von «GNTM» bislang nicht wirklich Unterschiede brachte. Nun geht es nach Los Angeles, wo sich zeigen wird, ob das Format an der Aufteilung der Teams festhält. Eine zusätzliche „Wildcard“ für die Gastjuroren soll die Spannung bei der Entscheidung erhöhen. Sie können von Heidi eigentlich schon herausgeworfenen jungen Frauen zu einer zweiten Chance verhelfen. Gerade in den ersten Wochen verfehlte dies aber seinen Effekt. Entweder weil das Ziehen der „Wildcard“ abgesprochen wirkte oder weil Zuschauer am Anfang ohnehin noch nicht wirklich mit einzelnen Kandidatinnen mitfiebern.
Crossmedialität lautet das «GNTM»-Zauberwort
Die interessanten Änderungen zeigten sich im Falle von «Germany’s Next Topmodel» tatsächlich nicht in der Produktion, sondern außen herum. Denn ProSieben verschrieb sich zur neuen Staffel einem neuen crossmedialen Konzept, das auf möglichst vielen verschiedenen Plattformen die Inhalte der Sendung abspielen und weiterdenken soll. Hier nimmt vor allem Klaudia Giez, besser bekannt als „Klaudia mit K“, eine Schlüsselrolle ein. Die Teilnehmerin der vergangenen Staffel entwickelte sich im Vorjahr zum Charakterkopf, auf den die Sendung in diesem Jahr wieder baut – und zwar als Moderatorin. Das Model kommentiert nicht nur nach den Sendungen auf ihrem Instagram-Kanal mit knapp 360.000 Followern die Geschehnisse, sondern zusammen mit Melissa Kahalaj auch im Online-Format «#GNTM – The Talk» und einem immer freitags erscheinenden Begleitpodcast. Beide sind über die Digitalplattformen ProSiebens frei abrufbar.
Garniert wurden diese neuen Formate schon im Vorfeld der Staffel um Video-Steckbriefe der Kandidatinnen und eine umfangreiche digitale Erlebniswelt der Sendung. Dazu zählen auch wieder die offiziellen Instagram-Accounts der einzelnen Kandidatinnen mit Influencer-Ranking. Unterm Strich macht die ProSieben-Show mehr denn je Jagd auf die ganz jungen Zuschauer, was mit der Sensations-Quote bei 14- bis 49-Jährigen zum Staffelauftakt von Erfolg gekrönt zu sein scheint. Ob es einfach eine Begleiterscheinung unserer Zeit ist oder ob bewusst danach gecasted wurde? Jedenfalls haben mehr Teilnehmerinnen denn je bereits eine große Instagram-Basis, die schon vor Beginn der Staffel teilweise riesige Follower-Mengen versammelte. ProSieben wird das nicht ungelegen kommen, denn schließlich besteht die Wahrscheinlichkeit, dass viele dieser Follower auch am Donnerstagabend zu ProSieben schalten. Man darf also annehmen, dass vor der Auswahl und der Begutachtung der Modeltalente auch Social-Media-Präsenz von Heidis Mädels die Entscheidung beeinflusst hat.
«GNTM» will alles aus sich herausholen
Mit all den Formaten um «Germany’s Next Topmodel» herum lautet die Devise ganz klar, so viel wie möglich aus der Sendung herauszuholen. Vergessen darf man dabei nicht, dass unmittelbar nach der Modelsuche auch das Star-Magazin «red.» läuft, das seit jeher Inhalte aus «Germany’s Next Topmodel» aufgreift und weiterverwertet, um einen gelungenen Audience Flow zu gewährleisten. Mehr denn je scheint das Magazin nun sogar exklusive Inhalte zugespielt zu bekommen. Nach Folge zwei blickte die Sendung beispielsweise in die Hütte der Shooting-Verlierer aus der vorangegangenen Episode und gewährte Einblicke, die in «GNTM» selbst deutlich zu kurz kamen. Wie die teilweise wenig selbstständigen Model-Talente in der Hütte hausten und dabei etwa den Dreck im wahrsten Sinne unter den Teppich kehrten, wurde damit in «red.» zur eigenen Geschichte.
Derweil lädt sich das Duo Giez/Khalaj in ihre beiden Talk-Formate je zwei der Kandidatinnen ein, um mit ihnen die neueste Folge zu besprechen. Eine inhaltliche Abgrenzung zwischen beiden Formaten ist nicht wirklich gegeben, was teilweise Redundanz zur Folge hat. Sowohl der Video-Talk als auch der Podcast zielen allerdings auf sehr junge Zuschauer ab, wenn beispielsweise nach der „Sexy-Edition“ der Sendung wieder einmal um die Bedenken vor den „Boyfriends“ daheim gesprochen wird. Wie beim Mutterformat selbst ertönt sogar bei allen Formaten der neue Tokio-Hotel-Song als Titellied der Staffel.
Laute inhaltliche Kritik und der zweifelhafte Umgang mit den Jung-Models begleitet «Germany’s Next Topmodel» nach wie vor, doch die ProSieben-Show hat die Zeichen der Zeit erkannt und versucht mit einer der erfolgreichsten Shows des Senders auf so vielen Hochzeiten wie möglich zu tanzen, möglichst alle erdenklichen Plattformen zu bespielen und das Format inhaltlich auszupressen wie eine Zitrone. Das führt selten zum inhaltlichen Mehrwert, dafür aber zu mehr Impressionen denn je, was im Digital-Zeitalter und bei sinkender Fernsehnutzung der jungen Bevölkerung wichtiger ist als die nackte Quote. Wird nach der Staffel ein umfassendes Fazit möglich sein? Das müsste in jedem Fall die Mediatheken-Abrufe der immer öfter online und zeitversetzt angesehenen Sendung umfassen. Gerade der Wert der ungemein vielen neuen Kontakte, die über Social Media und den ProSieben-Plattformen verzeichnet werden, lässt sich aber kaum messen.
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