Der österreichische Experimentalfernsehmacher David Schalko hat eine sechsteilige Adaption von Fritz Langs Filmklassiker gedreht. Heraus kam eine hochpolitische Farce in Form eines schonungslosen Kommentars des Ist-Zustands der Alpenrepublik.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Sarah Viktoria Frick als Kommissarin
Christian Dolezal als Kommissar
Gerhard Liebmann als M
Verena Altenberger als Elsies Mutter
Lars Eidinger als Elsies Vater
Moritz Bleibtreu als Verleger
Dominik Maringer als Innenminister
Hinter der Kamera:
Produktion: Superfilm Filmproduktions GmbH, ORF und RTL Crime
Drehbuch: David Schalko und Evi Romen
Regie: David Schalko
Kamera: Martin Gschlacht
Produzenten: David Schalko und John LüftnerFritz Langs weltberühmter Film «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» (Entstehungsjahr 1931) erzählt feinsinnig, differenziert, haltungsvoll, spannend und mit enormer Kunstfertigkeit vom Zusammenbruch der Zivilisation. Sein Thema und seine Geschichte weisen nicht zuletzt wegen Langs virtuoser Regie und dem monumentalen Spiel des Hauptdarstellers Peter Lorre als getriebener Kindermörder weit über die unmittelbaren zeitdokumentarischen Bezugspunkte hinaus. Doch sein zeitgeschichtlicher Kontext in einer Republik ohne Republikaner, deren Bevölkerung den Rückgriff auf das barbarisch Autoritäre und die systematische Abschaffung des Rechts vorzunehmen beginnt, verleiht ihm eine noch eklatantere Brisanz.
Obwohl der Film sehr stark in seiner Zeit verhaftet ist, hat der österreichische Autor, Regisseur und Produzent David Schalko nun in Form einer sechsteiligen Miniserie den Versuch unternommen, eine aktuelle Adaption zu drehen, in der er den Spielort von Berlin nach Wien und die Zeit von den 30er Jahren ins Jetzt verlagert. Vor dem Hintergrund der türkis-blauen Regierung, der österreichischen Flüchtlingshysterie und des alpinen Grenzkontrollfetischismus‘ passt das nicht schlecht: Die Republik ist ein Pulverfass, und das Verschwinden von Kindern und ihre späteren Leichenfunde ein brennender Docht.
Für den (fiktiven, aber realitätsnahen) Innenminister liefern die Morde den perfekten Vorwand, um seine rechtsradikale Rechtsstaatsabschaffung voranzutreiben – und sogar als die öffentliche Ordnung im Zuge der hilflosen, aber umfangreichen polizeilichen Repression mit wahllosen Razzien, Verhaftungen und Ausgangssperren immer diktatorisch-obrigkeitsstaatlicher wird, regt sich kein Protest. Schalkos «M» ist die Geschichte einer schrittweisen Eskalation, die unaufhaltsam in der Barbarei kulminieren muss und deren erste Grundsteine in der Realität schon gelegt sind. Man sehe sich das österreichische Kabinett nur einmal an: eine jede Aufrichtigkeit verlachende Witzfigur wie Heinz-Christian Strache ist Vizekanzler, Herbert Kickl, die Fleisch gewordene Gefahr für Rechtsstaatlichkeit, ist Innenminister, und ihren Steigbügelhalter Sebastian Kurz schert all das nicht sonderlich.
Vielleicht war es auch deshalb unumgänglich, dass Schalko für seine Adaption des Stoffes nicht den Weg der behutsamen, aber duktus- und stilgetreuen Aktualisierung gewählt hat, sondern den der Farce. Der Luftballons verkaufende Clown grinst so breit, dass er in voller Farbpracht so unheimlich wirkt wie der aus Stephen Kings «Es», die Anführerin des Wiener Untergrunds trägt ein sonderbares Zepter mit sich herum, es fallen Sätze wie „Host du die Nutt’n vor dem Kind g’schlong?“ und „Diese Bettler machen mehr Kinder als jeder Moslem.“ Österreich halt, denkt sich da der Piefke.
Trotz dieser Farcehaftigkeit und abschnittsweisen Übersteuerung bleibt Schalkos «M»-Remake eine eindringliche Mahnung, die zwar an filigraner Figurenführung und filmischer Virtuosität, nicht aber an politischer Brisanz von Fritz Langs Original verloren hat. So fügt sich Schalkos Serie stilistisch passend in sein Gesamtwerk ein, aus dem die experimentelle «Sendung ohne Namen» und sein nicht minder innovatives Serienformat «Braunschlag» nach wie vor besonders herausragen. Der vorliegende Sechsteiler könnte diese Liste um einen dritten Titel ergänzen.
Alle sechs Folgen sind in Deutschland ab dem 23. März bei TVNow abrufbar.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel