Die FX-Serie ist die meistausgezeichnete Serie des vergangenen Jahrs, trotzdem hat das Format noch kein Thema für die nächste Staffel gefunden. Schuld trägt auch der fleißige Macher Ryan Murphy…
Der Aufstieg von FX in der US-Fernsehlandschaft ist beispiellos. Der Diversifizierung und dem Aufbegehren von Streaming-Anbietern zum Trotz schob sich der Kabelsender in den vergangenen Jahren still und heimlich sogar zwischenzeitlich vorbei am Premium-Sender HBO. Einer der Hauptgründe für den steigenden Erfolg des Senders, der in den vergangenen Jahren Kritikerlieblinge wie «Fargo» oder «Atlanta» hervorbrachte, lautet «American Crime Story». Bislang lief die Ryan-Murphy-Serie, die wahre Kriminalfälle in fiktionaler Form aufarbeitet, in zwei Staffeln. Ganz ähnlich wie bei der Schwesterserie «American Horror Story» widmet sich das Format dabei jeder Staffel einer neuen Geschichte. In der ersten Staffel handelte «American Crime Story» vom Mordprozess um den ehemaligen Football-Star O.J. Simpson, in der zweiten Season ging es um den Mord am Mode-Designer Gianni Versace.
«American Crime Story» ist FX’ Prestige-Format
Mit zwei Golden-Globe-Siegen und den meisten Nominierungen zählte «American Crime Story: The People v. O. J. Simpson» schon vor knapp zwei Jahren zu den großen Gewinnern unter den Fernsehserien. Im Rahmen der diesjährigen Golden-Globe-Verleihung wiederholte «American Crime Story: The Assassination of Gianni Versaces» diesen Mega-Erfolg. Für die FX-Serie gab es erneut zwei Trophäen des angesehensten Preises im Fernsehfach. Schon bei den Emmys im Spätsommer hatte das Crime-Drama drei Preise abgeräumt. Alles spricht also für eine goldene Zukunft für «American Crime Story» und FX, oder? Nicht ganz. Denn dunkle Wolken hängen über der Fortsetzung der Serie.
Eigentlich ist eine weitere Staffel nur noch Formsache. Das Prestige, das FX durch Kritikerlob und Awards erhielt, macht eine dritte Runde zum Muss. Die Realität sieht aber anders aus, denn FX hat bislang nicht einmal eine dritte Staffel in Auftrag gegeben. Noch befindet sich die Serie in der Findungsphase für eine Geschichte. Das heißt, dass in diesem Jahr sicher keine Fortsetzung mehr erscheint. Einblicke gab FX-Chef John Landgraf kürzlich im Rahmen der TCA-Pressetour in den USA. Lauschte man den Erklärungen von Landgraf aufmerksam, kam man zum Schluss, dass sich wohl etwas Sand im Getriebe von «American Crime Story» befindet.
Lange Zeit hieß es, eine dritte Staffel würde sich mit den Folgen von Hurrikan Katrina befassen, der im August 2005 über Florida und Louisiana tobte und für einen Ausnahmezustand in New Orleans sorgte, der verschiedenste schlimme Verbrechen zur Folge hatte. Die Produktion wurde allerdings abgebrochen und nun befindet sich die Katrina-Geschichte nicht einmal mehr im Topf möglicher Ideen. Zwischenzeitlich sollte im Rahmen von «American Crime Story» auch die Affäre zwischen US-Präsident Bill Clinton und Monica Lewinsky fiktionalisiert werden. Auch dieser Idee wurde Einhalt geboten. Diesen Ausführungen zufolge befindet sich das gefeierte Format, das im Hinblick auf seine Auszeichnungen wohl die Serie des Jahres 2018 war, in der Konzeptionsphase an einem Nullpunkt.
Rückschläge bei der Ideenfindung
Drei, vier Ideen habe man in der Entwicklung, erklärte Landgraf Anfang Februar, ohne sagen zu können, worum es sich handle oder welche zuerst fertig entwickelt sein würde. Zudem muss «American Crime Story» hinsichtlich seiner Kriminalfälle wieder treffsicherer werden. Obwohl Staffel zwei um den Versace-Mord fast noch mehr Kritiker-Lorbeeren einheimste als Staffel eins, schnitt bei Fans der Fall um O. J. Simpson deutlich besser ab – nicht nur hinsichtlich der Resonanz, sondern auch in Bezug auf die Zuschauerzahlen. Mit Staffel zwei verlor FX im Schnitt fast zwei Drittel seiner Zuschauer.
Zwar beruhigte der Senderchef, dass es sicher weitergehen würde mit «American Crime Story», dass man sogar noch viele weitere Staffeln zu erwarten habe, die Verzögerungen, die Fans mittlerweile mit Sorgen erfüllen, hängen allerdings sicher auch mit der komplexen Anbieterkonstellation des Machers Ryan Murphys zusammenhängen. Der unterschrieb vor nicht allzu langer Zeit einen Millionen-Deal mit Netflix, welcher vorsieht, dass alle neuen Ideen, die dem Kreativen kommen, beim Streaming-Anbieter veröffentlicht werden müssen. Seine Zusammenarbeit mit FX hat also definitiv ein Ablaufdatum, gleichwohl Murphy die Erlaubnis hat, bereits bestehende Format fortzusetzen.
Quotenentwicklung: «American Crime Story»
Die zweite Staffel des Crime-Dramas erreichte im Schnitt 1,22 Millionen Zuschauer. Damit verlor sie gegenüber der ersten Season 63 Prozent ihrer Zuschauer. Die erste Staffel um den Fall O. J. Simpson kam im Schnitt auf 3,29 Millionen Zuschauer pro Folge. «American Crime Story» stellt diese Saison nur noch das fünfterfolgreichste Format des Senders dar in der Zielgruppe dar.Das klingt erst einmal befriedigend für alle Beteiligten, in der Realität wird sich Ryan Murphy aber bald nicht mehr zerteilen können. Der TV-Macher produziert derzeit neben «American Horror Story» und «American Crime Story» auch die FX-Serie «Pose» und das Procedural «9-1-1», das nach zwei Staffeln bei FOX noch immer zu den beliebtesten Serien zählt. Bald startet sein erster Netflix-Titel «The Politician» und Murphy muss sich früher oder später die Frage stellen, von welchen seiner Formate er Abschied nimmt, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Nach ersten Verlautbarungen scheint die FX-Serie «Feud» – ebenfalls eine Anthologie - das erste Opfer der vielfältigen Verpflichtungen Murphys zu sein, zumindest gebe es laut Landgraf derzeit keine neuen Ideen für eine Fortsetzung.
Wie entscheidet sich Murphy?
Realistisch betrachtet scheint eine Orientierung Murphys in Richtung seines Netflix-Engagements am wahrscheinlichsten. Die Tinte unter dem Netflix-Deal ist längst trocken und hier scheint der Autor und Produzent weniger abhängig vom Erfolg seiner Formate zu sein, weil es für Netflix vorrangig um den Gewinn neuer Abonnenten geht und weniger um Abrufe. Blickt man auf seine Serien bei FX und FOX scheint auch das noch junge Procedural «9-1-1» lukrativer zu sein als die Anthologie-Serien «American Horror Story» und «American Crime Story», die obendrein einen starken US-Fokus haben. Procedurals finden dagegen international deutlich mehr Abnehmer und lohnen sich bei großer Episodenzahl umso mehr für die Vertreiber und damit auch Murphy.
Anhand von «American Crime Story» werden sich also auch die Prioritäten Murphys zeigen. Derzeit gilt «American Crime Story» wohl als das angesehenste seiner Formate, obwohl andere kommerziell erfolgreicher sind. Möglich wäre auch, dass Murphy sich nach und nach aus den Serien zurückzieht und anderen Kreativen den Staffelstab übergibt, was auf Kosten der Qualität besagter Serien gehen könnte. FX muss in jedem Fall daran gelegen sein, «American Crime Story» auf Sendung zu halten und so bald wie möglich zurückzubringen. Denn während «American Horror Story» (trotz des größeren Zuschauererfolgs) nach Ansicht vieler Beobachter seinen Zenit schon überschritten hat, fungiert «American Crime Story» derzeit als das große Prestige-Format bei FX, das das Senderimage prägt – und derzeit trotzdem in den Seilen hängt.
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