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Die Kritiker: «Vermisst in Berlin»

Als Kollateralschäden inkompetenter Flüchtlingspolitik irren Zehntausende Kinder mutterseelenallein durch Deutschland. Dieser Film hat den Mut, das Elend schonungslos darzustellen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Jördis Triebel als Judith Volkmann
Edin Hasanovic als Deniz Kovacevic
Natalia Wörner als Evelyn Kraft
Florian Stetter als Jan Pollak
Nina Gummich als Maggie
Lilien Barman als Djamal
Tom Jahn als Hausmeister Oehmke

Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television GmbH & Co. KG
Drehbuch: Frauke Hunfeld und Silke Zertz
Regie: Sherry Hormann
Kamera: Armin Golisano
In Nordkorea nennt man sie die „wandelnden Schwalben“: Waisenkinder, die um Essen betteln, sich als Taschendiebe verdingen, allein auf sich gestellt durch das Land ziehen, ohne Bezugspersonen, ohne Halt, ohne Schutz. Schätzungen zufolge geht ihre Zahl in die Millionen.

Europa züchtet sich gerade seine eigenen wandelnden Schwalben heran: Allein in Deutschland sind fast zehntausend Flüchtlingskinder spurlos verschwunden, irren ziellos über den Kontinent, auf der vagen Suche nach Verwandten oder Bekannten. Der Bürokratie sind sie verschütt gegangen, die zuständigen Personen in der Verwaltung haben entweder aus Erschöpfung resigniert oder befinden sich in der verantwortungslosen inneren Emigration: Wie soll man etwas suchen, was niemand vermisst?

Judith Volkmann (Jördis Triebel) ist gerade vom Polizeidienst suspendiert und verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Kellnern in einer schicken Bar mit degenerierter, zumeist arabischer Klientel. Eines Nachts läuft ihr auf dem Nachhauseweg fast ein kleiner Junge vor das Auto. Als sie am nächsten Tag ihre Nichte zur Schule bringt, dort die Überreste eines geschlachteten und verzehrten Igels gefunden werden und Judith auch noch auf eine blutüberströmte Matratze im Hausmeisterverschlag stößt, ist für sie die Sache klar. Sie setzt ihre alten Kollegen bei der Polizei in Kenntnis, insbesondere: Deniz Kovacevic (Edin Hazanovic), der jetzt die Mordkommission leitet. Doch wegen mangelnder konkreter Verdachtsmomente kann niemand etwas tun.

Der Film führt tief hinein in sein Sujet, in alles, was in der deutschen Flüchtlingspolitik falsch läuft, aus jeder Perspektive, in jedem Kontext: Sexuell übergriffige junge arabische Männer und rassistische Unterschichtsberliner geben sich die Klinke in die Hand. Der Sozialarbeiter ist überfordert und demotiviert, der Mitarbeiter der NGO dagegen übermotiviert, aber machtlos. Die zwielichtigen libanesischen Clans machen mit dem Leid anderer schon wieder das große Geschäft, betreiben Flüchtlingsheime samt Reinigungsdiensten, verdienen das richtige Geld aber damit, dass sie die Geflüchteten zum Anschaffen schicken. Wo man hinsieht, das pure Elend.

Was an diesem Film als erstes auffällt, ist seine besondere Eindringlichkeit. «Vermisst in Berlin» nähert sich seiner Problemstellung und seinen Milieus schonungslos; der Film sieht hin, wo die meisten öffentlich-rechtlichen Produktionen längt weggesehen hätten. Er ergreift Partei für die Menschlichkeit, aber ansonsten für nichts. Dass viele desaströse Entwicklungen haben stattfinden müssen, um unser Land und unsere Gesellschaft an den Punkt zu bringen, an dem wir laut diesem Film sind – nämlich dass Zehntausende Minderjährige durch Deutschland streifen, ohne dass sich irgendjemand um sie kümmert oder für sie interessiert – steht außer Frage. Doch «Vermisst in Berlin» geht es weder um (politische) Schuldzuweisungen, noch um Ursachenforschung – nicht, weil der Film daran ein populistisches Desinteresse hätte, sondern weil er sich nicht mit den Gründen, sondern mit den Folgen beschäftigen will: den sozialen und gesellschaftlichen, aber insbesondere den psychologischen.

Judith Volkmann ist einer dieser rechtschaffenen Menschen, die nicht wegsehen können, die besessen werden vom Unrecht und der Not anderer, und die sich irgendwann in den Kopf gesetzt haben, sie abzustellen, zumindest soweit es in ihrer Macht steht. Ihr Irgendwie-Kollege Kovacevic, der sich, obwohl er deutscher als alle Deutschen ist, ob seines Migrationshintergrundes samt für deutsche Ohren komisch klingendem Nachnamen gegen herbe Widerstände hat hocharbeiten müssen, bremst sie dabei nicht nur einmal aus – aber nicht, weil er ein Paragraphen reitender, Korinthen kackender Juristenbubi ist, sondern weil er weiß, dass er das Verfahren in rechtlich akkuraten Bahnen abarbeiten muss, damit sich die gewitzten Hintermänner nicht hinterher die Hände reiben. Das Zusammenspiel dieser beiden Figuren ist eine Sternstunde deutscher Krimi-Drama-Dialoge und gefällt nicht zuletzt durch Jördis Triebels und Edin Hazanovics nuanciertes Spiel.

Das ZDF zeigt «Vermisst in Berlin» am Montag, den 11. Februar um 20.15 Uhr.
10.02.2019 05:21 Uhr Kurz-URL: qmde.de/107127
Julian Miller

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Vermisst in Berlin

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