Ein Mordfall, eine Bauruine, ein entgleitender Sohn, wilde Halluzinationen: Die Hauptfigur hat tatsächlich an allen Fronten zu tun. Doch der Blick ins deutsche Mittelschichtsleben bleibt unnötig oberflächlich.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Thomas Loibl als Martin Kühn
Dagmar Leesch als Susanne Kühn
Marlene Labahn als Alina Kühn
Cedric Linus Eich als Niko Kühn
Ronald Kukulies als Thomas Steirer
Peter Wolf als Dirk Neubauer
Kim Riedle als Martina Brunner
Hinter der Kamera:
Produktion: Olga Film GmbH
Drehbuch: Volker Einrauch
nach dem Roman von Jan Weiler
Regie: Ralf Huettner
Kamera: Armin Golisano
Produzentin: Viola JägerMartin Kühn (Thomas Loibl) ist seit langer Zeit in seinem Mittelschichtsleben angekommen: Eigenheim im Neubaugebiet, glückliche Ehe und zwei Kinder, das Berufsleben dank Beamtenstatus und Polizeikarriere in trockenen Tüchern. Doch in letzter Zeit plagen ihn krude Halluzinationen von schockierenden Gewalttaten. Mit irgendetwas in seinem Unterbewusstsein ist er nicht im Reinen.
Das kann viele Ursachen haben. Neben einem alten Trauma, das nach zahlreichen verklausulierten Andeutungen natürlich erst gen Schluss voll durchbricht, hat sich das allgemeine Stresslevel in seinem Leben vielleicht unmerklich, aber beständig und deutlich erhöht: Auf der Arbeit wird ihm ein schnöselig-ambitionierter Staatsanwalt als Vorgesetzter vor die Nase gesetzt, der ihn durch übertrieben-herablassende Lobeshymnen geringschätzt. Kühns Neubaugebiet wurde auf dem verseuchten Grund einer alten Munitionsfabrik errichtet, weswegen sich jetzt irgendeine seltsame, wahrscheinlich hochgiftige Substanz durch die Kellerwände drückt. Und noch dazu wird sein Sohn samt dessen Kumpels vom rechtsradikalen Fußballtrainer, der befremdlicherweise auf allgemeine Akzeptanz in der Siedlung stößt, sukzessive ins ausländerfeindliche Milieu abgedriftet, Gewalttaten inklusive.
Doch weil der Stoff seiner Figur und ihrer Lebensgeschichte offensichtlich nicht genug vertraut, muss das Drehbuch noch um einen Kriminalfall erweitert werden: Vor wenigen Tagen ist die kleine Emily aus dem Viertel verschwunden, und Kühn bleibt ob der Dramatik dieser Situation erstaunlich ruhig, was sich auch nicht ändert, als unweit seines eigenen Hauses die übel zugerichtete Leiche eines älteren Mannes gefunden wird.
Der Titel dieses Films lügt nicht: Kühn hat tatsächlich viel zu tun. Doch nirgendwo kommt er so richtig weiter. Denn das Drehbuch begnügt sich damit, die einzelnen Baustellen seines Lebens – ins Rechtsextreme abgleitender Sohn, das finanzielle Damoklesschwert der Eigenheimruine, der zu lösende Mordfall und das Aufflackern des alten Traumas – jeweils kurz anzuteasern, um all die Entwicklungen dann doch nur in erwartbaren und wenig kreativen Wendungen abzuhaken.
Diese unentschlossene Erzählung versperrt dann auch den Weg dorthin, wo es richtig interessant wäre: nämlich in das narrativ besonders ergiebige Milieu der bürgerlichen Neubausiedlung, wo in Deutschland statt den
Picket Fences die Blumenkübel stehen, es aber nicht minder neurotisch zugeht. Doch obwohl man mit einer selbstbewussten und wirtschaftlich anscheinend enorm produktiven Erotik-Webcam-Darstellerin einen kurzen Blick hinter die Kulissen der bürgerlichen Fassaden wagt, ist man sich auch hier mit einem kurzen, eher voyeuristischen denn psychologischen Schlenker genug. Dabei sind viele der Diagnosen über das deutsche Mittelschichtsleben, die dieser Film beiläufig stellt, zwar krude, aber nicht falsch. Doch leider hat er an seinem spannendsten Untersuchungsfeld kein weitergehendes Interesse.
Die Aufmachung mit einem eleganten Vorspann und der dramaturgische Kniff, mit dem die Erzählung am Ende des Films wieder auf die Ausgangsposition zurückgedreht wird (samt der Betonung eines weiter schwelenden Konflikts in der letzten Einstellung), lassen derweil erkennen, dass sich die Macher «Kühn hat zu tun» wohl nicht nur als Einzelstück, sondern womöglich auch als den Auftakt einer Reihe vorstellen können. Mit Thomas Loibl als versatilem Lead-Darsteller und einer im Kern nicht uninteressanten Hauptfigur wären die wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine Fortsetzung gegeben. Und konzentrierte sie sich auf ihre interessantesten Themen und gewänne dabei ausreichend Wagemut, sich auf ihre Stärken zu besinnen, wäre dagegen auch nichts einzuwenden.
Das Erste zeigt «Kühn hat zu tun» am Mittwoch, den 30. Januar um 20.15 Uhr.
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