Vier Jahre nach Rockys Rückkehr auf die große Leinwand wird die Geschichte seines Schützlings Adonis Creed in «Creed II» weitererzählt. Abweichungen von der üblichen Erfolgsformel gibt es kaum – trotzdem übertrifft Steven Caple Jr. den Vorgänger noch einmal.
Filmfacts: «Creed II»
- Start: 24. Januar 2019
- Genre: Drama/Sportfilm
- FSK: 12
- Laufzeit: 130 Min.
- Musik: Ludwig Göransson
- Kamera: Kramer Morgenthau
- Buch: Sylvester Stallone, Juel Taylor
- Regie: Steven Caple Jr.
- Darsteller: Michael B. Jordan, Sylvester Stallone, Tessa Thompson, Dolph Lundgren, Florian Munteanu, Phylicia Rashad, Wood Harris
- OT: Creed II (USA 2018)
So wirklich damit zu rechnen war ja nicht, dass die «Rocky»-Fortsetzung «Creed – Rocky’s Legacy» im Jahr 2015 tatsächlich Anklang bei Zuschauern, vor allem aber Kritikern finden würde. Immerhin hatte sich die sechsteilige Boxreihe über die Jahre totgelaufen und zum Teil auch in eine Ecke der Billigunterhaltung manövriert. Ein Sequel nach so vielen Jahren – trotz der Beteiligung von Mastermind Sylvester Stallone («The Expendables»): ein Wagnis, das auch mächtig hätte schiefgehen können. Schließlich wurde zum damaligen Zeitpunkt so ziemlich alles fortgeführt, was irgendwann mal erfolgreich war (daran hat sich übrigens bis heute nichts geändert). Doch wie sich Regisseur Ryan Coogler («Nächster Halt: Fruitvale Station») dato der Rocky-Legende annahm, hatte Seltenheitswert: Fortan fungierte Rocky Balboa als Mentor für den von Michael B. Jordan («Black Panther») verkörperten Adonis Creed, Sohn von Apollo Creed. So schließt sich der Kreis. Denn schon Rocky Balboa stand einst mit dem Schwergewichtsweltmeister im Ring.
Für die Fortsetzung «Creed II» bleibt diese Figurenkonstellation unverändert. Gleichzeitig gesellen sich mit Viktor Drago, vor allem aber mit Ivan Drago (Dolph Lundgren) zwei weitere mit Rockys und Creeds Boxvergangenheit verbandelte Charaktere hinzu, die eine direkte Verbindung zu «Rocky IV» herstellen. Das klingt schon wieder alles ziemlich willkürlich, unterliegt aber einem genauen Gespür dafür, wie Probleme und Differenzen von Generation zu Generation weitergetragen werden.
Rache im Ring
Für Adonis Creed (Michael B. Jordan) ist das Leben ein Balanceakt geworden. Neben persönlichen Verpflichtungen und dem Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf seinen nächsten Kampf, steht ihm die größte Herausforderung seines Lebens bevor: Da sein Gegner eng mit seiner Familiengeschichte verbunden ist, steht der bevorstehende Kampf im Ring unter besonderen Vorzeichen. Doch Rocky Balboa (Sylvester Stallone) steht Adonis zur Seite und zusammen stellen sich die beiden dem Vermächtnis, das sie verbindet. Dabei werden sie mit der Frage konfrontiert, ob sich der Kampf überhaupt lohnt – letztlich erkennen sie, dass die Familie das Band ist, das alles zusammenhält. Was ist der Stoff, aus dem die Champions sind? Adonis und Rocky begreifen: Egal wohin der Lebensweg führt – niemand kann seiner Vergangenheit entkommen.
Aufgrund der Dreharbeiten zum Marvel-Superhit «Black Panther» übergab Ryan Coogler das Regiezepter an seinen Kollegen Steven Caple Jr. («The Land»). Für das Drehbuch wiederum zeichnet erneut Sylvester Stallone verantwortlich, der sich für ein wenig frischen Wind den schreibenden Debütanten Juel Taylor an die Seite holte. Zwar lässt sich rückwirkend wohl kaum noch genau sagen, wer von den beiden exakt für welche Wendungen und Handlungsstränge verantwortlich ist, doch wenn man weiß, dass Stallone auf neue Unterstützung zurückgriff, meint man genau hierin einen der großen Vorzüge von «Creed II» zu erkennen. Zwar rücken die beiden mit ihrem Werk nie komplett von der altbekannten Boxfilm-Dramaturgie ab; die letzten zwanzig Minuten sind von Anfang an deutlich vorgezeichnet, die Trainingsmontagen kommen exakt dann, wann man sie erwartet und die sportlichen wie privaten Rückschläge prägen den routiniert vonstatten gehenden Rhythmus des Films genau so, wie es auch schon beim ersten «Creed» geschehen ist.
Gleichzeitig findet sich die Variation im erzählerischen Detail. Auch die Atmosphäre an sich unterscheidet sich ein Stück weit von dem doch verhältnismäßig kraftvoll-optimistischen Franchise-Auftakt. In «Creed II» ist es nicht mehr der Willen, es sich und seinem Umfeld zu beweisen, der den Sportler Adonis Creed antreibt. Diesmal geht es um so etwas Banales wie Rache. Und um das auch inszenatorisch hervorzukehren, geht der bislang vor allem für die TV-Serie «Class» bekannte Regisseur Steven Caple Jr. seine ganz eigenen Wege.
Dass Boxen ein sehr hässlicher Sport sein kann, lassen die romantisierenden Mechanismen gängiger Sportfilme (übrigens auch in Bezug auf sämtliche anderen Sportarten, über die Filme gedreht werden) gerne außen vor. In «Creed II» treibt genau dieser Umstand die Art der Inszenierung an; der Film beginnt damit, dass Adonis‘ Sieg über seinen Gegner – und damit ein Ereignis, das in solchen Geschichten normalerweise das furiose Finale inklusive Happy End bildet – hier nur auf dem Papier einer ist. Der Kampf ist unschön, die Gegner einander nicht ebenbürtig und Adonis geht auf emotionaler Ebene nicht als Gewinner hervor. Die Frage danach, was einen Sieger aus-, ja, was eigentlich den ganzen Sport zu einem solchen Ereignis macht, zieht sich durch die anschließenden 120 Minuten, für die Steven Caple Jr. noch exakt zwei Boxkämpfe inszeniert.
In beiden Fällen duellieren sich Adonis Creed und Viktor Drago (Florian Munteanu), die, von Hass getrieben, zunächst kein sauber ausgeführtes Boxduell austragen, sondern stattdessen aufeinander eindreschen, bis einer der beiden nicht mehr aufsteht. Das ist alles andere als ästhetisch anzusehen, wenngleich sich Kameramann Kramer Morgenthau («The Darkest Minds – Die Überlebenden») dem hitzigen Gefecht nicht anpasst und unter Zuhilfenahme brutaler Close-Ups stets die Übersicht wahrt. Vor allem aber versinnbildlicht es die persönliche Fehde der Kontrahenten, die in diesem Moment nicht den Sport, sondern einzig und allein die Zerstörung des jeweils anderen im Kopf haben.
Privatleben trifft auf Sportlerdasein
Dass sich der zweite und finale Fight in «Creed II» schließlich wieder an gängige Konventionen hält und auch nicht mit solchen Spielereien wie noch in Teil eins auftrumpft, in dem Ryan Coogler ein Match gar als One-Shot inszenierte, ist ein wenig schade. Trotzdem ist es konsequent. Schließlich handelt der Mittelteil davon, wie sich Adonis Creed endlich vom persönlichen Rachegedanken löst und sich wieder voll und ganz auf das Boxen als Sport konzentriert. Erzählerisch nicht unbeteiligt an diesem Kurswechsel ist auch das gekonnt in den Sportplot eingeflochtene, private Schicksal Creeds, der mit seiner Freundin Bianca eine Familie gründen möchte. Nicht nur das niederschmetternde Schicksal rund um ihren jungen Säugling, das jetzt schon eine der traurigsten Szenen des Kinojahres 2019 ausmacht, erschüttert Hauptfiguren wie Zuschauer in ihren Grundfesten, einfach weil es völlig aus dem Nichts kommt und trotzdem absolut plausibel ist.
Wie sich der Sportler und die von den plötzlichen Vaterpflichten überforderte Privatperson Adonis Creed hier ergänzen, ist ganz großes, mit viel Feingefühl erzähltes Kino, das in einer wunderschön fotografierten Szene im Trainingszentrum ihren visuellen Höhepunkt findet, wenn Vater und Kind hier in einem stillen Moment und vor der Kulisse des leeren Boxrings die Zweisamkeit genießen. Sylvester Stallone, der für seine Performance im ersten Teil sogar völlig zu Recht für den Oscar nominiert wurde, wacht über alledem wie eine (Groß-)Vaterfigur und rückt sich und sein Spiel mit der Zeit immer mehr selbst in den Hintergrund. Ganz so, als wüsste er, dass die Zeit im Ring für ihn nun endgültig vorbei ist.
Fazit
Auch für «Creed II» ändert Steven Caple Jr. wenig an der bewährten Boxfilm-Dramaturgie. Doch das ändert nichts daran, dass das Sequel den ohnehin schon starken ersten Teil noch einmal übertrifft, denn wie der Filmemacher hier die private und die berufliche Ebene zusammenführt und dabei immer wieder die Härte, den Dreck und die Brutalität des Sports betont, ist schlicht atemberaubend.
«Creed II: Rocky’s Legacy» ist ab dem 24. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
22.01.2019 15:58 Uhr 3
Tja, Sid. Auf der einen Seite Jon Boyega als Arzt in den Orient reinzuschreiben.
Auf der anderen Seite Black Panther oder Creed...
Rassismusbrille Sid, Augen auf.
Wen Du repäsentierst ist ja eh klar.
Zur Not queerst Du wieder rum und wirst beleidigend.
22.01.2019 17:31 Uhr 4
Könnte mich nicht erinnern, dich je beleidigt zu haben. Jedenfalls nie absichtlich. Dafür freue ich mich doch viel zu sehr über deine Kommentare, als dass ich dich durch Gemeinheiten verjagen wollen würde!
22.01.2019 19:31 Uhr 5