Regisseur Peter Hedges besetzte für sein Drogendrama «Ben is Back» seinen eigenen Sohn Lucas. Damit unterstreicht der Newcomer nicht bloß ein weiteres Mal sein Händchen für eine perfekte Rollenauswahl, sondern auch, was für ein begnadeter Schauspieler er ist.
Filmfacts: «Ben is Back»
- Start: 10. Januar 2019
- Genre: Drama
- FSK: 12
- Laufzeit: 103 Min.
- Musik: Dickon Hinchliffe
- Kamera: Stuart Dryburgh
- Buch & Regie: Peter Hedges
- Darsteller: Julia Roberts, Lucas Hedges, Courtney B. Vance, Kathryn Newton, Rachel Bay Jones, David Zaldivar
- OT: Ben is Back (USA 2018)
Lucas Hedges steht bereits seit 2007 vor der Kamera, doch so richtig von ihm Notiz nimmt die Filmwelt erst seit seiner für einen Oscar als bester Nebendarsteller nominierten Performance in Kenneth Lonergans Drama «Manchester by the Sea». Seitdem geht es für den gerade einmal 22-jährigen Sohn eines Regisseurs und einer Dichterin steil bergauf. Im vergangenen Jahr war er in zwei Oscar-Frontrunnern zu sehen («Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» und «Lady Bird»), auch in dieser Saison gehören seine Filme «Der verlorene Sohn» und «Ben Is Back» zumindest zum erweiterten Kreis erwartbarer Nominees und Preisträger. Eines muss man Hedges dabei lassen: Die Rollen, die er sich aussucht, sind anspruchsvoll und substanziell – und die Berücksichtigung bei Filmawards damit fast schon unumgänglich. Während er in «Der verlorene Sohn» die Rolle eines zwangstherapierten Homosexuellen spielt (übrigens bereits mit einer Golden-Globe-Nominierung gewürdigt), verkörpert er in «Ben Is Back» einen Drogenabhängigen auf Entzug – und das Ganze auch noch unter der Anleitung seines eigenen Vaters Peter Hedges («Das wundersame Leben von Timothy Green») was aufgrund der harten Thematik alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Lucas Hedges geht seine neue Aufgabe mit erwartbarer Aufopferungsbereitschaft an und stemmt das Drama gemeinsam mit einer nicht minder herausragenden Julia Roberts («Wunder»). Skript und Regieführung stehen dahinter ein wenig zurück, wenngleich „Ben Is Back“ trotzdem definitiv sehenswert bleibt.
Eine Familie, ein Tag
Holly Burns (Julia Roberts) ist hin- und hergerissen, als ihr 19-jähriger Sohn Ben (Lucas Hedges) an Heiligabend unverhofft vor der Tür steht. Die vierfache Mutter möchte nur zu gern glauben, dass ihr Ältester sein Drogenproblem endlich im Griff hat. Aber die Zweifel bleiben. Vor allem Schwester Ivy (Kathryn Newton) und Stiefvater Neal (Courtney B. Vance) sind skeptisch. Hat er die Familie nicht schon oft genug ins Chaos gestürzt? In den folgenden turbulenten 24 Stunden versucht Holly alles, um ihre Familie zusammenzuhalten und Ben vor sich selbst zu schützen – und findet dabei mehr über sein Leben heraus, als ihr lieb ist…
Der simple Titel «Ben Is Back» nimmt im Grunde alles Wichtige an Peter Hedges‘ von echten Erlebnissen beeinflusstem Drogendrama vorweg: In dem Moment, als der eigentlich in Therapie verweilende Ben zurück bei seiner Familie ist, nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Fortan lässt sich «Ben Is Back» in zwei Hälften teilen, von denen beide auf ihre Art glaubwürdig inszeniert und doch so vollkommen unterschiedlich sind, dass Peter Hedges sie nicht immer stimmig zusammenbringt. Besonders intensiv gestaltet sich die Anfangsphase: Keine fünf Minuten vergehen und schon bringt Ben mit seiner unerwarteten Ankunft das Familiengefüge zur eigentlich so besinnlichen Weihnachtszeit durcheinander. Die Szenen zwischen ihm und seiner von Julia Roberts über alle Maße hingebungsvoll verkörperten Mutter gehören, gerade aufgrund ihrer Detailbeobachtung, zu den stärksten. Das Wegräumen der Medikamente im Bad, das Warten vor offener Tür, während ihr Sohn pinkelt, die einnordenden Worte, dass Ben sich zu keiner Sekunde von seiner Mutter wegzubewegen hat – all diese Szenen inszeniert Peter Hedges derart unaufgeregt, während sie von Julia Roberts mit Inbrunst und Passion vorgetragen werden, dass man den Ernst der Lage zu keinem Zeitpunkt unterschätzt.0
Gleichermaßen baut sich in den vier Wänden des Hauses eine allgegenwertige Spannung auf, die daraus entsteht, dass das smarte Skript von Peter Hedges aus Bens Vergangenheit lange Zeit ein Geheimnis macht: Was genau ist eigentlich passiert, dass sich die Spannungen innerhalb der Familie seit Bens Auftauchen förmlich greifen lassen?
Roberts und Hedges überragend
Durch Hedges‘ behutsames Offenlegen verschiedener Details ergibt sich mit der Zeit ein schlüssiges Ganzes. Das ist nicht sonderlich spektakulär – wer durch die Hinhaltetaktik des Autors und Regisseurs von einem überbordenden Twist ausgeht, dürfte von «Ben Is Back» sogar enttäuscht werden. Vor allem in der ersten Hälfte ist der Film einfach nur ein realistisches Drogendrama, das jedoch nicht bloß das Schicksal eines Abhängigen, sondern vor allem von Co-Abhängigkeit seines Umfelds erzählt. Nicht nur in der Interaktion zwischen Roberts und Lucas Hedges gewinnt «Ben Is Back» an Intensität. Es sind gerade auch die Szenen, in denen die kleine Welt der Burns-Family auf jene prallt, in der Ben zum Süchtigen wurde, in der sich das ganze Ausmaß der familiären Katastrophe erschließt. Hedges kennt hier keine falsche Scheu und geht bisweilen sogar dazu über, die Gesellschaft im Gesamten anzuklagen.
Besonders im Kopf bleibt ein Aufeinandertreffen zwischen Holly und Bens ehemaligem Arzt, dessen verschriebene Medikamente den Grundstein für Bens Abhängigkeit legten. Hier wird aus dem tieftraurigen «Ben Is Back» auch ein wütender Film, der ein ganzes System in Frage stellt. Hedges hätte hier zwar gern noch tiefer ins Detail gehen können; so bleibt es in diesem Punkt lediglich bei zwar eindringlichen, aber doch auch viel zu schnell vorüber gehenden Beobachtungen. Gleichzeitig steht «Ben Is Back» letztlich stellvertretend für ein Einzelschicksal, das sich in der zweiten Filmhälfte zu einem waschechten Thriller entwickelt.
Mit dem Verschwinden eines kleinen Hundes als auslösendes Moment für eine Reihe abenteuerlicher Ereignisse ändert sich der Tonfall des Films: Aus dem intimen Mutter-Sohn-Drama wird jetzt auch ein Milieuthriller, der zwar seinen engen Erzählradius beibehält, wodurch sich die beobachtenden Prioritäten allerdings verschieben. Die überall unterschwellig lauernden Trigger für Bens Suchtverhalten werden nun zu aggressiv um seine Aufmerksamkeit bettelnde Gefahrenquellen, wenn Ben und seine Mutter ebenjenen Hund ausgerechnet bei den Menschen suchen müssen, die an Bens Drogenabhängigkeit direkt beteiligt waren. Dabei sind es weniger die zumeist im Dunkeln bleibenden (oder die einen gerade aufgrund ihres unspektakulären Erscheinungsbildes vor den Kopf stoßenden) Dealer, durch die die Atmosphäre in «Ben Is Back» weiterhin dicht bleibt.
Peter Hedges konzentriert sich auch in der vorwiegend auf Suspense setzenden zweiten Hälfte voll und ganz auf die Ängste von Holly, die regelrecht zu bersten drohen, wenn sie vor verschlossenen Türen Halt machen muss, durch die ihr Sohn aber gerade ganz selbstverständlich hindurchgegangen ist. Und so fühlen sich die im finalen Drittel sogar noch auf die Spitze getriebenen Entwicklungen zwar nicht mehr ganz so lebensecht an wie alles, was in den ersten 45 Minuten geschieht, doch das Gefühlschaos von Mutter und Sohn bleibt konstant greifbar und nachvollziehbar tragisch.
Fazit
«Ben Is Back» ist ein packendes, einfühlsames Drogendrama, das erzählerisch ein wenig in zwei Hälften zerfällt. Immerhin überzeugen beide für sich – auch weil Julia Roberts und Lucas Hedges konstant stark aufspielen.
«Ben Is Back» ist ab dem 10. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
09.01.2019 13:23 Uhr 1
09.01.2019 18:27 Uhr 2
Die Kritiken sind ja im Schnitt bei beiden gut, die Besetzung nimmt sich qualitativ auch nicht viel - nur von der Inhaltsbeschreibung her glaube ich, daß "Ben Is Back" für mich wahrscheinlich etwas besser geeignet ist ...