Als Doku-Fiction will dieser Spielfilm den Niedergang der wirtschaftswunderlichen Borgward-Werke nachzeichnen – und lässt dabei jede kritische Distanz zum Unternehmensgründer missen.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Thomas Thieme als Carl F. Borgward
August Zirner als Wilhelm Nolting-Hauff
Bruno Eyron als Dr. Johannes Semler
Barbara Philipp als Elisabeth Borgward
André Mann als Karl Eggers
Anna-Lena Schwing als Monica Borgward
Franziska Mencz als Rita Elfenbein
Hinter der Kamera:
Produktion: Cinecentrum Hamburg
Drehbuch und Regie: Marcus O. Rosenmüller
Kamera: Stefan Spreer
Produzentin: Dagmar RosenbauerDie Borgward-Werke, benannt nach ihrem Gründer Carl F. Borgward (Thomas Thieme), waren im Nachkriegsdeutschland ein großer Player im Automobilmarkt. Dass viele Leser dieses Textes bis zu diesem Moment vermutlich nie von ihren Fahrzeugen gehört haben, wird vor allem daran liegen, dass die Borgward-Werke die Wirtschaftswunderzeit nicht überlebt haben: 1961 folgte der Konkurs, den die aktuelle Historiographie als verfrüht einordnet, zwei Jahre später verstarb der prägende Gründer und Geschäftsführer.
Sein letztliches kolossales Scheitern hat vielfache Gründe, die dieser leicht in die Doku-Fiction mäandrierende Spielfilm unmissverständlich vortanzt. Borgward mag ein brillanter Ingenieur und Konstrukteur gewesen sein, aber ebenso war er ein lausiger Geschäftsführer: Sein überalterter Unternehmenswust war kaum steuerbar und unnötig ineffizient, seine egomanische Beratungsresistenz lässt ihn unfähig für Führungsaufgaben erscheinen, und dass er auch im fortgeschrittenen Alter nicht über genügend Selbstreflexion verfügte, um erkennen zu können, dass er als der beste Schraubendreher nicht unbedingt der beste Chef der Schraubendreher war, musste früher oder später zum Sargnagel der Unternehmensgruppe werden.
All diese Aspekte erkennt der Film jedoch nur an, um sie gleich wieder als weitgehend unbedeutend zu verwerfen. Zwar läuft das neue Fahrzeugmodell bei Regen voll Wasser, und in Amerika brechen ob der kompetenteren Geschäftsführung der inländischen Konkurrenz die Absätze ein, aber die katastrophale Krisenkommunikation der Verantwortlichen in der Bremer Bürgerschaft und im Senat bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz hat fraglos den zunehmenden Verfall weiter befeuert.
Doch während Auto-Patriarch Borgward nicht zuletzt an seinen eigenen persönlichen Fehlern scheiterte, scheitert dieser Film daran, dass er ihm ein schwülstiges Denkmal setzen will, anstatt sich mit dieser kontroversen Persönlichkeit aus einem entfernteren, aber umsichtigeren Blickwinkel auseinanderzusetzen: Dass der große Borgward sein immenses Vermögen auch auf dem Rücken von KZ-Insassen zusammengerafft hat, ist diesem Film nur zwei knappe Erwähnungen wert, während am Schluss seine Tochter, buchstäblich neben seiner Statue stehend, aus alten Tagebucheinträgen über die schwere Zeit der damaligen Firmenpleite vorlesen darf, an der ihr Vater zerbrach, bevor dessen von Thomas Thieme gespielte fiktionale Version in einer der besseren Szenen gen Schluss zum ersten Mal selbstkritische Analyse betreiben darf.
Obwohl sich seine dokumentarischen Elemente weitgehend auf vereinzelte Archivaufnahmen von Konrad Adenauers Neujahrsansprachen und Ludwig Erhards Radiomitteilungen beschränken, während selbst Interviews mit den handelnden Personen fiktional nachgestellt werden, bleibt «Die Affäre Borgward» frappierend unfilmisch: Langatmig und dramaturgisch unnötig müssen die Charaktere ihre leicht durchschaubaren Motivationen vortragen und Exposition zur Ära Adenauer aufsagen, während die menschliche Tragödie von über zehntausend Entlassungen und reihenweise Folgeinsolvenzen bei Zulieferern und Einzelhändlern anhand eines überbetont exemplarischen jungen, optimistischen Fünfziger-Jahre-Ehepaars durchdekliniert wird, dessen Ehemann die klapperigen Wasserschadenautos verticken will. Zumindest eines haben das Spätwerk des Oberindustriellen Borgward und dieser Film also gemeinsam: schwere Konstruktionsmängel.
Das Erste zeigt «Die Affäre Borgward» am Montag, den 7. Januar um 20.15 Uhr.
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