Am selben Tag erscheinen hierzulande zwei Filme über Frauen, die sich für den Erfolg ihrer berühmten Gatten haben in den Hintergrund rücken lassen, während sie die eigentliche Arbeit verrichtet haben. Erzählt «Colette» noch ein echtes Schicksal nach, ist «Die Frau des Nobelpreisträgers» zwar fiktiv, aber mindestens genauso ergreifend
«Die Frau des Nobelpreisträgers»
- Start: 3. Januar 2019
- Genre: Drama
- FSK: 6
- Laufzeit: 101 Min.
- Musik: Jocelyn Pook
- Kamera: Ulf Brantås
- Buch: Jane Anderson
- Regie: Björn Runge
- Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Max Irons, Christian Slater, Harry Lloyd, Annie Starke
- OT: The Wife (GB/S/USA 2017)
Das Schicksal der französischen Schriftstellerin Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, dessen filmische Aufbereitung 2019 mit Keira Knightley in der Hauptrolle in die Kinos kommt, beweist: Die von Romanautor Meg Wolitzer erdachte Geschichte über eine Frau, die sich ihr ganzes Leben lang mit dem Schatten ihres Mannes zufriedengeben musste (passend dazu heißt der Film im Original auch einfach nur «The Wife»), ist nicht weit hergeholt. Darüber hinaus passt die Thematik aber auch einfach ganz hervorragend zum von #MeToo-geprägten Zeitgeist, der seit über einem Jahr eine Sensibilität für die Gleichberechtigung von Frauen in der Unterhaltungsbranche schafft. «Die Frau des Nobelpreisträgers» spielt anders als das Biopic «Colette» daher in der Gegenwart, wenngleich sich die in Rückblenden geschilderten Ereignisse, die den Grund aufzeigen, weshalb sich Joan einst so von ihrem Mann in den Hintergrund drängen ließ, natürlich in der Vergangenheit ereignet haben – 40 Jahre früher um genau zu sein.
Hier verhandeln Regisseur Björn Runge («Happy End») und Drehbuchautorin Jane Anderson («Ein amerikanischer Quilt») Ähnliches wie «Colette»-Regisseur Wash Westmoreland: Vor allem die damals fehlende Aufgeschlossenheit gegenüber von Frauen verfasster Literatur brachte Joan dazu, die von ihr geschriebenen Geschichten offiziell an ihren Gatten abzutreten, der folgerichtig die Lorbeeren dafür einheimsen durfte.
Der Nobelpreis für Literatur geht an...
Joan (Glenn Close) und Joe Castleman (Jonathan Pryce) sind seit knapp vierzig Jahren scheinbar glücklich verheiratet. Während er zu einem bedeutenden Schriftsteller aufgestiegen ist, hat sie ihm während seiner Karriere stets den Rücken freigehalten und sich vor allem um die gemeinsamen Kinder gekümmert. Nun folgt der Höhepunkt: Joe soll mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden. Dafür reist das Ehepaar gemeinsam mit Sohn David (Max Irons) nach Schweden, wo die Zeremonie stattfinden soll. Doch früh kommt es zu Spannungen zwischen Joe und David, der sich von seinem Vater nie genug gewürdigt gefühlt hat. Und auch zwischen den Eheleuten kriselt es, als der schmierige Journalist Nathaniel Bone (Christian Slater) Joan eines Abends mit seinen Recherchen konfrontiert: Anstatt Joe war es Joan, die für die fiktionalen Ergüsse ihres Mannes zuständig war. Ihr gebühren der Preis und die Anerkennung. Und ganz langsam steigt auch sie dahinter, dass sie jahrelang von Joe ausgebeutet wurde…
Während die Flashbacks, in denen Joan und Joe von Glenn Closes Tochter Annie Starke («Albert Nobbs») und Harry Lloyd («Die Entdeckung der Unendlichkeit») verkörpert werden, oftmals ein wenig zu sehr das unterstreichen, was man durch die Schilderungen der Eheleute ohnehin erfährt (in einer Szene wird der jungen Joan beispielsweise auf den Kopf zu gesagt, dass sie als weibliche Schriftstellerin keine Chance in der Männerdomäne haben wird – das ist im Vergleich zum restlichen Film ein wenig plump), überzeugt der Handlungsstrang um die Nobelpreisverleihung auf ganzer Linie. Björn Runge ist ein hervorragender Beobachter und lässt die Stimmung zwischen dem Ehepaar ganz langsam eskalieren; schon lange bevor es im letzten Drittel zum eigentlichen Showdown kommt, inszeniert er mit «Die Frau des Nobelpreisträgers» ein kochendes Machtspiel, in dem nach und nach die titelgebende Ehefrau die Oberhand gewinnt, ohne dabei derart offensiv vorzugehen, dass ihr Mann das überhaupt mitbekommt.
Stattdessen fällt hier mal ein vielsagendes Wort, das die innere Verfassung der angeschlagenen Joan treffsicher hervorkehrt, dort ist es ein verkrampftes Lächeln, das erkennen lässt, wie sehr sie sich doch beherrschen muss, wenn die einzige Anerkennung ihres Ehemannes die ist, dass er sie in öffentlichen Ansprachen immer wieder als seine Muse bezeichnet und als Gipfel der Dreistigkeit eine flammende Dankesrede an sich hält, in dem sich jedes Wort sichtbar wie ein Dolchstoß in Joans Herz bohrt, während sie gleichzeitig versucht, Containnance zu bewahren.
Eine überragende Glenn Close
Doch das Skript degradiert weder Joe Castleman zum verabscheuungswürdigen Antagonisten, noch drängt es seine Gattin in die Rolle des bemitleidenswerten Opfers. Und genau das ist es, was «Die Frau des Nobelpreisträgers» so interessant macht. Vor allem das streitbare (da dick aufgetragene) Ende betont noch einmal ganz besonders, dass sich über die vierzig Jahre trotzdem auch eine innige Liebe zwischen den beiden entwickelt hat, die abseits der beruflichen Abhängigkeit beider Parteien ehrlich und wahrhaftig ist. Es ist also durchaus nachzuvollziehen, wie passieren konnte, was passiert ist und mit einer derartigen Erkenntnis muss man als Zuschauer erst einmal klar kommen. Es wäre deutlich einfacher gewesen, sich von Anfang an auf die Seite von Joan zu stellen und sich einfach nur daran zu ergötzen, wie hier einem Mann seine gerechte Strafe zuteil wird. Doch so simpel denken denkt die Autorin nicht.
Diese erzählerische Feinfühligkeit ohne festgelegte Rollenverteilung verhilft den von einer überragenden Glenn Close («Das krumme Haus») und einem nicht minder starken Jonathan Pryce («The Man Who Killed Don Quixote») vorgetragenen Streitgesprächen zu einer großen emotionalen Fallhöhe und rückt die Ursprünge des Konflikts in eine unaufgeregt-nüchterne Richtung: Denn dass sich Joan ihren eigenen Erfolg zum damaligen Zeitpunkt vermutlich nicht selbst hätte erarbeiten können, war ja in dem Moment nicht (ausschließlich) das Problem ihres diesen Umstand ausnutzenden Ehemannes, sondern vor allem der rückständigen Gesellschaft.
Eine zweite thematische Ebene erönnet sich in «Die Frau des Nobelpreisträgers» durch das Auftauchen des Journalisten Nathaniel Bone, den Christian Slater («Nymph()maniac») angemessen schmierig verkörpert, wenn er der Ehefrau des von ihm vergötterten Joe Castleman brühwarm davon erzählt, dass er ganz genau darum weiß, dass nicht ihm die Ehre des Nobelpreises gebührt, sondern in Wirklichkeit Joan. Dieses Verhalten kommentiert nicht bloß am Rande die Gier nach Sensationen im Populärjournalismus, vor allem erweist sich Bone als absolut unberechenbarer Charakter, dessen Zu-viel-Wissen wie ein Damocklesschwert über der Preisverleihung hängt. Das verlagert diesen erzählerischen Einzelfall nach draußen, denn das Schicksal der Castlemans mag fiktiv sein, der Umgang damit würde aber vermutlich genau so stattfinden, wie hier geschildert.
Auch der von Max Irons gespielte (stand zuletzt schon in «Das krumme Haus» gemeinsam mit Glenn Close vor der Kamera), leider viel zu selten zu sehende Sohn der Castlemans erweist sich als interessante Nebenfigur. Dieser leidet unter den hohen Ansprüchen seines erfolgreichen Vaters, von dem er sich mehr Unterstützung darin hofft, selbst ein anerkannter Schauspieler zu werden. Die Szenen, in denen David seinen Dad mit Vorwürfen überschüttet, wirken in den Momenten besonders niederschmettert, denn immer wieder muss sich Joan dabei auf die Lippen beißen, um sich und auch ihren Mann nicht selbst zu verraten. In jenen Szenen, in denen diese Dreierkonstellation auftritt, ist «Die Frau des Nobelpreisträgers» am stärksten.
Fazit
«Die Frau des Nobelpreisträgers» ist dank seiner mehrseitigen Betrachtung ein spannendes Stück Drama- und vor allem Darstellerkino, in dem Glenn Close ihrer nächsten Oscar-Nominierung entgegenspielt. Die Auseinandersetzung mit einem zur Eindimensionalität einladenden Thema bringt Regisseur Björn Runge angemessen emotional, aber nie anklagend rüber.
«Die Frau des Nobelpreisträgers» ist ab dem 03. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
02.01.2019 16:45 Uhr 1
03.01.2019 00:05 Uhr 2
Edit: 09:39 das bezieht sich auf die Message des Films, keine Person gemeint, die wiedermal diese bösen Heteroehen und die verdrängten Chancen und Wünsche der Frauen inszeniert.
Daher auch mit Glenn Close besetzt.
Es hätte auch gut Frances McDormand gepasst.
08.01.2019 11:21 Uhr 3