Besetzt mit Benicio Del Toro und Patricia Arquette nimmt sich die Serie von Ben Stiller Zeit, Charaktere genau auszuarbeiten. Die Erzählgeschwindigkeit ist dabei Vor- und Nachteil zugleich.
Gefängnisse sind ein dankbarere Platz für Spielfilme und Serien. Die raue Umgebung bietet Platz für Auseinandersetzungen und Konflikte, Wärter und Insassen können gleichermaßen als Antagonisten oder Protagonisten aufgebaut werden und für die nötige Prise Dramatik ist der obligatorische Gefängnisausbruch perfekt. Nun hat sich Ben Stiller, der überwiegend für seine Karriere als komödiantischer Darsteller bekannt ist, an das Genre der „Knastfilme“ gewagt. Quotenmeter hat sich die ersten Folgen genauer gesehen, um einzuordnen, ob die Serie in Einzelhaft gehört, oder ob man ihr Freigang geben kann.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Patricia Arquette als Tilly Mitchell
Benicio Del Toro als Richard Matt
Paul Dano als David Sweat
David Morse als Gene Palmer
Hinter der Kamera:
Regie: Ben Stiller
Produktion: Gavin J. Behrman/ Gerry Robert Byrne/ Afam Brightman
Drehbuch: Michael Tolkin
Kamera: Jessica Lee Gagné
Musik: Ed Sheamur
Schnitt: Geoffrey Richman/ Malcolm Jamieson
Alleine der Cast von
«Escape at Dannemora» kann sich sehen lassen: Hochkaräter wie Benicio Del Toro, Paul Dano, Patricia Arquette und das bekannte Serien-Gesicht David Morse finden sich in der Serie wieder. Wenn die Riege der Darsteller bereits so vielversprechend ist, lässt das viel hoffen. So viel sei gleich vorweg genommen: auch abseits der Schauspieler weiß Ben Stillers erste große TV-Serie zu überzeugen.
Dabei hat der US-Amerikaner Stiller schon öfters auf dem Regiestuhl Platz genommen, jedoch überwiegend für Spielfilme wie
«Tropic Thunder»,
«Das erstaunliche Leben des Walter Mitty» oder
«Zoolander» und das Sequel
«Zoolander 2». Genretechnisch waren der größte Teil Komödien, die aber nicht selten einen emotionalen Einschlag hatten. Und eben diese starke emotionale Note findet sich nun auch in «Escape at Dannemora» wieder.
Ben Stiller inszeniert in seiner Serie einen realen Gefängnisausbruch, der 2015 tatsächlich in den USA auf diese Art und Weise stattgefunden hat. Dreh- und Angelpunkt der Serie ist Tilly Mitchell, eine gealterte Gefängnisarbeiterin, die die Aufsicht über die Nähabteilung der Häftlinge hat. Dabei hat sie ein Auge auf den jungen Insassen David Sweat geworfen, mit dem sie sich während den Arbeitszeiten in der Abstellkammer vergnügt. Sweat wiederum ist mit dem Insassen Richard Matt befreundet, der als der Dealer im Gefängnis gilt und durch seine Kontakte zu den Wärtern vieles besorgen kann. Als ihn ein Wärter rechtzeitig vor einer Zellenrazzia warnt und er daraufhin in einen der hintersten Winkel des Gefängnisses verschwindet, entdeckt er dort eine mögliche Ausbruchsstelle. Er und David können jedoch nicht ohne Hilfe ausbrechen. An dieser Stelle kommt wieder Tilly ins Spiel, an die sich mittlerweile auch Richard nähert.
Die reale Geschichte hat regelrecht darauf gewartet als Drehbuch adaptiert zu werden und «Escape at Dannemora» weiß die Story gekonnt zu inszenieren. Entgegen der Erwartung wird in den ersten Folgen der Fokus jedoch nicht auf Spannung oder Dramatik gelegt, sondern dafür genutzt die einzelnen Charaktere genauestens auszuarbeiten. Der Zuschauer wird Zeuge ihrer Lebensumstände vor und hinter den Gittern, von ihren Emotionen und Alltagsabläufen, wodurch die Charaktere greifbar und real wirken. Das mag in gewisser Weise der Tatsache geschuldet sein, dass es sich beim Plot der Serie um ein tatsächliches Ereignis handelt, aber auch das gute Drehbuch trägt dazu bei.
Insbesondere die Darsteller wissen zu überzeugen und gehen in ihren Rollen förmlich auf. Benicio Del Toro ist zwar wieder einmal in der Rolle eines abgebrühten Macho zu sehen, doch auch sein Charakter ist facettenreicher, als es den Anschein hat. Patricia Arquette, die den meisten noch als Mutter aus
«Boyhood» bekannt sein dürfte, ist ebenfalls beeindruckend als Tilly, die sich in ihrer Ehe nicht mehr wohl fühlt und eine Alternative in David und Richard sieht. Paul Dano, den man überwiegend in den Rollen von eher schüchternen, um nicht zu sagen schwachen, Charakteren sieht, kann sich durch seine Rolle des Gefängnisinsassen ein wenig von seinem üblichen Typecasting entfernen.
Wenn man überhaupt von einem Malus bei «Escape at Dannemora» sprechen kann, ist es die Erzählgeschwindigkeit. Die Geschichte nimmt sich viel Zeit, um all ihre Haupt- und Nebencharaktere zu etablieren, was jedoch dem einen oder anderen Zuschauer zu langsam sein könnte. Als einen wirklichen Kritikpunkt kann man dies nicht sehen, jedoch sollte man sich nicht auf eine von Anfang an auf Spannung getrimmte Serie vorbereiten.
Fazit: Ben Stillers Gefängnisserie reduziert sich nicht auf den reinen Gefängnisausbruch und die Action darum. Der Fokus auf den Charakteren führt dazu, dass man sie nachvollziehen kann und zugleich viel mehr in das Geschehen eingebunden wird. Später kommt auch die Spannung nicht zu kurz, die jedoch nur durch die starke Charakterisierung profitiert.
Für alle, die der abgedroschenen
«Prison Break»-Formel schon lange müde sind, ist «Escape at Dannemora» die optimale Alternative.
Sky zeigt die Serie mittwochs, die nächsten Folgen wieder im Januar. Zudem natürlich auch auf Abruf.
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