Die größten Ärgernisse und die positivsten Überraschungen bei den Nominierungen für die nächsten Golden Globes, kompakt zusammengestellt.
Die
Nominierungen für die 76. Golden Globes stehen fest. Und wie es so ist, mit den Preisverleihungen: Kaum stehen die Nominierungen fest, sind im Internet alle unglücklich. So auch ich. Das ist mein Anrecht als Mensch mit Kinokolumne. Aber ich will nicht nur meckern. Daher sind hier meine freudigsten und ärgerlichsten Gedanken rund um die Nominierungen für die Golden Globes 2019.
Top: «Black Panther» als Bestes Drama
Nun: Ich persönlich finde zwar, dass «Avengers | Infinity War» mit seiner stetig anziehenden Eskalation, seinem konsequenten Schluss und seiner atemberaubenden Attacke an Actionpassagen der beste Marvel-Film des Jahres ist. Dennoch:
Ich gönne «Black Panther» seine Golden-Globes-Nominierung durch und durch. Ja, es gab frühere Marvel-Cinematic-Universe-Filme, die mir noch besser gefallen haben, aber das ist halt die Krux mit Awards. Sie werden in Jahresschritten vergeben, und «Black Panther» die Globe-Nominierung verwehren, weil «The Return of the First Avenger» keine erhalten hat, wäre albern. Ryan Cooglers Superheldendrama ist eine komplexe Auseinandersetzung damit, ab wann Vergeltung einen selbst zum Schurken werden lässt, sowie darüber, wie viel Neutralität in unserer Welt angemessen ist. Verdiente Nominierung und ein wichtiger Schritt in Sachen Prestige für das Superheldenkino.
Flop: «Bohemian Rhapsody» als Bestes Drama
Es steht außer Frage: Rami Malek rockt einfach in der Rolle des Queen-Frontsängers Freddy Mercury. Und «Bohemian Rhapsody» hat obendrein eine satte Soundabmischung, einige sehr spaßige (wenig faktengetreue) Szenen über die Entstehung einiger der berühmtesten Queen-Songs sowie ein überaus zufriedenstellendes, das Kinoerlebnis bezahlt machendes Finale. Aber es ist auch eine arge Ansammlung von Biopic-Klischees, die sich zwischendurch in arg kitschig-stereotype Bildkompositionen manövriert und wenig über die Band auszusagen weiß. «Bohemian Rhapsody» ist ein Gute-Laune-Drama, dessen großer Kinoerfolg sehr nachvollziehbar ist. Aber eine Globe-Nominierung ist übertrieben.
Top: «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» als Beste Komödie
Yorgos Lanthimos ist einer der interessantesten Regisseure der Jetztzeit – und obwohl ihn praktisch tagtäglich immer mehr Filmvernarrte für sich entdecken, ist er noch immer ein verkanntes Genie: Sowohl «The Lobster» als auch «The Killing of a Sacred Deer» sind herrlich-fiese, staubtrockene Komödien, die alltäglichen Banalitäten den Spiegel vorhalten – werden aber aufgrund ihrer so ernsten Inszenierung, ihrer ausdrucksstarken Handlung und ihrem monotonen Duktus in den Dialogszenen nur bedingt als solche erkannt. «The Favourite – Intrigen und Irrsinn» mag das Gewand eines Kostümfilms tragen, ist aber spritziger vermittelt als Yorgos Lanthimos' bisherige Filmografie – und dafür sind die Witze noch herber und spröder. Der Intrigenwettstreit zwischen Emma Stone und Rachel Weisz ist göttlich – und hat sich diese Nominierung redlich verdient. Auf dass nun noch mehr Menschen Yorgos Lanthimos entdecken!
Flop: Vier Nominierungen für «Mary Poppins' Rückkehr»?
Aufgrund eines Embargos für Besprechungen außerhalb Social Media kann ich diesen Punkt aktuell nicht näher ausführen. Aber so viel sei meiner Kritik bereits vorweggenommen: Damit, dass «Mary Poppins' Rückkehr» für vier Globes nominiert wird, bin ich nicht einverstanden!
Top: Rosamund Pike erhält wieder eine Nominierung
Jede Nominierung für Rosamund Pike ist eine gute Nominierung. Punkt.
Flop: «Die Unglaublichen 2» als Bester Animationsfilm?
Es ist offenbar eine Minderheitenmeinung von mir, dass ich «Die Unglaublichen 2»
als inhaltlich halbgare Fortsetzung betrachte, die abseits ihres Looks kaum etwas zu bieten hat. Trotzdem ist es für mich ein Flop, dass die Globes in den blinden Liebesreigen für das herzlose Pixar-Sequel mit einstimmen.
Top: «A Star Is Born» hat jede seiner Nominierungen verdient[/url]
Bestes Drama, Bester Song, Bester Hauptdarsteller, Beste Hauptdarstellerin und vor allem Beste Regie: Bradley Coopers Regiedebüt «A Star Is Born» ist ein wirklich toller, geschickt eingefädelter, emotionaler Film und passt super ins Nominiertenfeld der Globes.
[b]Flop: «A Quiet Place» ist im Rennen für die Beste Filmmusik
«A Quiet Place» ist eines der größten Rätsel dieses Filmjahres: Dieser Sci-Fi-Thriller, der in einer Zukunft spielt, in der Menschen still sein müssen, damit sie nicht von aggressiven Aliens mit Supergehör zerfleischt werden, beginnt atmosphärisch und ist eingangs sehr feingliedrig konstruiert. Und dann wird er zu einer grobschlächtigen, lärmenden Discount-Variante von «Signs», die einem den Schrecken so oft unter die Nase reibt, dass er die Aura des Bedrohlichen verdient. Darüber hinaus kracht und ächzt sich der Film musikalisch extrem viel zusammen, dafür, dass er eingangs von der Stille lebt. Und dennoch ist er einer der größten Kritikerlieblinge des Jahres und wurde zum Beispiel vom American Film Institut zu einer der besten Produktionen 2018 gewählt. Lächerlich – und dass
einer der größten Schwachpunkte des Films, der hyperaktive Aggro-Score, nun einen Preis absahnen könnte? Das ist noch lächerlicher.
Top: «Werk ohne Autor» ist als Bester fremdsprachiger Film im Rennen
Seit seinem Oscar-Gewinn ist Florian Henckel von Donnersmarck irgendwie bei größeren Teilen der deutschen Filmliebhaber durchgefallen. Sobald gegen ihn geätzt werden kann, wird gegen ihn geätzt. Kein Wunder, dass «Werk ohne Autor» nach Jahren, ach was, Jahrzehnten des "Ein deutscher Film ist im Rennen! Der muss alles gewinnen!"-Patriotismus nun der zweite Film in Folge ist, dem diese Reaktion aus Deutschland verwehrt bleibt. Erst wurde Fatih Akins «Aus dem Nichts» auffällig wenig bejubelt (hat da etwa jemand zu viel Salz in offene Wunden gestreut?), und nun bekommt «Werk ohne Autor» aus Deutschland eine recht kalte Schulter gezeigt.
Unverdient, wie ich finde. Müssen halt die Globes dem Film was Beachtung schenken!
Flop: «A Quiet Place» ist im Rennen für die Beste Filmmusik
Ja, das habe ich eben schon erwähnt. Aber ich mag es mit der selben Subtilität festhalten, die dieser Score an den Tag legt, wenn er rumpelt und pumpelt und dröhnt und lärmt, als würde Hans Zimmer den Actionklimax eines 250-Millionen-Dollar-Films untermalen. Dadurch stirbt das «A Quiet Place»-Gimmick, dass ich mitfiebere, wie vorsichtig die Figuren sich verhalten, einen qualvollen Lärmtod. Ich mag auch aggressive Scores, aber hier ist das so deplatziert, ich krieg es nicht in meinen Kopf, wie man das feiern kann …
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
07.12.2018 22:39 Uhr 3
Ich muss dir leider Recht geben. Aber dadurch, das sämtliche Klassiker
verfilmt wurden, bleiben nur die Comics.
Und da ist nun Black is the new Black.
Abkassieren nennt sich das.
08.12.2018 16:08 Uhr 4
Ich stimme dir bei den Effekten zu (sehr peinlich für das Budget) und, wie schon in der Kolumne steht, dass Marvels nächster Film in meinen Augen nochmal deutlich besser war. Sonst, und das wird nun witzlos, kann ich deine Kritik nicht nachvollziehen. Jordan legt mMn eine der besten darstellerischen Leistungen in einem Superheldenfilm hin, der Rest des Casts ist mMn gut, der Plot liefert mehr moralische Widerhaken als zumeist in diesem Genre und die Balance aus Drama, Action und Witz ist für mich sehr ausgewogen. Aber jo, man muss sich ja nicht bei allem einig sein.
10.12.2018 12:38 Uhr 5
Flop: Werk ohne Autor ist ein Film ohne Tiefe.
3 Stunden vergingen zwar wie im Fluge, allerdings verflog auch sogleich der Anspruch und das Nachhallen.
Meiner Meinung nach funktioniert dieses verklausulierte Abhaken von geschichtlich mal akuraten Fakten und mal ins lächerlichste Fiktionalisierte im "von wahren Begebenheiten inspierierten" Leben eines Künstlers gar nicht. Wirklich nach Motto. Groß gedacht, plump gemacht.