Trashiges Konzept, dramatisch-spannende Umsetzung: Produzent J. J. Abrams lässt Alliierte gegen Nazis, Mutanten und Zombies antreten.
Filmfacts: «Operation: Overlord»
- Regie: Julius Avery
- Produktion: J. J. Abrams, Lindsey Weber
- Drehbuch: Billy Ray, Mark L. Smith
- Darsteller: Jovan Adepo, Wyatt Russell, Mathilde Ollivier, John Magaro, Gianny Taufer, Pilou Asbæk, Bokeem Woodbine
- Musik: Jed Kurzel
- Kamera: Laurie Rose, Fabian Wagner
- Schnitt: Matt Evans
- Laufzeit: 110 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Über dem Himmel Frankreichs, kurz vor dem D-Day: US-Soldaten springen hinter feindlichen Linien mit dem Fallschirm ab, um in die Nähe eines deutschen Funkturms in der Normandie zu gelangen. Ihre Mission: Den für die deutschen Truppen strategisch wertvollen Funkturm ausschalten und so den Weg für die Massenlandung der Alliierten bereiten. Doch kaum landen der scheue Private Boyce (Jorvan Adepo), der strenge und ungeduldige Sprengstoffexperte Cpl. Ford (Wyatt Russell), der schnell genervte Italo-Amerikaner Tibbet (John Magaro) und Konsorten im von den Nazis patrouillierten Wald in der Nähe eines französischen Dorfes, kommen sie auch schon in Kontakt mit den Deutschen.
Dank der Zivilistin Chloe (Mathilde Ollivier) können sich die Soldaten jedoch kurzzeitig in Sicherheit bringen. Schon bald müssen Boyce, Ford und Tibbet mitansehen, wie abscheulich die Nazis mit der französischen Landbevölkerung umspringen. Das, was die Nazis treiben, sprengt nämlich jegliches Vorstellungsvermögen der Alliierten: Unter dem Funkturm befindet sich ein Horrorlabor, in dem abartige Experimente vollzogen werden …
Obwohl das Marketing keinerlei Geheimnis aus ihrem Auftauchen macht, und es auch früh im Film wiederholt kleine Andeutungen gibt, wo die Reise hingeht: Regisseur Julius Avery nimmt sich Zeit, bis er die Nazi-Experimente in Form von Mutanten und Untoten von der Leine lässt. Sie sollen als Bonmont in der zweite Filmhälfte dienen – bis dahin baut Avery Spannung auf und etabliert die handelnden Figuren. Zwar bleiben die Filmhelden in «Operation: Overlord» zweidimensionale Storymechanismen auf zwei Beinen, die sich eng an Kriegsfilm- und Zombiehorrorstandards entlanghangeln. Jedoch verlassen sich die Drehbuchautoren Billy Ray und Mark L. Smith nicht allein auf ausgediente narrative Abkürzungen, um diese Figuren zu erschaffen:
Wir haben hier den empathischen Feigling, der Mut lernt und den Rest seiner Crew zu selbstlosen Taten inspiriert, den ichbezogenen Zyniker und den allein an die ursprüngliche Mission denkenden, strengen Vorgesetzten, der sich auf keinerlei Planänderungen einlässt. Doch Ray und Smith geben zumindest dem Protagonisten Boyce Kontur, bauen seinen Ruf innerhalb der Kompanie und seine Beweggründe, über sich hinauszuwachsen, detailliert auf. Und auch Fords schleichendes Aufweichen vom eingangs so sturen Befehlsgeber zum improvisierenden Helden wider Willen wird in plausiblen Schritten vollzogen.
So bleibt «Operation: Overlord» zwar eng an Genretropen kleben, jedoch ist das dramaturgische Rückgrat dank der Figurenzeichnung (und Adepos sowie Russells solidem, ironiefreien Schauspiel) straffer als in den zahllosen B- bis Z-Kriegshorrorfilmen, die ähnliche Storys erzählen wie «Operation: Overlord». Anders gesagt: Weniger Trashfaktor, mehr Mitfiebern. Vor allem die relative Newcomerin Mathilde Ollivier als Zivilistin Chloe, die den Amerikanern hilft, aber von den Nazis mit Argusaugen beobachtet wird, lässt diese tonale Entscheidung aufgehen: Als Sympathieträgerin in einer gehörigen Zwickmühle sorgt sie so lange für figurenbasierte Anspannung, bis das Horrorelement zum treibenden Motor des Films wird.
Die Wartezeit, bis der blutige, unnatürliche Wahnsinn ausbricht, peppt Julius Avery außerdem durch die Tonspur des Films auf: Es kracht, es scheppert, metallische Sounds röhren und wuchtige Bässe brummen. Bevor der Mutanten-Zombie-Splatterhorror beginnt, macht Avery also den realen Horror des Krieges spürbar, indem er dem Publikum jede Explosion, jedes Schrapnell, jeden harschen Aufprall eines getroffenen Körpers im «Dunkirk»-Stil laut und scharf abgemischt um die Ohren haut. Sobald sich die Nazi-Experimente ihren Weg in die Handlung bahnen, ergänzen klebrig-matschig-monströse Soundeffekte die metallische Kriegs-Klangwelt – und visuell punktet «Operation: Overlord» mit seinen Schreckenswesen umso mehr. Die Verschmelzung aus haptischen und digitalen Effekten ist überzeugend, und selbst wenn die einzelnen Horrorwesen nur selten viel zu tun bekommen, grenzen sie sich alle durch eigenständiges, markant-widerliches Design von den anderen ab. Die Designcrew hat hier keineswegs bloß Arbeit nach Schema F geliefert.
Der Ekel- und Gewaltgrad schraubt sich dramaturgisch ausgefeilt nach und nach gen oben, und auch wenn am Schluss die letzte, kathartische Splatterexplosion ausbleibt, verzichtet Avery wenigstens auf schale Jumpscares. Das Augenmerk legt er auf Gewalt, grotesk-morbide Anblicke und eine sich dramatisch zuspitzende B-Movie-Handlung, die sich in ihrer Umsetzung ernst nimmt. Da ist für halbseidene Schreckeffekte kaum und für ironische Überspitzungen überhaupt kein Platz.
Fazit: Zombiehorror im Zweiten Weltkrieg: «Operation: Overlord» ergänzt ein trashiges Subgenre um einen spannenden, ironiefreien Genreeintrag mit wuchtigem Sound und gelungenen Effekten.
«Operation: Overlord» ist ab dem 8. November 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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07.11.2018 18:38 Uhr 1