Eine interessante Personalie für eine Prime-Time-Talk-Show: Alec Baldwin unterhält sich derzeit wöchentlich bei ABC mit prominenten Interviewpartnern. Doch das Format ist unter seiner Würde...
Alec Baldwin ist ein Mann mit Haltung. Bekannt ist er derzeit weniger wegen seiner umfangreichen Filmographie, sondern als Donald-Trump-Parodist bei Amerikas Vorzeige-Sketch-Comedy «Saturday Night Live». Ihm gelingt dort eine haargenau beobachtete Persiflage der Manierismen des demagogischen US-Präsidenten, die der Realität wahrscheinlich deutlich näher kommt, als man unbescholten annehmen möchte. Seine Auftritte sind köstlich.
In Interviews und öffentlichen Stellungnahmen hat er sich zum Objekt seiner Parodie in nicht minder klaren Worten geäußert. Er ekelt sich jede Woche, die Rolle dieses furchtbaren Mannes ausfüllen zu müssen; aber was sein muss, muss sein. Waren Keith Olbermanns Widerstandswaffe seine erstaunlich eloquenten Elogen und feinsinnig vorgetragenen Polemiken, ist es bei Alec Baldwin der perfekte Nachbau des Unfassbaren, der einen am Elend ergrauen und gleichzeitig darüber lachen lässt.
Seit zwei Wochen führt Baldwin nun durch eine Personality-zentrierte Talk-Show beim Konkurrenzsender ABC, die er mit ein oder zwei Interviews bestückt, gerne mit gegensätzlichen Gästen: In der ersten Ausgabe zunächst Robert DeNiro, gefolgt von Taraji P. Henson, eine Woche später Kim Kardashian West. Es dürfte nicht verwunderlich sein, dass Baldwin – ein geistreicher, gewitzter Mann – in dieser Sendung umso stärker ist, je mehr seine Gäste inhaltlich zu bieten haben.
Das bisher spannendste Interview ist zweifelsfrei jenes mit Robert DeNiro gewesen – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die Herren einige Gemeinsamkeiten verbinden: Beide sind New Yorker, beide blicken auf jahrzehntelangen Erfolg als Schauspieler zurück, beide sind eiserne Trump-Gegner.
Und trotzdem ließ Baldwin das Gespräch ziellos herumirren, in Belanglosigkeiten und Allgemeinplätze abdriften, wo die interessantesten Aspekte doch so offensichtlich waren. Und tatsächlich: Als sie sich über Amerikas Wandel unter Präsident Trump und Baldwins Bewunderung für die vielen künstlerisch einträglichen Zusammenarbeiten DeNiros mit Martin Scorsese unterhielten oder zwanglos Anekdoten aus mehreren Jahrzehnten ihrer Erlebnisse im Schauspielbetrieb austauschten, gelangen spannende Gesprächsmomente, die auch zur hintergründigen Ambition der Sendung passten:
Ästhetisch will sich die «Alec Baldwin Show» mit ihren wie aus dem intellektuellen „New Yorker“ gerissenen Karikaturen, der gediegenen Atmosphäre, den sanften Farbtönen der Studiooptik und der schelmisch-verschmitzten Inszenierung mancher vorgetragener Episoden durch kurze Cartoons nämlich als stilsicheres Lounge-Format präsentieren, lässig und cool, ungezwungen, aber tiefsinnig.
Angesichts seines Muts zur Haltung, seiner persönlichen Integrität und künstlerischen Reflexionsfähigkeit wäre es Alec Baldwin locker zuzutrauen, ein solches Programm zu stemmen. Doch dazu müsste er sich stärker auf seine Kernkompetenzen verlassen, sich nur mit Gästen unterhalten, die ihn wirklich faszinieren, und ausschließlich über Themen sprechen, die ihn tatsächlich interessieren: schwer vorstellbar, dass das in den bisher gezeigten zwei Ausgaben immer so war. Seine Stimme als
the liberal that can throw a punch, wie er sich selbst bezeichnet, wäre so gehaltvoll wie bereichernd. In der «Alec Baldwin Show» ist sie nur leider noch nicht mit ausreichender Klarheit zu hören.
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