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Wie wichtig sind gute Serien-Quoten noch?

Weltweite Vermarktung wird immer wichtiger - lassen sich damit sinkende Reichweiten im jeweiligen Heimat-Markt kompensieren?

Benedikt: Wenn US-Serien jetzt überall auf der Welt laufen: Wie wichtig ist es für einen Sender dann überhaupt noch, dass die Serie im eigenen Land erfolgreich ist?
Das ist eine überaus komplexe Frage. Zu allererst müssen wir unterscheiden zwischen Serien, die von Streaming-Diensten sowieso für eine weltweite Ausstrahlung hergestellt wurden (etwa «Orange is the New Black» oder «Stranger Things»), zwischen Serien, die von US-Pay-Riesen wie etwa HBO kommen und weltweit vermarktet werden und zwischen Produktionen „normaler“ US-Sender.

Kommen wir also zu Formaten von Netflix und Co: In der Tat spielt es keine allzu große Rolle, ob Format X beispielsweise in Dänemark den Geschmack der dortigen Bevölkerung trifft oder nicht. Netflix betrachtet sein Geschäft global. Ein gutes Beispiel mag hierfür die Reality-Serie «Terrace House» sein, die im wachsenden asiatischen Markt offenbar sehr hohe Nutzungszahlen hat. Wie üblich: Netflix veröffentlicht ja nur sehr kleine Häppchen, was Zuschauerwerte und Abrufdaten angeht. Der Dienst ist mit dem Format äußerst zufrieden, auch wenn es hier in Europa nur eine sehr kleine Fangemeinde haben mag.

Auch für Dienste wie HBO und Showtime sind die Zuschauerzahlen im eigenen Land nicht unbedingt primär von Bedeutung. Betrachten wir hier die Neuauflage von «Twin Peaks», die Showtime im Sommer 2017 fast vier Monate lang im Programm hatte. Obwohl die Serie in den USA mit teils 200.000 Zuschauern oder noch weniger deutlich schlechter lief als andere Formate des Senders, bezeichnete Showtime das Projekt letztlich als Erfolg. Andere Aspekte, etwa die Entwicklung der Abo-Zahlen (wie viele Nutzer haben sich extra wegen «Twin Peaks» ein Abo geholt?) oder die weltweite Vermarktung spielen hier in der Tat eine große Rolle. Lassen sich Showtime-Formate, die ja inzwischen oft in großen Paketen an den Mann gebracht werden (in Europa hat etwa die Sky-Gruppe zugegriffen) alleine durch bekannte Namen wie «Twin Peaks» eventuell wertiger verkaufen?

Und dann kommen wir wirklich zu den „normalen“ TV-Sendern wie ABC oder CBS. Hier spielen die Zuschauerzahlen direkt in Amerika noch die größte Rolle. Es ist in ungefähr immer noch so wie vor zehn oder 15 Jahren, dass Formate mit sehr niedrigen Ratings vergleichsweise schnell in der Versenkung verschwinden. Der Grund dafür ist einfach gefunden: Nach wie vor nehmen die Einnahmen aus klassischer Reklame einen wesentlichen Teil ein. Sie sind zwar nicht der einzige Erfolgsindikator, aber ein wichtiger. So stellt sich für die Programmchefs stets die Frage: Könnte man auf einem Sendeplatz mit einer anderen Serie eventuell mehr Zuschauer erreichen und somit noch mehr Geld verdienen?

Zu beachten ist: Deutlich mehr als in Deutschland nutzen US-Haushalte das Fernsehen über diverse Abspielwege zeitversetzt. Binnen sieben Tagen legen manche Serien um 70 Prozent an Nutzung zu. Doch selbst die zeitversetzte Nutzung hat nicht immer den gleichen Wert wie ein Live-Zuschauer. Wenn es also um Fortsetzungen von «Criminal Minds», «Navy CIS» oder «Lucifer» geht, spielen lokale Betrachtungspunkte weiterhin eine ganz wesentliche Rolle. Das wird ganz aktuell auch dadurch unterstützt, dass der große Erfolg an US-Fiction in einigen Märkten, ganz speziell auch in Deutschland, durch die Vielzahl an angebotener Ware rückläufig ist und somit auch die Preise, zu denen US-Studios ihre Stoffe verkaufen können, nicht weiter skalieren.

Bei klassischen TV-Sendern gibt es momentan aber noch eine kleine Ausnahme: Der Kanal The CW hat einen recht klugen Weg gefunden, Synergien zu erzeugen. Zahlreiche Formate von The CW, wie das wohl prominenteste Beispiel «Riverdale», werden außerhalb der USA als Netflix Original vertrieben. Neben der Reklame im eigenen Programm verdient The CW an solchen Serien also sehr schnell über garantierte Lizenzgebühren, muss dafür aber auch wichtige Rechte abtreten. Die lukrativen Netflix-Deals werden auch als einer der Gründe dafür angesehen, wieso The CW seit der TV-Saison 18/19 wieder eigenes Primetime-Programm am Sonntagabend anbietet.

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08.10.2018 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/104270
Manuel Weis

super
schade

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Tags

Criminal Minds Lucifer Navy CIS Orange is the New Black Riverdale Stranger Things Terrace House Twin Peaks

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
LittleQ
08.10.2018 12:18 Uhr 2


Wie kommst du darauf? Also zumindest auf den deutschen Markt? Hatte immer das gegenteilige Gefühl...
HalbTV
08.10.2018 15:35 Uhr 3
Im "klassischen" Fernsehen kaum noch. Da ist Deutschland keine Ausnahme. Serien wie 'This is us' oder 'Empire' sind auch in anderen europäischen Ländern elende Rohrkrepierer. Und das wird mittelfristig auch ein Problem für die Studios, die Serien für US-Networks produzieren. Bisher konnte man über die US-Ausstrahlung mittels Werbung die Produktionskosten und einen kleinen Gewinn einfahren. Der Rahm bei der Rendite kam über die Auslandsvermarktung. Nur die Einkäufer sind mittlerweile wesentlich reservierter beim Geld ausgeben. Sollen die TV-Sparten der Studios auch in Zukunft die gleichen Renditen abwerfen müssen sie wohl oder übel an die Kosten. Was das Produkt nicht unbedingt attraktiver machen dürfte.
Sentinel2003
09.10.2018 09:53 Uhr 4




Keine Ahnung, aber, ich hatte immer das Gefühl, daß die Ami's schon seit zig Jahren den Deutschen Markt stark beobachten....kann mich natürlich auch täuschen....
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