Amazon Prime hat nach London geladen und dort Einblick in kommende Projekte gewährt. Dabei stellt sich ganz deutlich die Frage: Hat Amazon mit einem Projekt auf Grundlage einer Geschichte von Robert Jordan vielleicht ein neues «Game of Thrones» entdeckt?
Wie schnell die Zeit doch vergeht. Binnen eines Jahres hat sich beim inzwischen weltweit agierenden Streaming-Riesen Prime Video viel getan. Rückblick Herbst 2017: Eine Großveranstaltung in London muss wenige Tage vorher spontan abgesagt werden. Über dem Anbieter lastete damals – wie über so manchen Teilen Hollywoods – die Affäre rund um sexudelle Belästung. Bei Amazon war Studio-Chef Roy Price betroffen, der den Dienst kurz darauf verlassen musste. Im Herbst 2017 sollte er in London eigentlich noch auf der Bühne stehen und unter anderem Fragen der Presse beantworten. Doch das wollte man sich lieber nicht antun.
Herbst 2018: Roy Price ist längst Geschichte, bei den Amazon Studios hat Jennifer Salke übernommen und ein erstaunliches Tempo vorgelegt. Die frühere NBC-Entertinament-Chefin hat für einige große Schlagzeilen gesorgt – mit «Jack Ryan» gelang ihr ein Publikumserfolg, zudem befindet sich für Amazon nach wie vor die teuerste TV-Serie aller Zeiten («Der Herr der Ringe») im frühen Produktionsstadium.
Salke war es auch, die nun am Dienstag in London das Sagen hatte und gleich zahlreiche Projekte vorstellte. Darunter war auch die Präsentation der nächsten deutschen Amazon-Serie nach «You are Wanted» (die Zukunft hier bleibt unklar), «Pastewka», «Deutschland 86», «Der Lack ist ab» und «Beat».
«Bibi und Tina» kommt als TV-Version (
siehe eigene Meldung). Klar wurde am Dienstag außerdem: Es geht Amazon längst nicht mehr nur um klassische Fiction. In England wurde jüngst in 20 Spiele der Premier League pro Saison investiert, global hatte man zuletzt Rechte am Laver Cup, auch Football-Spiele sind inzwischen über Prime zu sehen.
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Mark Burnett und Bear Grylls sind ein Traumpaar, wenn es um die Welt des ultimativen Überlebens geht. Der Einsatz und die Emotionen werden für die Teams der Eco-Challenge 2019 hoch sein. Unser Prime Video-Publikum erwartet ein hoch dynamisches Erlebnis, das sie von den Stühlen reißt, wenn erbitterte Konkurrenten an ihre Grenzen stoßen und in einem einzigartigen Abenteuer über sich hinauswachsen.“
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Jennifer Salke, Head of Amazon Studios
2019 probiert man sich auch an einem globalen Show-Format. Emmy-Preisträger Mark Burnett und Bear Grylls produzieren eine neue Wettbewerbs-Serie namens
«Eco-Challenge 2019». Die Idee ist nicht neu. Das Format lief ab 1995 sieben Jahre lang beim Discovery Channel. In der Neuauflage tritt Grylls zudemmals Moderator in Erscheinung. Die zehnteilige Serie teste die Grenzen der körperlichen und geistigen Ausdauer des Menschen in den rauesten Naturlandschaften der Welt aus, heißt es. Jedes Team besteht aus Männern und Frauen und tritt auf einer mehr als 350 Meilen langen Rennstrecke gegen extreme Herausforderungen an. „Ich habe der Eco-Challenge so viel zu verdanken. Ich kam zu diesem Wettbewerb, nachdem ich einige Jahre lang professionell an Expeditionswettbewerben teilgenommen hatte“, sagt Burnett, der auch Vorsitzender der MGM Worldwide Television Group ist. „Ich habe ein Jahrzehnt lang die «Eco-Challenge» produziert. Damit begann meine gesamte TV-Karriere und sie brachte mir meinen ersten Emmy ein. Mir wurde immer wieder die eine Frage gestellt: Wann kommt sie zurück? Jetzt ist es so weit. Mit Bear Grylls am Ruder und Prime Video an der Seite bilden wir ein fantastisches Team und zeigen einem weltweiten Publikum, dass dieses kleine Rennen den
Ironman zum Frühstück isst.“
Die Herausforderungen für die «Eco-Challenge 2019» werden den Teams nach Amazon-Angaben noch in diesem Jahr preisgegeben. Um ans Ziel zu gelangen, sind Teamarbeit, Mut, Geschicklichkeit und völlige Hingebung erforderlich – den Wettkampf zu gewinnen, erfordere das Außergewöhnliche.
Worum geht es in der Serie «Wheel of Time»?
«The Wheel of Time» spielt in einer weitläufigen, epischen Welt, in der Magie zwar existiert, aber nur Frauen sie anwenden können. In dieser Serie halten also Frauen die Schlüssel zur Macht in ihren Händen. Die Geschichte begleitet Moiraine, ein Mitglied der schattenhaften und einflussreichen Organisation „Aes Sedai“, die nur für weibliche Mitglieder zugänglich ist. Zusammen mit fünf jungen Männern und Frauen begibt sie sich auf eine gefährliche Reise um die Welt. Moiraine hat diese Fünf ausgewählt, weil sie glaubt, dass einer von ihnen die Reinkarnation eines unglaublich mächtigen Individuums sein könnte. Prophezeiungen besagen, dass es die Menschheit entweder retten oder zerstören wird. Die Serie bezieht sich auf zahlreiche Elemente der europäischen und asiatischen Kultur und Philosophie, insbesondere auf das zyklische Zeitverständnis im Buddhismus und Hinduismus. Fiktionales darf natürlich nicht ganz fehlen. Mit «Wheel of Time» adaptiert Amazon eine der momentan beliebtesten Roman-Reihen. Insgesamt hat Robert Jordan 14 populäre Romane geschrieben, die hierzulande als «Das Rad der Zeit» bekannt sind. „«The Wheel of Time» ist unendlich faszinierend und findet als eine der meistverkauften Buchreihen große Resonanz bei Fans weltweit. Sie setzt starke Frauen in den Mittelpunkt und ist absolut zeitgemäß“, so Jennifer Salke, Head of Amazon Studios. „Wir freuen uns, Fans der Buchreihe genauso abzuholen wie neue Zuschauer, indem wir die Serie bei Prime Video weltweit zum Leben erwecken.“
„Die Entwicklung und Produktion der beliebten 14 Bücher von Robert Jordan für das Fernsehen ist ein großes Unterfangen. Wir nehmen das wirklich nicht auf die leichte Schulter“, so Sharon Tal Yguado, Head of Event Serie in der Abteilung Amazon Originals. Über Showrunner Rafe Judkins sagt sie: „Wir sind überzeugt, dass Rafes persönliche Verbindung zum Material und seine gefühlvolle Schreibweise bei den leidenschaftlichen Fans des Buches gut ankommen werden.“ Angesichts des Hypes und dem kommenden Ende von «Game of Thrones» darf man bei Prime wohl optimistisch sein.
Der Ton wird rauer
Eigentlich war es klar. Dass Amazon gefühlt und auch gemäß Marktforschungsdaten Netflix hinterherhinkt, kann sich der Konzern dieser Größe nicht gefallen lassen. 2019 könnte das Jahr des entscheidenden Schritts für Amazon Prime werden. Neben zahlreichen interessanten Produktionen («Bibi und Tina» ist nur eine davon) lokaler Natur, liest sich das Portfolio internationaler Formate auch abseits der Mega-Serie «Der Herr der Ringe» beeindruckend. Während Netflix zur Zeit gefühlt eher auf der Stelle tritt und mal Richtung Mainstream und mal Richtung Nische schwankt, scheint Amazon unter der neuen Studio-Chefin Salke eine klare Linie zu heben. Große Leuchttürme sollen für genug Antrieb sorgen. Zudem verfestigt sich der Trend, dass großartige Serienmacher exklusive Deals mit Streaming-Portalen abschließen. Dass der von Shonda Rhimes und Ryan Murphy bestrittene Weg nun weitergegangen wird, ist wohl nicht unbedingt die beste Nachricht für das klassische Fernsehen. Bei dem ist jetzt umso mehr Kreativität gefragt. Ist das Glas jetzt halb leer oder halb voll? Bei Amazon definitiv Zweiteres.
Kurz kommentiert von Manuel Weis
Zudem hat Amazon Studios einen umfassenden Deal mit dem preisgekrönten Autor Neil Gaiman unterzeichnet. Von Gaiman stammen unter anderem die für 2019 angekündigte Prime Original Serie «Good Omens» sowie das Buch «American Gods» (eine Adaption davon lief in den USA bei Pay-Sender Starz), das mit einem Hugo Award ausgezeichnet wurde. Ab sofort wird er exklusiv zusammen mit Amazon Studios Serien entwickeln, die weltweit bei Prime Video in mehr als 200 Ländern und Territorien verfügbar sein werden.
„Neil Gaiman ist ein wahnsinnig talentierter Autor, der mit seinen Werken fesselnde, mehrdimensionale Welten erschafft, die in ihrer Erzählweise einzigartig sind“, so Jennifer Salke, Head of Amazon Studios. „Seine Fans brennen für seine Werke und sind absolut leidenschaftlich. Wir freuen uns darauf, seine Vision dem Prime Video-Publikum zugänglich zu machen.“
„Ich habe mich für diesen Schritt entscheiden, weil ich die Zusammenarbeit mit dem Amazon-Team an «Good Omens» sehr genossen habe“, so Gaiman. „Es sind smarte, enthusiastische Menschen, die keine Angst davor hatten, dass «Good Omens» anders sein würde – und gleichzeitig genauso entschlossen waren wie ich, etwas Einzigartiges und Aufregendes auf die Beine zu stellen. Ich bin überglücklich, dass ich bei Amazon ein Zuhause gefunden habe, in dem ich Fernsehen machen kann, das bisher noch keiner so gesehen hat, das anders ist als «Good Omens», aber genauso ungewöhnlich und genauso viel Spaß macht.“
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02.10.2018 23:52 Uhr 1
08.12.2018 09:15 Uhr 2