Serientäter Sidney Schering meint: Die «DuckTales»-Neuauflage fliegt, turbulent wie ein Hurrikan, an der kultigen «DuckTales»-Version aus den 80er-Jahren vorbei.
Sie erzählen ein packendes Staffelgeheimnis
Die alte «DuckTales»-Serie war, für ihre Zeit typisch, eine Sammlung in sich abgeschlossener Episoden. Sender konnten die 1987 gestartete Disney-Zeichentrickserie bunt durcheinander gewirbelt ausstrahlen, niemand hat etwas bemerkt. Bloß ein paar Mehrteiler haben sich im Laufe der 100 Folgen drunter gemischt. Aber sonst galt bei den «DuckTales» der 80er- und frühen 90er-Jahre: Status quo ist Gott. Die «DuckTales» sind, ganz getreu dem heutigen Seriensüchtling-Zeitgeist, hingegen serialisiert: In der ersten Staffel geht es wiederholt darum, dass sich Tick, Trick und Track Duck sowie ihre neue Freundin Nicky wundern, was mit Donalds Schwester Della geschehen ist. Diese war einst, genauso wie Donald Duck sowie Onkel Dagobert, abenteuerversessen – ist aber seit Jahren wie vom Erdboden verschluckt.
Diese horizontal erzählte Handlung erhöht den «DuckTales»-Suchtfaktor und vertieft einen Winkel der Duck-Mythologie, vor der sich Disney-Künstler seit vielen Jahrzehnten drücken: Wieso leben Tick, Trick und Track bei ihrem Onkel, statt bei ihrer Mutter? Selbst der legendäre Autor und Zeichner Don Rosa nahm sich der Frage nicht an, obwohl er viele Lücken in den Biografien der Disney-Enten schloss. Für Fans bietet die neue «DuckTales»-Serie also frische Perspektiven auf die bereits aus vielen Winkeln ausgeleuchtete Welt von Entenhausen, während Frischlinge direkt mit einer Story konfrontiert werden, die emotional stärker aufgeladen ist als in Entenhausen üblich.
Die Figuren sind nicht so statisch wie im Original
Das Staffelgeheimnis um Della Duck lässt auch die handelnden Figuren wachsen: Donald Duck ist zu Beginn der modernen «DuckTales» ein vom Abenteurerleben geläuterter, übervorsichtiger Onkel, der seine Neffen am liebsten für immer und ewig in Rettungswesten packen würde und seinem eigenen Onkel zurückliegende Ereignisse übel nachträgt. Aber Donald taut sukzessive auf und fängt wieder an, den Ruf des Abenteuers zu lieben. Tick, Trick und Track, die eingangs sehr darauf erpicht sind, als Individuen betrachtet zu werden, wachsen zu einem eingespielten Team zusammen, ohne dadurch sogleich wieder zu so einer Einheit zu verschmelzen, wie sie sie sonst in Disney-Storys darstellen. Und Nicky, die in den alten «DuckTales» bloß "das quengelige Mädchen" war, wächst hier vom weltunerfahrenen Wildfang zu einer Enten-Teenagerin heran, die Situationen vernünftig einzuschätzen und ihre kauzigen Seiten zurückzuhalten weiß, ohne sich selber zu verraten.
Der horizontal erzählten Handlungsstränge zum Trotz bleibt «DuckTales» leicht verdaulicher Eskapismus
Ein weiterer Bonuspunkt für die neuen «DuckTales»: Während sich die alte Serie mit ihrer "Eine Folge, ein Abenteuer"-Mentalität zufrieden gab, greift die neue Serie nach höheren Sternen – und verliert trotzdem nicht den großen Reiz des Originals. Alltag abschalten und ab nach Entenhausen? Auch mit der neuen Serie gelingt das: Zwar empfiehlt es sich, die neue Serie in der korrekten Episodenreihenfolge zu schauen, dennoch bleibt die Abenteuertrickserie zugänglicher TV-Spaß zum Sorgenvergessen. Jede Episode hat ihr eigenes, zentrales Abenteuer, das mal «Indiana Jones»-hafte Ausmaße annimmt und mal ulkige Erlebnisse mit der Entenbande erzählt. Ganz im Stile des Originals oder der guten, alten Duck-Comics.
Schon unter dem einflussreichen Disney-Zeichner und Comicautoren Carl Barks konnten Donald und Co. in der einen Story sagenumwobene Schätze heben und in der nächsten einen Haushaltsstreit auf die Spitze treiben. Die «DuckTales» sind auch in der Neuauflage solch eine zügig unterhaltende Wundertüte – ganz egal, ob man nun die vorhergegangene Folge versäumt hat oder nicht.
Der Look ist besser auf die Produktionsbedingungen angepasst
Okay, okay, nun legen wir uns mit der Nostalgie einer ganzen Generation an Trickserienfans an, und das kann haarig werden. Daher müssen wir uns noch einmal vor Augen halten: Im Jahr 1987 kam «DuckTales» einer Trickserien-Revolution gleich. Statt der streng limitierten Animation, die zahlreiche ältere Zeichentrickserien ausgemacht hat, boten die «DuckTales» flüssigere Bewegungen und liebevoller ausgestaltete Hintergründe – und das in einem Zeichenstil, der an Disneys Classic Cartoons der späten 40er- und der 50er-Jahre erinnert. Aber: «Darkwing Duck» und «Käpt'n Balu und seine tollkühne Crew» gingen wenige Jahre später noch ein paar Schritte weiter. Denn ohne den Kontext dessen, was vor den «DuckTales» der 80er-Jahre üblich war, ist die Kultserie zwar vergleichsweise ambitioniert, aber noch immer etwas steif animiert.
Die Macher der modernen «DuckTales» wissen ihre Mittel besser einzuschätzen und liefern dank der stilisierten Ästhetik eine Serie, die flüssiger, dynamischer anmutet. Und so laut manche Nostalgiker über den neuen Look maulen mögen: Er ist eine in sich stimmige Mixtur aus der cartoonhaft-überspitzten Stilistik der frühen Disney-Cartoons und der grafischen Knalligkeit vieler moderner Disney-Comics, gerade jener aus Italien. Vermengt mit einer Vielzahl an visuellen Hommagen an Carl Barks, Disney-Trickserien aus den 80ern und 90ern sowie sehr geekiger Donald-Duck-Mythologie, ist der «DuckTales»-Neuaufguss eben keine weitere lieblose Modernisierung, sondern eine mit Herz und Verstand angepackte Modernisierung, die sich zugleich bemüht, etwaige Nachteile des Mediums "Animation auf Fernsehbudget" durch klug gewähltes Design auszugleichen.
Mehr Donald, mehr Spaß
Machen wir es kurz: Wie kann eine Trickserie über die berühmteste Familie Entenhausens Donald Duck einfach völlig an den Rand drängen? Die alte «DuckTales»-Serie hat damit viel Potential verschenkt, und die neue Serie kann durch mehr Auftritte des vom Pech verfolgten Cholerikers mit Dauerheiserkeit nur gewinnen.
Der Disney Channel zeigt die neuen «DuckTales» montags bis freitags ab zirka 17.30 Uhr.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
02.10.2018 18:13 Uhr 1
Sobald Disney den Streaming Dienst startet und die DuckTales dort anbietet, werde ich mir auf jeden Fall einen Monat gönnen.
03.10.2018 14:40 Uhr 2
"Ich kann nicht begreifen, wie man dem Zeichenstil etwas abgewinnen kann, wenn man das Orignal kennt? Für mich wirkt das einfach wie der Versuch eben die bekannten Figuren in das bekannte Stilmuster der aktuellen Zeichentrickserien von Disney Channel oder Cartoon Network zu pressen. Alles wirkt irgendwie ähnlich, kaum Liebe zum Detail und teils recht kantige Linien. Dazu recht blasse Farbtöne gegenüber früher.
Man schaue sich nur mal Düsentrieb oder die Panzerknacker an, wo jeglicher Charme den die früheren Figuren versprühten komplett dem Zeichenstil zum Opfer gefallen sind."
Die neuen DuckTales wirken modern, aber genau das ist das Problem in meinen Augen. Es wirkt schlicht wie ein Abziehbild der meisten aktuellen Zeichentrickserien, ohne irgendeine sonderliche Individualität im Zeichenstil erkennen zu können. Wirkten die originalen DuckTales lebendiger/lebensfroher, so hat man bei der modernen Version eher den Eindruck dass dort verblaste/depressive Charaktere über den Bildschirm flimmern.
Passend dazu ist auch das überarbeitete Intro-Theme. Kann ich mit der englischen Neuinterpreation sogar noch etwas anfangen, wirkt die deutsche Version von Mark Foster im Vergleich zu früher deutlich langweiliger und emotionsloser.
03.10.2018 20:17 Uhr 3
Ich selber liebe ja auch sehr das runde, saubere und strukturierte Design der Donald-Cartoons der späten 40er und frühen 50er, das die alten "DuckTales" adaptieren. Aber: Die alte Serie ist vergleichsweise steif animiert, "Darkwing Duck" war da im direkten Vergleich schon deutlich flüssiger gezeichnet. Da geht es mir um die Umsetzung, nicht um den Zeichenstil an sich.
Und die neuen "DuckTales" haben ein Design gewählt, das gekonnt auf die Limitierungen von TV-Animation zugeschnitten ist. Es kennt die medialen Schwächen und sucht nach Lösungen dafür. Ich würde mir mehr Donald-Merchandise im "klassischen" Stil holen als im neuen, aber gleichzeitig bin ich froh, dass die Serie so aussieht, wie sie aussieht, weil es für das, was sie will und soll, besser funktioniert.
Und was die Ästhetik an sich anbelangt:
Diese Kritik am neuen Stil kann ich genauso wenig nachvollziehen, wie du meine Sympathie für den neuen Stil.
Etwa der Punkt, dass die Serie zu ähnlich anderen aktuellen Formaten sei. Die aktuelle "DuckTales"-Serie hat ästhetisch doch überhaupt nichts mit den geometrischen Formen von "Phineas & Ferb" und dessen Farbwahl gemeinsam, oder mit dem "Phineas & Ferb in etwas verwässert"-Look von "Milo Murphy". Und den Pastell-Märchenbuchstil von "Rapunzel" oder den knubbeligen "Gravity Falls"-Look erkenne ich ebenso wenig in der neuen "DuckTales"-Serie. Wenn visuelle Originalität als Argument gilt, verlieren doch automatisch die alten Disney-Serien der 80er bis in die mittleren 90er, da die alle mehr oder minder den selben Disney-Standardstil verfolgen.
Dann die Liebe zum Detail: Der Punkt ist für mich gar nicht einmal so leicht zu verteilen, da dort beide Versionen ihre Vor- und Nachteile haben.
Ja, die alte Serie hat ihre gemalten Hintergründe, und die sind teils sehr elaboriert (es gibt zB einige sehr schöne Stadtaufnahmen Entenhausens in den klassischen DuckTales). Das würde ich ihr niemals nehmen und da ist sie weit über einem Großteil des Zeichentrickserien-Pantheons. Aber es gibt auch viele Bilder wie dieses hier:
Die neue Serie hingegen hat gemeinhin flachere Hintergründe, ist comichaft-zweidimensional statt wie klassische Disney-Filme ein großes Augenmerkauf Tiefenwirkung in den Hintergründen zu setzen. Dafür hat die neue Serie solche Bilder, die effektiv Stimmung setzen und nebenher Fanservice liefern:
Und was die Figuren angeht: Die Panzerknacker haben mir in der alten Serie nicht besonders gefallen, da finde ich die "Wir gehen noch weiter von der Barks-Vorlage weg"-Attitüde in der neuen Serie mutiger, sympathischer. Düsentrieb sieht in der neuen Serie nicht besonders aus, da gebe ich dir Recht, generell weiß ich aber nicht, wie man behaupten könnte, dass der neue Zeichenstil die Figuren irgendwie in ihrer Wirkung beschränken würde. Der Look unterstreicht nun bei jeder Figur deutlicher den Charakter und ist somit zwar weniger einheitlich, aber dafür aussagekräftiger. Das ist per se erstmal einfach nur anders, nicht direkt schlechter oder gar frei von Charme. Und Dagobert etwa profitiert davon in meinen Augen deutlich, weil ihm das "der liebe, alte Onkel"-hafte der 80er-"DuckTales" verloren geht (und sich mit sonst keiner Interpretation der Figur deckt), um Platz für mehr abenteuerlicher Verwegenheit zu machen. In der neuen Serie hat er weiter die Freundlichkeit des 80er-"DuckTales"-Dagoberts, aber die Vitalität des Don-Rosa-Dagoberts, gepaart mit der Außenwirkung dessen, wie sie Dagobert in einem Gros der Barks-Comics hatte.