Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben. Herr Proff, wie wird man denn Programmdirektor eines Fernsehsenders?
In dem der Geschäftsführer eines Senders einen dazu macht.
Vor einem Jahr nahm kabel eins «Cold Case» und «Without a Trace» mit Erstausstrahlungen in das Programm auf. Damals sah das Bild aus, als reichte ProSieben die Lizenzrechte durch. Stand damals schon die zukünftige Richtung von kabel eins fest?
Es war damals schon eine aktive Entscheidung von kabel eins – keine passive. Wir wollten ganz bewusst in den neuen Look von «Cold Case» und «Without a Trace» gehen und zwar nicht nur weil letzteres bei ProSieben nicht so toll gelaufen ist. Wir wollten den Schritt machen, für den Zuschauer wahrnehmbar neuere US-Serien ins Programm zu nehmen.
Warum entschloss sich kabel eins „Das Bewährte mit dem Neuen zu verbinden“ (Zitat)? War man mit der Gesamtsituation unzufrieden?
Mit Unzufriedenheit hat das weniger zu tun. Es hat mehr damit zu tun, wie man Potentiale erkennt, um einen Sender nach vorne zu bringen. Das Bewährte ist zwar schön und gut, aber ohne das Neue bleibt das Bewährte oft auf der Stelle stehen und das kann nicht im Interesse eines privaten Fernsehsenders sein. Wir müssen sehen, mit welchem Potential wir neue Zuschauer und neue Werbe-Kunden bekommen.
Die Wiederholungen von «Emergency Room» kommen beim Publikum sehr gut an, «Friends» kann sich mittlerweile auch behaupten. Übernimmt kabel eins in nächster Zeit noch mehr ehemalige ProSieben-Serien?
Nein, das ist bis jetzt konkret nicht geplant. Diskussionen finden natürlich immer statt, aber weniger im Hinblick auf das, was bei ProSieben nicht funktioniert. Wir schauen uns allgemein auf dem Markt um – nach dem Erfolg von «Cold Case» ist das sinnvoll.
«Special Unit 2» war zum Beispiel unseres Wissens für den Montagabend geplant.
Nein, das wird nicht so sein, weil wir den Montagabend ändern. Ab August wird unser Kultformat «Helden der Kreisklasse» dort um 22:15 Uhr ausgestrahlt. Also zeitlich ein bisschen nach vorne auch ein bisschen wahrnehmbarer. Zudem rutscht die Sendung näher ans Wochenende, weil die Reaktionen auf das Format uns überwältigt haben. Somit wird die Sendung auch aktueller – die Fans sehen schneller, wie es dem SSV Hacheney ergangen ist.
Es waren 16 Folgen geplant für die Rückrunde – wird die neue Staffel auch wieder 16 Folgen haben?
Ganz genau. Der Untertitel der Sendung wird im Übrigen „Eine Frage der Ehre“ heißen. Manni Burgsmüller will es nicht auf sich sitzen lassen, die Jungs nicht vor dem Abstieg gerettet zu haben. Er bekommt eine neue Chance und kabel eins ist wieder mit dabei.
kabel eins hat derzeit sieben Filmslots in der Primetime. Bekommen die Zuschauer weiterhin so oft die „Besten Filme aller Zeiten“ oder wird man sich den Erfolgen des Krimifreitags anschließen?
Der Krimifreitag macht uns so glücklich, dass wir uns überlegen, ob es Sinn macht, einen zweiten Abend dieser Art aufzumachen. Das hängt natürlich auch davon ab, wie erfolgreich frische US-Formate sein können. Was die sieben Filmslots betrifft: Das Bewährte bleibt bei kabel eins erhalten und das Neue rundet unser Programm ab.
Welche Formate würden Sie denn momentan gerne kopieren?
Es geht gar nicht so sehr darum, Formate vom internationalen Markt zu kopieren. Ich finde eine andere Möglichkeit viel spannender: Eigene Formate zu entwickeln. Dabei rede ich nicht nur von Unterhaltungsformaten, sondern auch von weiteren Reality-Formaten. Der Fußballclub war eine Idee von uns und war ein Riesen-Erfolg. So etwas wird jetzt auch von der direkten Konkurrenz übernommen. Das ist also weitaus spannender, als sich nur auf dem internationalen Markt umzusehen.
Man hatte fast den Eindruck, dass das Format „Reality“ auszusterben droht. «Big Brother» hat mit den Quoten zu kämpfen. Ist der Zug für diesen Genre doch noch nicht abgefahren?
Es gibt verschiedene Arten von Reality, die man auch nicht über einen Kamm scheren kann. Es bleibt auch noch zu diskutieren, ob «Big Brother» wirklich Reality ist, oder eher „Virtual Reality“. Den Fußballclub halte ich deutlich mehr für Reality als beispielsweise „Big Brother“. Die Erfolge unserer Infoformate zeigen zum Beispiel auch, dass man Reality auch auf eine Art und Weise machen kann, die nicht voyeuristisch, sondern sympathisch und authentisch ist. Das sind auch die Schlagworte, die ich mit kabel eins verbunden sehen möchte. Deswegen haben wir uns auch ein bisschen abgehoben vom „Schreihalsfernsehen“, das viele andere in den letzten Jahren gemacht haben.
Früher erzielte kabel eins gute Quoten mit Spielshows wie «Geh aufs Ganze», «Glücksrad» und «Was bin ich?». Inzwischen läuft keine der drei Shows mehr im Programm. Ist der Trend der Spielshows vorbei?
Gutes kommt natürlich immer wieder zurück. Ich glaube fest daran, dass Spiel / Quiz – Formate immer modern sein werden. Jeder Mensch trägt Spaß und Neugierde in sich – und das will auch bedient sein. Dass es natürlich Wellen gibt, wo der Markt von Formaten überschwemmt wird – und dann einiges nicht mehr wahrgenommen wird, ist richtig. Aber es gibt auch andere Zeiten, wo Menschen solche Sendungen suchen, weil sie zu viel wenig auftauchen. Da muss man einfach den richtigen Zeitpunkt erwischen.
Es ist aber nichts Konkretes geplant?
Wir werden sicherlich zunächst mal eine Bestandsaufnahme machen. Wir werden alle Ideen, sowohl interne als auch externe Angebote überdenken. Dann entscheiden wir, welcher Weg aus strategischer Sicht der Richtige ist.
Thema Bestandsaufnahme: Welche Programmstrecke gefällt Ihnen momentan bei kabel eins am wenigsten?
Ich bin ausgesprochener kabel eins-Fan, deswegen fragen Sie da den Falschen. Es gibt nicht viel, was mir nicht gefällt. Aber es gibt sicherlich einige Felder, in denen noch mehr Potential steckt. Das ist sicher nicht die Day-Time, die brillant läuft und sicher auch nicht die Prime-Time, die selten so gut dastand wie bisher. Das meiste Potential sehe ich deswegen momentan im Vorabend.
Vom Negativen zum Positiven: Welche Programmstrecke mögen Sie besonders gern?
Die «Helden der Kreisklasse». (lacht)
Ist ja auch ein interessantes Format…
Das ist für mich auch eine echte Herzensgeschichte. Das ist ein Reality-Format, das den Namen auch verdient, weil es extrem authentisch ist.
Im Frühling wurde einmal ein ganzes Spiel am Sonntagmittag live übertragen. Ist so etwas in der neuen Saison öfter geplant?
Fest geplant noch nicht. Ich würde aber nicht ausschließen, dass es passiert. Das hängt von den Möglichkeiten ab. Als wir das Spiel live übertragen haben, war das das Schicksalsspiel und zudem noch ein Lokal-Derby. Die Mannschaft hätte das Ruder noch rumreißen können und somit hatte die Sendung eine besondere Dramaturgie. Jetzt einfach irgendein Spiel zu nehmen und das live zu übertragen, das ist aus programmstrategischer Sicht nicht wirklich brillant.
Ein weiterer großer Punkt bei kabel eins ist die „In-Formation“. Bei den «Abenteuer»-Formaten haben sie derzeit «Abenteuer Leben» und «Abenteuer Auto» im Programm. Was ist denn mit «Abenteuer Natur» und «Abenteuer Ferne» geworden? Sind die zwei Magazine auf dem Fernsehfriedhof gelandet?
«Abenteuer Ferne» ist nicht auf dem Friedhof gelandet, sondern schlicht und einfach ausgelaufen. Wir haben dieses Format als eine Art «Abenteuer Leben international» konzipiert. Es war kein Reisemagazin, sondern ein wirkliches Abenteuermagazin. Nach circa 50 produzierten Folgen muss man entweder aufhören, oder man fängt wieder von vorne an. Wenn wir die gleichen Geschichten noch mal erzählt hätten, wäre das nicht so wahnsinnig prickelnd gewesen.
Und «Abenteuer Natur»?
«Abenteuer Natur» haben wir wegen Erfolglosigkeit aufgegeben – das muss man ganz ehrlich so sagen. Die klassischen Naturdokumentationen finden bei uns kein Publikum.
Mit «K1 Discovery» kündigte kabel eins ein Premium-Format an, doch von den 1,01 Millionen Zuschauern bei der ersten Folge sind nicht mehr viel zu sehen. Nach 14 Ausgaben liegt der Durchschnittswert bei 0,70 Mio, 3,7% ab drei und 5,2% 14-49. Das Lead-In und Lead-Out haben höhere Quoten, ist der Sendeplatz falsch gewählt oder haben Dokumentation in Deutschland generell nicht so viele Anhänger? Hier ließe sich doch auch der Donnerstagabend anbieten?
Die klassische Doku tut sich in Deutschland momentan schwer. Deswegen wird man auch immer öfter sehen, dass bei allen Sendern unter dem Label „Doku“ Formate laufen, die deutlich mehr Ähnlichkeit mit einer Reportage haben. Die Bildgewalt der Doku lässt sich gut mit einer Reportage verbinden und das ist auch der Weg der Zukunft. Ich sehe das etwas anders als Sie: «K1 Discovery» hat sich bei uns sehr gut etabliert. Das Lead-In besteht aus einem Nachmittagsspielfilm, dann kommen die News und eine Doku. Das muss der Zuschauer erst mal mitmachen. Dass da nicht jeder, der den Spielfilm gesehen hat, Nachrichten und Dokumentation schaut, ist klar. Die Quoten sind momentan recht ordentlich, wir sind also sehr zufrieden. Den Sendeplatz am Vorabend halte ich für den Richtigen, auch in der Tradition des deutschen Fernsehens, am Sonntagvorabend Dokus zu zeigen.
Im zweiten Teil des Interviews spricht Thilo Proff über die "besten Filme aller Zeiten", Comedy im kabel eins-Programm und vieles mehr.