Die neue Staffel von Ryan Murphys populärer Anthologie-Serie könnte eine der besten werden. Unser erster Eindruck.
Darsteller
Sarah Paulson als Wilhemina Venable
Evan Peters als Gallant
Adina Porter als Dinah Stevens
Billie Lourd als Mallory
Leslie Grossman als Coco
Cody Fern als Michael Langdon
Kathy Bates als MeadIn Los Angeles bimmeln die Handys. Die Nachricht verheißt nichts Gutes: In einer Stunde wird eine Atombombe in der Stadt einschlagen und ganz Südkalifornien verwüsten. In den Nachrichten wird derweil bereits die Zerstörung halb Europas und Asiens vermeldet. Die Welt bereitet sich auf den nuklearen Holocaust vor.
Ein okkulter Geheimbund hat dieses Ereignis vorausgesehen (wenn nicht gar verursacht) und lange im Vorfeld Menschen ausgesucht, die das Ende der Welt überleben sollen. Reiche Industrielle konnten ihre Familien für Unsummen einkaufen – darunter fallen die in Hong Kong von der Neutronenbombe dahingerafften Eltern der milliardenschweren Instagram-Tussi Coco (Leslie Grossman), die noch ihre unterwürfige Assistentin und ihren schwulen Friseur samt dessen steinreicher Hollywood-Diven-Oma mit ins rettende Flugzeug schleift. Andere wurden wegen ihres spezifischen Genmaterials selektiert, von paramilitärischen Einheiten ihren Familien entrissen und in eine hermetisch abgeriegelte Unterkunft verbracht, von wo es schließlich zum eigentlichen Ziel weitergeht:
Outpost 3.
Dort treffen wir endlich auf Horror-Story-Urgestein Sarah Paulson, diesmal in düsteren Roben gekleidet und am Stock gehend, wie sie als Wilhelmina Venable augenscheinlich im Auftrag einer jahrhundertealten Geheimgesellschaft ein Terrorregime für die Überlebenden errichtet hat, das man sich in seinen Grundzügen als eine Light-Version von Pasolinis «120 Tagen von Sodom» vorstellen kann: kein ungenehmigter Sex, zu Essen gibt es nur geschmacklose Würfel, und die Bewohner des stattlich-altmodischen Bunkers werden strikt in Elite oder Dienstbotenschaft einsortiert. Wie sie freudig mit ihrem Sidekick Mead (Kathy Bates) bespricht, geht sie dabei in ihrer Brutalität weit über die eigentlichen Vorschriften des Geheimbunds hinaus.
Wer die bisherigen Inkarnationen der «American Horror Story» kennt, weiß, dass im letzten Drittel der Staffel im Regelfall ein hemmungsloses Gemetzel einsetzt. „Apocalypse“ leitet diese Phase deutlich früher ein; auch wenn das einstweilige Ableben einer Figur – so viel sei an dieser Stelle verraten – nicht unbedingt ihre endgültige Abwesenheit zur Folge haben muss.
Wie jedes Jahr hat die Serie auch diesmal eine neue Färbung, einen neuen Blickwinkel gefunden und ist trotzdem ihrem Spagat aus überkandidelter Parodie und ernsthaft schauriger Erzählweise treu geblieben. Gleichzeitig entwirft sie – wie etwa vor zwei Jahren mit der klug beobachteten Reality-Parodie „Roanoke“ – ein ausladendes Mysterium, das (zumindest bisher) kein reines Sammelsurium an geheimnisvoll-okkulten Motiven zu sein scheint, sondern die Grundlage für eine starke zweite Ebene bilden kann, die sich auch als Allegorie auf aktuelle Themen verstehen lässt. Kaum eine Staffel war bisher so queer, und eine Szene, in der eine starke Frauenfigur von einem ihr in der Rangordnung überlegenen Mann körperlich bedrängt wird, eröffnet vor dem Hintergrund der medial präsenten Berichterstattung um den Obersten Richter in spe Brett Kavanaugh, einen mutmaßlichen Triebtäter, eine enorm politische Lesart.
Angesichts der bisherigen Jahrgänge bleibt natürlich die Frage, ob der Urfehler der Dramaturgie dieser Serie – im dritten Akt in hemmungslos übertriebenen Klischees das gesamte bis dahin aufgebaute Konstrukt an Mysterien, Charakterentwicklungen, psychologischen Betrachtungen und erzählerischer Ambition dem Spott preiszugeben – vielleicht in diesem Jahr vermieden wird. Denn gemessen an den bereits ausgestrahlten drei Folgen hätte kaum eine der bisherigen Staffeln so sehr einen fundierten Nachhall verdient wie diese Parabel auf den Weltuntergang.
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