Der australische Verleih Demand.Film will Deutschland als ersten nicht-englischsprachigen Markt erobern. Wir haben mit CEO David Doepel über sein ungewöhnliches Geschäftsmodell gesprochen und gefragt: Sind Deutsche nicht zu faul, um aktiv Kinovorführungen anzufragen und zu bewerben?
So funktioniert es …
Filmfans, die an einer der zumeist obskuren oder nischigen Produktionen interessiert sind, die Demand.Film vertreibt, fragen über den Verleih eine Vorführung in einem örtlichen Kino an. Demand.Film gestaltet dann eine eigene Webseite für eben dieses Kinoevent. Wird das zuvor angegebene Minimum an Tickets verkauft, findet die Vorführung statt – und es gibt sogar Geld für die Initiatoren des Events. Misslingt der Versuch, wird das Event abgeblasen – ohne, dass irgendjemandem Kosten berechnet werden. Als seinen Debütfilm für den deutschen Markt hat Demand.Film das schon jetzt als Kult gefeierte Projekt «Schneeflöckchen» im Programm.Wie haben Sie von «Schneeflöckchen» erfahren und weshalb halten Sie ihn für die richtige Wahl, um den Verleih Demand.Film in Deutschland zu etablieren?
Wir wurden durch Cinestar auf «Schneeflöckchen» aufmerksam gemacht. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, nach Deutschland zu expandieren und entschlossen uns dazu, Cinestar zu unserem zentralen Partner unter den Kinoketten zu machen. Nachdem wir Cinestar unser Verleihmodell erklärt hatten, meinten die Kollegen zu uns: "Wir kennen den perfekten Film für euch! Er heißt «Schneeflöckchen», den müsst ihr euch anschauen." Gesagt, getan: Wir sind zur Berlinale nach Deutschland gekommen, und wie wir in Erfahrung gebracht haben, wurde «Schneeflöckchen» auf der parallel dazu laufenden Genrenale aufgeführt.
Wir haben uns 'blind' Karten besorgt, also ohne jegliches Vorwissen, was uns erwartet. Ich hatte den Verdacht, dass wir einen Horrorfilm zu sehen bekommen, was jetzt nicht mein persönliches Lieblingsgenre ist. Doch schon in den ersten Minuten haben mich die Größe des Films und das beeindruckende Handwerk, das in ihm steckt, umgehauen – genauso wie die unbändige Energie, die «Schneeflöckchen» hat. Und dann zeichnet sich ja nach und nach ab, dass «Schneeflöckchen» in keine Genreschublade passt und ein sehr kreativer, cleverer, unvergleichlicher Film ist. Ich habe so, so oft gelacht! Und beim restlichen Publikum kam er auch bestens an. Ich habe unseren Freunden von Cinestar dann sofort gesagt, wie goldrichtig sie lagen und dass wir uns diesen ungewöhnlichen Film sichern müssen.
Lustig war auch folgender Zufall: Vor der Vorführung hatte ich an der Bar ein sehr freundliches Gespräch mit meiner Sitznachbarin, wir unterhielten uns über unsere Berufe – und dann merke ich während des Films: "Oh, ich habe mit Judith Hoersch gesprochen, also Schneeflöckchen höchstpersönlich!" Es hat einfach alles gestimmt.
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Wir wissen, dass wir für Deutschland neue Strategien brauchen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir auch hier Fuß fassen können.
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David Doepel, CEO des australischen Verleihs Demand.Film
Obwohl wir Deutsche als Arbeitstiere gelten, können wir in manchen Dingen ziemlich faul sein. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Geschäftsmodell hier nicht prompt auf dieselbe Resonanz wie im englischsprachigen Markt stoßen wird. Welche Taktiken wollen Sie nutzen, um Deutsche dazu zu bringen, Kinoveranstaltungen mitzuorganisieren?
Eine außerordentlich gute Frage, über die wir selber lange gebrütet haben. Uns ist bewusst, dass Menschen in verschiedenen Ländern in mancherlei Sachen anders ticken. Und als wir uns Deutschland als ersten Markt außerhalb der englischsprachigen Welt ausgeguckt haben, war uns klar, dass wir nicht einfach dieselben Erwartungen haben sollten wie bisher. Wir wissen, dass wir für Deutschland neue Strategien brauchen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir auch hier Fuß fassen können. Was uns nicht jeder zutraut. Ein werter Kollege hat mich während der Filmfestspiele in Cannes ausgelacht. Er war felsenfest überzeugt: "Das wird in Deutschland niemals funktionieren!"
Aber es ist ja nicht so, als würden wir den Leuten die Vermarktung 'ihrer' Kinovorstellungen vollkommen selber überlassen. Wir stellen ihnen diverse Tools zur Verfügung, deren Wirkung sie über die sozialen Netzwerke vervielfachen können. Und wir vertrauen mehr und mehr auf diese Werkzeuge, selbst wenn wir in unseren ersten Märkten auch ohne sie Erfolge feierten. Wir sind nämlich zuversichtlich, dass die Social-Media-Tools helfen, unser Modell in nicht-englischsprachigen Märkten verständlicher zu machen. Außerdem haben wir eine neue Krypto-Währung namens Screencred entwickelt, mit der wir alle entlohnen, die sich in den Dingen betätigen, die eh wir alle tun, die sich für Filme begeistern: Trailer gucken, Trailer teilen, über Filme diskutieren … Wir bei Demand.Film glauben, dass wir es so den Leuten leichter und attraktiver machen, unser Geschäftsmodell zu akzeptieren.
Geld verdienen kommt immer gut an, Sie haben uns Deutsche durchschaut! (lacht) Aber wie wollen Sie dem Missbrauch von Screencred vorbeugen? Es könnte ja einfach irgendein beliebter Influencer ununterbrochen Demand.Film-Trailer teilen, in der bloßen Hoffnung, so Geld zu verdienen?
Da treffen Sie einen Nerv. Gerade bei Instagram ist es ja sehr weit verbreitet, dass Influencer hohe Summen damit verdienen, dass Sie ihren zahlreichen Followern Produkte empfehlen – und das ist nicht immer besonders authentisch. Wir haben uns daher sehr intensiv mit Experten aus der Social-Media-Analyse zusammengesetzt, um anhand von Statistiken und Algorithmen User mit hoher Reichweite von
wichtigen Usern zu unterscheiden. Wir definieren
wichtig mit einem messbaren Interesse an unseren Filmen – wir wollen keine Werbemarionetten, die Zehntausenden von Followern einen Trailer in die Timeline spülen. Wir wollen die Leute belohnen, die sich Trailer anschauen und auch effektiv Interesse an Filmen wecken – und wir sind überzeugt, dass unser Modell so austariert ist, dass jemand mit kleinerem Kreis an Followern, der sich aber ehrlich für unsere Sache interessiert, mehr profitiert als große Influencer, die nur Profit machen wollen.
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Unsere Verträge laufen üblicherweise ein Jahr, stets mit der Option einer Verlängerung, sollte auf beiden Seiten das Interesse daran bestehen.
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David Doepel, CEO des australischen Verleihs Demand.Film
Wie lange bleiben Filme im Demand.Film-Katalog? Kann ich in zwei Jahren noch immer eine «Schneeflöckchen»-Veranstaltung organisieren, oder gibt es ein "Ablaufdatum" auf Ihre Filme?
Unsere Verträge laufen üblicherweise ein Jahr, stets mit der Option einer Verlängerung, sollte auf beiden Seiten das Interesse daran bestehen. In unseren bestehenden Märkten haben wir Dauerrenner, die selbst zwei Jahre nach ihrem Start noch sehr häufig gebucht werden, weil Gemeinden, Vereine oder Freundeskreise zusammen einen Film im Kino sehen wollen, selbst wenn er schon bei iTunes erhältlich ist. So etwas macht uns natürlich besonders stolz. Andere Filme haben dagegen zwei, drei sehr intensive Monate direkt nach ihrem Debüt und schlafen dann ein. Trotzdem behalten wir sie natürlich bis zum Vertragsende in unserem Portfolio, weil wir zu ihnen stehen und den Menschen weiter die Möglichkeit geben wollen, sie zu entdecken. Uns ist dennoch bewusst, dass das Publikum dazu tendiert, neue Sachen sehen zu wollen. Bei Netflix ist es ähnlich: Die neuen Veröffentlichungen werden viel häufiger gestreamt als die Klassiker – aber hier und da findet sich einer, der es auch mit den Neustarts aufnimmt!
Was war eigentlich der erfolgreichste Titel von Demand.Film in Ihrem Heimatland, Australien?
Das ist der diesjährige Film «MAMIL: Middle Aged Men in Lycra», ein wundervoller Film, eine Dokumentation, die hält, was der Titel verspricht: Es geht um Männer mittleren Alters in Lycra, also Spandex. Wir haben bereits einige Anfragen aus Deutschland nach ihm erhalten und werden ihn daher mit deutschen Untertiteln versehen auch hierzulande herausbringen, voraussichtlich noch dieses Jahr.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
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