«Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm» ist zugleich eine Verfilmung der «Dreigroschenoper» und das Making of eines nie verwirklichten Films. Damit befindet er sich in guter cineastischer Gesellschaft.
Brecht'scher lässt sich die «Dreigroschenoper» kaum verfilmen: Joachim A. Langs «Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm» erzählt voller Illusionsbrechungen davon, wie Brecht seine immens erfolgreiche «Dreigroschenoper» verfilmen wollte, aber nicht konnte, weil ihm erst die Geldgeber und dann die gesellschaftliche Stimmung einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Zwischendurch nimmt uns Lang in Brechts Vorstellungskraft und illustriert, wie die Leinwand-«Dreigroschenoper» unter Brecht hätte aussehen können. «Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm» ist ein Film über die Entstehungsgeschichte eines nie vollendeten, filmischen Vorläufers, der mehrmals darauf hinweist, auch einfach nur ein Film zu sein. Das ist Metafiktion in Reinkultur.
Metafiktion, also Fiktion, die offen auf ihre eigene Unwirklichkeit hinweist, kann so schlicht sein wie in den «Deadpool»-Filmen, die es mit dem Bruch von der Norm auf schnelle Lacher abzielen. Oder sie kann, wie Brechts episches Theater, Kunstgriffe wie etwa Verfremdungseffekte nutzen, um eine Distanz zwischen dem Publikum und der Geschichte zu forcieren, so dass es kritisch mitdenkt, statt einfach nur eine Story zu erleben. Anlässlich «Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm» sei hiermit die zweitgenannte Kategorie an metafiktionalen Filmen wieder stärker ins Rampenlicht gerückt. Und zwar mit diesen fünf Filmtipps:
«Exit Through the Gift Shop»
Hobbyfilmer Thierry Guetta hält die Street-Art-Aktionen seines Cousins auf Film fest, wodurch er zufällig den legendären Street Artist Banksy kennenlernt. Um Banksy zu beeindrucken, verspricht Thierry, eine umwerfende Reportage über ihn zu drehen. Doch Thierry ist ein absoluter Amateur und Chaot, woraufhin Banksy das Filmprojekt kidnappt, sich selber zum Regisseur ernennt und stattdessen eine Doku über Thierry dreht, der sich in der Zwischenzeit zu einem persönlichkeitslosen Trittbrettfahrer entwickelt. Was ironisch ist, denn obwohl Banksys Identität öffentlich unbekannt ist, haben seine Arbeiten eine unverkennbare Charakteristik …
«Exit Through the Gift Shop» ist praktisch das Making of von zwei, drei nie vollständig abgeschlossenen Dokumentationen, die Entstehungsgeschichte eines Straßenkünstlers ohne Haltung und Persönlichkeit, ein massentauglich aufgezogener Kommentar über die Kommerzialisierung der Street Art und eine möglicherweise völlig gekünstelte, mahnende Dokumentation darüber, dass man nicht alles glauben soll, was man gesagt bekommt.
«Adaption»
Wahre Geschichte: Der intellektuelle, unkonventionelle Drehbuchautor Charlie Kaufman nimmt den Auftrag an, das als unverfilmbar geltende, gefragte Buch «Der Orchideendieb» als Drehbuch zu adaptieren. Doch Kaufman tut sich unfassbar schwer damit, das Sachbuch in einen spannenden Film zu verformen, darüber hinaus hadert er mit seiner künstlerischen Identität. Also schreibt er einen Film über den intellektuellen, unkonventionellen Drehbuchautor Charlie Kaufman (Nicolas Cage), der den Auftrag annimmt, das als unverfilmbar geltende, gefragte Buch «Der Orchideendieb» als Drehbuch zu adaptieren. Doch Kaufman tut sich unfassbar schwer damit, das Sachbuch in einen spannenden Film zu verformen. Darüber hinaus hadert er mit seiner künstlerischen Identität und liegt im Clinch mit seinem ambitionslosen Zwillingsbruder (Nicolas Cage), der sich ohne mit der Wimper zu zucken dem Kommerz hingibt. So kommt es, dass ein überarbeiteter Charlie Kaufman ein Drehbuch darüber schreibt, wie schwer er sich mit der Adaption von «Der Orchideendieb» tut – und klaut darin Ideen seines Kommerz-Zwillingsbruders …
«The Greatest Movie Ever Sold»
«Super Size Me»-Macher Morgan Spurlock dreht eine Dokumentation darüber, dass er einen Film drehen möchte, der offenbart, wie Produktplatzierungen in Filmen abgesprochen werden, indem er schlicht die PR-Recherchearbeiten und Promoverhandlungen für
diesen Film filmt.
«Unsere Zeit ist jetzt»
Rapper Cro will ins Filmgeschäft einsteigen und ruft junge Talente dazu auf, ihm Ideen zu pitchen. Drei Ideen reizen ihn am meisten: Eine Dokumentation über seine aktuelle Tour, ein Animationsfilm über Cros Anfänge im Rapgeschäft und eine Showbiz-Satire, die 30 Jahre in der Zukunft spielt und davon handelt, wie ein abgestürzter Cro versucht, die letzten Reste seines Images zu retten. Doch alle drei Ideen sind ein wenig unausgereift, weshalb sich Cro fragt: Hey, wieso nicht alle drei zusammen?
«Stories We Tell»
Regisseurin Sara Polley geht in dieser Dokumentation einigen persönlichen Familienrätseln nach und dreht somit einen Film darüber, wie sie zu der Person wurde, die sie ist. Doch darauf lässt Polley es nicht beruhen: Während sie ihre eigene Familie und gewissermaßen sich selbst, oder wenigstens ihr Bild von sich, hinterfragt, hinterfragt sie sogleich auch das Medium des Dokumentarfilms: «Stories We Tell» ist sein eigenes Making of und streut Zweifel an der Verlässlichkeit von Interviewaussagen und offenbart die künstlerischen, man könnte auch sagen verfälschenden, Entstehungsmechanismen, die zu einer emotionsgeladenen Dokumentation führen.
Ich wünsche viel Spaß beim (wieder) Anschauen.
Moment, ist es überhaupt Meta
fiktion, wenn ein Film angeblich auf der
Realität beruht und sie
dokumentarisch festhält ..?
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