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Game One und Rocket Beans TV– Vom Ende und Anfang der Kreativität

Vor über dreieinhalb Jahren startete ein spannendes Web-TV-Experiment. Aus «Game One» wurden die RocketBeans. Sie kamen daher mit Kreativität im Überfluss. Doch was blieb davon bis 2018 übrig?

Quotenmeter Fernsehpreis 2018

Die Rocket Beans sind auch in diesem Jahr für eine Quotenmeter-Kaffeetasse, also den Quotenmeter-Fernsehpreis, nominiert. Sie treten an in der Kategorie Bester Webchannel. Unsere Jury begründet die Nominierung: "Dank ihrer nie versiegenden Innovationskraft und der steilen Lernkurve sind die RocketBeans insbesondere für viele junge Menschen inzwischen eine ernstzunehmende Alternative zum linearen Fernsehen geworden - zumal sich auch das Produktionsniveau wahrlich sehen lassen kann."

Aber die Bohnen haben harte Konkurrenz: "100 Sekunden Physik", "Dinge erklärt - kurz gesagt", "Walulis" oder "Y-Kollektiv" hätten den Preis ebenso bedient.

Noch bis Montagabend, 6. August um 23.59 Uhr, kann über die Sieger abgestimmt werden. Zur Wahl geht es hier.
TV-Sendungen mit reiner Videospielthematik sind in der Regel eine Seltenheit. Lange Zeit war die Sendung «Game One» auf MTV und dem späteren VIVA ein regelrechter Pionier dafür. Am 27. September 2006 lief die erste von insgesamt 307 Folgen an und schnell bildete sich eine treue Fangemeinde um die einzigartige Serie. Anfangs standen bei «Game One» zwei feste Moderatoren vor der Kamera, Daniel Budiman und Simon Krätschmer. Beide kamen vom damaligen Sender GIGA, wo sie sich in Live-Sendungen schon gekonnt vor der Kamera zeigten. Fünf Jahre später gesellten sich noch zwei weitere Moderatoren zu der beliebten Stammbesetzung, Etienne Gardé und Nils Bomhoff. Auch diese beiden stammten aus dem Hause GIGA und sind untereinander schon seit Jahren eng befreundet.

«Game One» war in gewisser Hinsicht einzigartig und innovativ, so kreativ und ansprechend wurde die Thematik der Videospiele behandelt. Neben den aktuellsten Titeln gab es Rückblicke auf ältere Spiele, Bestenlisten, Empfehlungen für den kleinen Geldbeutel, sowie eine journalistisch investigative Arbeit über die Besonderheiten von Videospielen. Aushängeschild der Serie war dabei ihr Humor, der mal äußerst plump war, sich dann jedoch wieder von seiner anspruchsvollen Seite zeigte und oft nur mit Insiderwissen zu verstehen war. In den wilden Sets aus Pappe, die eigens für manche Gags gebaut wurden und in der freien Moderation des vierköpfigen Teams vor der Kamera wurde klar, dass die Sendung eine gewisse Narrenfreiheit genoss. Doch die Mixtur aus schier unendlicher kreativer Freiheit und einer journalistischen Herangehensweise an das Medium der Videospiele förderte nur noch die Beliebtheit der Serie.

Das Videospiel-Magazin wurde im April 2014 zusätzlich auch noch auf Comedy Central ausgestrahlt, wobei auch die Wiederholungen ihr Publikum fanden. Zum Jubiläum der 200. Folge der Serie wurde ein vierstündiges Special auf VIVA gesendet und die geregelte Ausstrahlung zur Primetime konnte sich im Schnitt mit 90.000 Zuschauern behaupten. Dazu gesellt sich auch noch die Internetseite der Serie, hinter der das über die Jahre stetig anwachsende Team weiteres Material wie Let’s Plays, Interviews und Podcasts bereitstellte. Eben jene Seite wurde 2011 mit der Online-Version des Grimme-Preis ausgezeichnet. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass das kreative Team in den Genuss einer Auszeichnung kommen sollte. Angesichts der zufriedenstellenden Quoten und der generellen Beliebtheit hätte die Zukunft der Serie gesichert sein müssen, doch es kam anders. Doch Viacom, der Medienkonzern, der unter Anderem hinter VIVA steht, hatte andere Pläne. Man sprach von einer „kreativen Schaffensphase“ für die Sendung und Folge 307. wurde zum berühmt-berüchtigten «Game One»-Abschied.

Die Einstellung der populären Serie war vergleichsweise abrupt. Nach der Jubiläumsfolge zur 300. Show wurde der Senderhytmus von einer wöchentlichen Ausstrahlung auf zwei Wochen reduziert und hinter den Kulissen setzte sich der «Game One»-Redaktion bereits mit dem nahenden Ende auseinander. Von einem fairen Ende für die erfolgreiche Serie kann man an dieser Stelle kaum sprechen, ebenso wenig von der späteren Viacom-Politik, die sich die Rechte der Original-Folgen der Serie beibehält. Doch «Game One» entschied sich zu etwas Einzigartigem, mit dem man abtreten wollte. Folge 307. ist reinste Transparenz und so nah am Zuschauer wie nur möglich. Inhalt der letzten Folge ist der Mitschnitt der Diskussionen, die im Redaktionskreis um das obligatorische Ende stattgefunden haben. Wie sollte man diese Folge angehen und wie steht man zum Abschluss dem Publikum gegenüber? Das Team nahm sich dieser Frage an und inszenierte ein emotionales Ende, das die Fans zu Tränen rührte und markierte das Ende einer Ära, die die Videospiel-Landschaft in Deutschland maßgeblich geprägt und mitgestaltet hat.

Parallel zu den letzten Produktionen wurde auf dem YouTube-Kanal Rocket Beans TV, kurz: RBTV, den das «Game One»-Team seit Mitte 2012 betreute, ein Spendenaufruf gestartet. Der Unterton des Videos war ernst und von dem einst so spitzen und ikonischen Humor war kaum etwas zu spüren. Die neue Idee: ein unabhängiger Online-TV-Sender, der sich durch Kreativität und eigene Projekte auszeichnet und 24/7 rund um die Uhr läuft. Ein äußerst gefährliches Unterfangen, dessen Zukunft mehr als ungewiss war. In Folge des laut welt.de damals „unwürdigen“ Endes der «Game One»-Serie war das Projekt mehr eine Flucht nach vorne als ein gesichertes und finanziell fruchtbares Unterfangen. Die vier Haupt-Moderatoren, Etienne, Nils, Simon und Daniel, hegten schon zu Zeiten von GIGA den Traum, einen eigenen TV-Sender zu betreiben, auf dem die Kreativität die primäre Rolle inne hat.

Das Risiko des 24/7 Senders bewährte sich. Auf twitch.tv, einer der international erfolgreichsten Streaming-Seiten, wurde am 15. Januar 2015 der Grundstein gelegt. Die Zuschauerzahlen waren im mittleren fünfstelligen Bereich, was für Online-Streaming ein großer Erfolg ist. Bei einem Projekt mit solchen Ambitionen gab es anfangs logischerweise eine Reihe an Problemen, darunter die von technischer Natur, wie bspw. kurze Abstürze des kompletten Senders, als auch die, dass das eigentliche Konzept des 24/7 Streamings schwer vermarktbar war. Unterschiedliche Sendungen wurden fortan ausgestrahlt, darunter auch das damalige Flaggschiff Bohn Jour, eine Art Late Night Talkshow mit den vier Moderatoren.

Nach den anfänglich wackeligen Gehversuchen hat sich Rocket Beans TV sowohl auf twitch und mittlerweile auch als permanente Live-Übertragung auf YouTube etabliert. Was gesendet wurde, wird auf dem YouTube-Kanal hochgeladen, der mittlerweile fast eine halbe Million Abonnenten zählt. Insgesamt sind die Inhalte über 291 Millionen Mal aufgerufen worden. Der Sender zeichnet sich zum Einen durch seine Vielfalt aus, in der für jeden Zuschauer ein Format enthalten ist. Ob eine Fachsendung über die neusten Kinofilme oder Serien, eine humorvolle Kochshow, eine authentische Morning-Show oder Live-Rollenspiele mit Theater-Charakter, auf Rocket Beans TV gewinnt man den Eindruck, dass es dort für alles eine Sendung gibt. Das Kunststück des mittlerweile riesigen Teams ist es, eine grundlegend hohe Qualität für jedes einzelne Format zu garantieren.

Neben der Vielfältigkeit ist ein weiteres Einstellungsmerkmal des Senders seine Transparenz dem Zuschauer gegenüber. Aktuelle Stände von RBTV, der Umgang mit gehässigen Kommentaren, Pläne für die Zukunft, Ideen der extrem lebendigen Community, alles wird thematisiert, in Teilen auch kritisiert und geändert. Die interaktive Einbindung des Publikums in mehreren Formaten trägt zu der innigen Beziehung bei, die der Sender zu seinen Fans pflegt. Auch dem Schwester-Kanal Rocket Beans TV Gaming werden nahezu täglich stunden lange Let’s Plays hochgeladen, sowie auch auf dem Rocket Beans TV Hängi-Kanal, obwohl letzterer nicht so stark frequentiert ist. Die Erinnerung an «Game One» wird dabei stets hochgehalten und werden nicht selten von Community-Fragen noch einmal angesprochen. In Zusammenarbeit mit funk hat sich RBTV dazu entschlossen einen gestiegen Nachfolger ins Leben zu rufen. Der kreative Titel: Game Two. Doch wenn schert schon der Name, wenn das Format mittlerweile eine Viertel Million Abonnenten auf dem gleichnamigen YouTube-Kanal zählt? Die erste Folge, die sich wieder der ursprünglichen «Game One»-Essenz, den Videospielen, nähert, wurde am 19. November veröffentlicht und mit einer halben Million Aufrufe belohnt. Bis heute erfreut sich die Serie großer Beliebtheit und verfügt über eine Redaktion im RBTV-Kosmos.

RBTV ist eine Erfolgsgeschichte, wenn auch eine langsame. Der YouTube-Kanal könnte schneller wachsen und auch die Zuschauerzahlen auf den Portalen könnten höher sein, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass mit dem 24/7 streamenden Sender ein großer Erfolg erzielt wurde. Die „Nerd“-Community hat mit Rocket Beans TV ein regelrechtes Zuhause gefunden, das nicht dasselbe Schicksal ereilen wird wie «Game One». Dieser Online-Spielplatz der Kreativität ist zugleich auch der Traum, den sich Etienne, Nils, Simon und Daniel erträumten. Nach der verbrannten Erde, die «Game One» hinterlassen hatte, ist RBTV wahrlich – man verzeihe dem Autor des Artikels bitte den klischeehaften Vergleich – der Phönix aus der Asche.
06.08.2018 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/102795
Martin Seng

super
schade

96 %
4 %

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Tags

Game One

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Blue7
06.08.2018 13:22 Uhr 1
Der Sender ist auch bei waipu.tv zu sehen. Manche Formate sind schwer zu Gesicht zu bekommen, da nur 1x im Programm, aber ansonsten nen toller bunter Mix. Freut mich auf für Sandro der nach dem Joiz Ende wieder im Gaming TV ein Platz fand :D
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