Wieder einmal Sport von morgens bis abends: Das neue Multisport-Event «European Championships» bestimmt in den kommenden Tagen das Programm von ARD und ZDF. Zuviel des Guten – oder ein weiterer Zuschauermagnet?
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Schwimmen, Leichtathletik, Rudern, Triathlon, Rad, Golf und Turnen - die Möglichkeit für so vielseitige Übertragungen hat man sonst nur im Rahmen von Olympischen Spielen. Die European Championships sind deshalb eine großartige und sehr spannende Veranstaltung. Wir hoffen sehr, dass es uns damit gelingt, die beteiligten olympischen Sommersportarten wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
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ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky
Zehn Sendetage, sieben Sportarten, 100 Stunden Live-Übertragung, 188 Medaillen, 4782 Athleten. Es sind schon ein paar Superlative, die da für die «European Championships» zusammenkommen. Das neue Sportevent präsentiert eigentlich Bekanntes, allerdings in neuer Verpackung: Die Europameisterschaften in den beteiligten Sportarten wurden bislang einzeln im Programm gesendet, an unterschiedlichen Tagen – oft nur als Zusammenfassungen, manche auch gar nicht. Unter dem Titel «European Championships» werden diese Meisterschaften nun gebündelt, damit in aufeinanderfolgenden Tagen von Entscheidung zu Entscheidung geschaltet werden kann. So soll Olympia-Feeling aufkommen. Die übertragenden Sender Das Erste und ZDF bezeichnen die Veranstaltung auch als größtes Multisport-Event mit europäischer Beteiligung – nach den olympischen und paralympischen Spielen.
Leichtathletik, Golf, Radsport, Rudern, Schwimmen, Triathlon und Turnen: Viele dieser Sportarten finden zwar Berücksichtigung im öffentlich-rechtlichen Programm, die Sender sehen aber offenbar weiteres Zuschauerpotenzial. Mit dieser Art Mini-Olympia erhoffe man sich, „die beteiligten olympischen Sommersportarten wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken“, so ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Dafür fahren die Sender groß auf und schicken bekannte Moderatoren und Experten nach Berlin und Glasgow, wo die Wettkämpfe stattfinden. Zehn Tage lang wird von 9.00 Uhr morgens bis zu den Hauptnachrichten am Abend berichtet – oder sogar bis 22.00 Uhr im Falle der Leichtathletik.
Hinter dem Ereignis steht eine organisatorische und logistische Meisterleistung: Unter Beteiligung der Medienpartner European Broadcasting Union (EBU), BBC, ARD und ZDF mussten die sieben Sportverbände ihre Meisterschaften aufeinander abstimmen und zeitlich sowie örtlich koordinieren. Auch die Verbände erhoffen sich durch das neue Format mehr Aufmerksamkeit, höhere Einschaltquoten und letztlich langfristig mehr Geld durch Sponsoren oder Übertragungsrechte. Die Leichtathletik erwartet gegenüber den früheren Einzel-Übertragungen eine Steigerung der Quote um 20 Prozent, ARD-Sportchef Balkausky hofft auf zweistellige Marktanteile. Heißt grob übersetzt: Die Marke von drei Millionen Zuschauern sollte öfter fallen, punktuell mehr als vier Millionen Zuschauer wären ein großer Erfolg.
Die Sportarten abseits der Leichtathletik freuen sich schon jetzt über die die größere Aufmerksamkeit – für sie sind die «European Championships» schon vor dem Start ein Gewinn. Längere Live-Strecken für mediale Randsportarten wie Triathlon oder Golf lohnen sich für die großen Sender eigentlich nicht; in diesem Rahmen aber bekommen sie eine neue Chance. Wie bei den Olympischen Spielen hofft man auf den Effekt, dass der Event-Charakter dieser Multisport-Veranstaltung auf alle Sportarten abfärbt. Das Zugpferd dabei ist die Leichtathletik, die auch in früheren Jahren ausführlich im Programm von ARD und ZDF vertreten war.
«European Championchips» als wegweisendes Experiment
Für die übertragenden Sender in Europa ist das Format insbesondere ein spannendes Experiment, das wegweisend ist für die zukünftige Ausrichtung der Sport-Berichterstattung: Funktionieren ausführliche Sportübertragungen – ähnlich wie im Winter mit Biathlon, Skispringen und Co. – auch im eigentlich traditionell zuschauerarmen Sommer? Können Randsportarten durch das Format aufgewertet werden? Können die großen Sender ihr Programm kostengünstig – im Vergleich zu anderen Sport-Übertragungsrechten – bespielen?
Wenn die Quoten stimmen, dann werden all diese Fragen mit ja beantwortet. Der Stellung des Sportgenres im Fernsehen würde dies nochmals einen großen Schub verleihen. Tendenziell wird ohnehin immer mehr Programm mit Sport gefüllt, mittlerweile auch mit früher unwichtigen Meisterschaften – beispielsweise den U21-Turnieren im Fußball. Günstige Rechte würden damit mehr in den Fokus rücken: Neben den «European Championships» gibt es beispielsweise noch die «World Games», den weltgrößten Wettkampf aller nicht-olympischen Sportarten. Zuletzt hatte Sport1 die Rechte inne (und nur geringe Quoten damit erzielt).
Seit 2015 existiert mit den «European Games» auch ein relativ junges neues Format für olympische Sportarten, bei denen ausschließlich europäische Athleten antreten. 2015 fand die Premiere statt, 2019 folgt die zweite Auflage. Auch hier hatte Sport1 die Rechte, auch hier fielen die Quoten nur durchschnittlich aus. Allerdings hat sich die schnelllebige Sport-Medienwelt weitergedreht. Der Event-Charakter des Sports wird immer wichtiger. Dieser wird potenziert, wenn große Sender wie ARD und ZDF die Turniere übertragen und nicht ein Spartensender. Der größte Beweis dafür sind nun die «European Championchips», die nichts anderes sind als bestehende Wettkämpfe in neuer Event-Verpackung. Das TV-Sport-Experiment des Jahres beginnt am 3. August.
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