Das Abenteuerdrama «Papillon» von 1973 gehört bis heute zu den besucherstärksten Filmen in Deutschland. Nun wagt sich der gebürtige Däne Michael Noer an ein Remake – und verpasst es ein wenig, ihm seinen eigenen Stempel aufzudrücken.
Filmfacts: «Papillon»
- Start: 26. Juli 2018
- Genre: Abenteuer
- Laufzeit: 117 Min.
- FSK: 12
- Kamera: Larry Blanford
- Musik: Germaine Franco
- Buch: Aaron Guzikowski
- Regie: Michael Noer
- Darsteller: Eve Hewson, Charlie Hunnam, Rami Malek, Tommy Flanagan, Roland Møller, Michael Socha, Christopher Fairbank
- OT: Papillon (USA/ESP/CZE 2017)
Vielleicht mag der jüngeren Generation an Filmliebhabern der Titel «Papillon» auf Anhieb nicht viel sagen. Tatsächlich ist es aber so, dass doch eine überdurchschnittlich große Menschenmenge den auf dem gleichnamigen Roman basierenden Film von 1973 gesehen hat. Bis heute gehört die wahre Geschichte über den zu Unrecht einen Teil seines Lebens in einer brutalen Gefängniskolonie verbüßenden Genry Charrière und dessen spätere Fluch zu jenen, die so viele Zuschauer ins Kino locken konnte, wie wie es vielen anderen Filmen nicht gelingt. Mit 8,5 Millionen Zuschauern ist das Original von «Papillon» der erfolgreichste Film seines Jahrgangs und übertrumpfte sogar den im selben Jahr gestarteten «Bond»-Film «Leben und sterben lassen» um über zwei Millionen. Da von damals bis heute mittlerweile rund 45 Jahre vergangen sind, ist eine Neuauflage des zeitlosen Stoffes naheliegend, an die sich nun erstmals der dänische Regisseur Michael Noer («Nordvest – Der Nordwesten») wagte. Er geht dabei auch ziemlich clever vor: Von der handwerklichen Souveränität seines Films einmal abgesehen, denkt er auf der einen Seite groß, indem er auf durchaus namhafte Stars setzt, um die wichtigsten Rollen zu verkörpern.
Auf der anderen Seite greift er auf Darsteller zurück, die sich aktuell noch kurz vor der Schwelle zur ersten Liga der Hollywood-Prominenz befinden und behält den Fokus dadurch ganz auf der Geschichte und dem tragischen Schicksal der Charaktere. Am Ende lässt sich «Papillon» tatsächlich wenig vorwerfen, doch vielleicht stellt sich die allumfassende Begeisterung deshalb nicht ein, weil dem Film etwas Eigenes, etwas Besonderes fehlt.
Zu Unrecht in Gefangenschaft
Henri „Papillon“ Charrière (Charlie Hunnam) wird im Frankreich der 30er Jahre zu Unrecht wegen Mordes verurteilt und muss seine lebenslange Haftstrafe in der berüchtigten Strafkolonie St. Laurent in Französisch-Guayana verbüßen. Auf dem Weg dorthin begegnet Papillon dem seltsamen Louis Dega (Rami Malek), einem verurteilten Fälscher. Nachdem er ihn vor einem Angriff anderer Häftlinge verteidigen konnte, treffen sie eine Vereinbarung: Dega steht fortan unter Papillons Schutz, im Gegenzug finanziert Dega Papillons Fluchtversuche. Im Laufe der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden Männern eine tiefe Freundschaft, die ihnen hilft, den schweren Arbeitsdienst und die sadistische Behandlung der Wärter zu überleben und die ihnen immer wieder die Kraft gibt, nicht aufzugeben…
«Papillon» ist eine Abenteuergeschichte aus dem (zugegebenermaßen ziemlich düsteren) Bilderbuch. Der Fluchtversuch Henri Charrières von der Strafgefangeneninsel St. Laurent wurde schließlich von niemand Geringerem wiedergegeben, als von dem Geflohenen selbst, was bis zum damaligem Zeitpunkt noch nie Jemandem gelungen war – aus gutem Grund, denn die Unterbringung der Verurteilten galt in jeder Hinsicht als ausbruchssicher, die Methoden der Wächter als barbarisch. Entsprechend ist es auch eine der imposantesten Szenen, wenn der Aufpasser des St. Laurent zu Beginn von Henris Gefangenschaft erst einmal in aller Seelenruhe herunterbetet, welche Folgen seine Untergebenen zu fürchten haben, sofern sie auch nur gegen irgendeine seiner Regeln verstoßen. Von Peitschenhieben bis zur Guillotine ist alles dabei. Wer fliehen will, muss sich entweder durch einen von wilden Tieren bevölkerten Dschungel oder dem von Haien bewohnten Ozean kämpfen; von den allgegenwärtigen, skrupellosen Aufsehern einmal ganz abgesehen.
Michael Noer und seinem Kameramann Hagen Bogdanski («Nebel im August») gelingt es hervorragend, die nur von der Insel ausgehende, allgegenwärtige Anspannung in dreckige, ungeschönte Bilder zu kleiden. Und auch, wenn «Papillon» einen Großteil der Gewalt in der Theorie stattfinden lässt, hält Bogdanski zwischendurch auch immer wieder drauf, um zu zeigen, wie Gedärme aus Körpern ragen oder Menschen grausam gefoltert werden.
Souveränes Remake ohne Wiedererkennungswert
Aus diesem explosiven Gemisch aus Anspannung und brodelnder Gewalt ragen die beiden Hauptfiguren heraus. «Papillon» erzählt nämlich nicht bloß davon, wie es einem Mann alleine gelingen konnte, aus dem St. Laurent zu fliehen, sondern vor allem von der Erkenntnis, dass das freundschaftliche Band zwischen Henri und seinem Mitgefangenen und späteren Freund Louis für diese Odyssee von besonderer Wichtigkeit war. Drehbuchautor Aaron Guzikowski («Prisoners») arbeitet abseits der flott inszenierten Ausbruchssequenzen (deren Ausgang stoffunkundiges Publikum durchaus hie und da überraschen dürfte) diesen Aspekt so gezielt heraus, dass er zu dessen Gunsten im letzten Akt glatt einen erzählerischen Fehler begeht und die Story eine Wendung nimmt, die aus vorab erklärter, filmlogischer Sicht absolut keinen Sinn ergibt.
Und da der Film darauf verzichtet, ebenjene Entwicklungen wenigstens in einem Nebensatz erklären, lässt sich ein solch grober Schnitzer nur damit begründen, dem Autor sei hier mehr an einem möglichst ikonischen Finale gelegen gewesen, als daran, die erzählerische Kohärenz zu wahren. Das ist für die Filmatmosphäre im Gesamten nicht allzu dramatisch, gleichzeitig ist es von einer solchen Offensichtlichkeit, dass sich darüber nur der Kopf schütteln lässt.
Nichtsdestotrotz hat «Papillon» Charlie Hunnam («King Arthur») und «Mr. Robot»-Star Rami Malek auf seiner Seite. Die beiden verkörpern nicht bloß ihre Figuren authentisch und kraftvoll, in ihren Händen wirkt vor allem die Freundschaft der beiden jederzeit greifbar. Und so gönnt man ihnen doch noch einen letzten, pathetischen Moment gemeinsam und verzeiht dem Skript sein Abdriften in erzählerisch inkonsistente Sphären. Wer mit der Geschichte rund um Henri Charrière, der seinen Spitznamen «Papillon» übrigens aufgrund eines blauen Schmetterlingstattoos erhielt, vertraut ist, den wird die Neuauflage des Films kaum überraschen. Sowohl erzählerisch, als auch inszenatorisch halten sich die Macher eng ans Original respektive an die Buchvorlage. Und so stilsicher das Ganze auch sein mag, so sehr vermisst man in letzter Instanz eine eigene Note, die dem «Papillon» von 2018 ebenjene Durchschlagkraft verleihen könnte, wie die Vorlage aus 1973.
Michael Noers Regiearbeit könnte zu jedem Zeitpunkt immer noch einen Tick gewagter, einen Tick flotter, einen Tick dynamischer, einen Tick intensiver sein. Im nach dem „Höher, schneller, weiter“-Prinzip funktionierenden Hollywoodbusiness wirkt «Papillon» nahezu entschleunigend und dadurch im besten Sinne charmant-altmodisch. Trotzdem ist er aufgrund all dieser Aspekte letztlich weder Fisch noch Fleisch – und trotzdem möchte man Niemandem vom Kauf eines Tickets abraten, aber auch nicht zwingend dazu.
Fazit
An der Neuauflage des auf wahren Ereignissen beruhenden Abenteuers «Papillon» gezielt Dinge schlecht zu finden, ist genauso schwierig, wie gezielt Dinge gut zu finden. Am Ende fehlt es dem zweifelsohne stilsicher inszenierten Film vor allem an Wiedererkennungswert.
«Papillon» ist ab dem 26. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
25.07.2018 16:56 Uhr 1
26.07.2018 08:52 Uhr 2
26.07.2018 09:18 Uhr 3