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Wenn reale Ereignisse den Disney-Plot mitschreiben

Die «Roseanne»-Absetzung ist das jüngste von vielen Beispielen, wie der Disney-Konzern auf echte Vorfälle mit seinen Talenten eingeht.

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LGBTQ-Repräsentation


Der Disney-Konzern als Ganzes operiert hinsichtlich der Repräsentation nicht-heterosexueller Personen ähnlich wie ganz Hollywood: Repräsentativ abgebildet ist die LGBTQ-Gemeinde noch lange nicht, doch sie findet immerhin statt. In Produktionen des Disney-Konzerns, die nicht unter der familienorientierten Disney-Hauptmarke laufen, lässt sich auf Jahrzehnte mal klischeehafter und mal positiver Darstellung zurückblicken. Da liegt «Chasing Amy» dicht an dicht mit Projekten wie «Vater der Braut», «Jessica Jones», «Der talentierte Mr. Ripley» oder «Desperate Housewives».

Unter dem Disney-Markennamen wiederum steht es um die Repräsentation deutlich schlechter bestellt – mutmaßlich, weil die Marke auch in vielen konservativen Haushalten Wertschätzung erfährt und man diese Geldquelle nicht versiegen lassen will. Zumeist beschränkt sich die Repräsentation also auf flüchtige Anspielungen oder auf Grauzonen, die dem Publikum Freiraum zur Interpretation einbringen. Und wenn Disney doch deutlicher wird, folgen leider auch meist prompt lächerliche Sanktionen der erzkonservativen Welt. So wurde die «Die Schöne und das Biest»-Realfilmversion mit ihrem Sekundenbruchteil an schwuler Repräsentation in einigen Ländern prompt mit einer harschen Jugendfreigabe versehen.

Kurios ist, wie sehr eine andere Disney-Produktion in der Debatte über Disneys Umgang mit der LGBTQ-Gemeinde übersehen wird: In der Serie «Meine Schwester Charlie» wurde schon 2014, also drei Jahre vor dem viel besagten «Die Schöne und das Biest»-Realfilm, mit großer Selbstverständlichkeit ein Lesbenpärchen eingeführt – wenn auch erst in der vorletzten Episode der Serie.

Was Disney bislang an Repräsentation auf dem Bildschirm und der Leinwand missen lässt, jedenfalls wenn der Flaggschiff-Markenname zu sehen ist, gleicht sie wenigstens hinter den Kulissen wieder aus: Die Human Rights Campaign Foundation zeichnete den Konzern Ende 2017 zum zwölften Mal in Folge als den besten Arbeitgeber für LGBTQ aus, auch andere Organisationen kürten Disney wiederholt in dieser Hinsicht als Vorbild aus. In der Hinsicht ist es nur konsequent, dass Disney zu den Hollywood-Konzernen gehört, die drohten, keine Filme und Serien mehr in Georgia zu produzieren, sollte dort das Gesetz durchgedrückt werden, dass Firmen LGBTQ-Kundschaft diskriminieren dürfen, um so "ihre religiöse Freiheit" auszuleben.

In Tennessee wurde sogar ein ähnliches Gesetz durchgewunken: Rechtsberater erhielten die Erlaubnis, Leute aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrer Kanzlei zu werfen. Als das Gesetz abgenickt wurde, setzte ABC kurz darauf seine weiterhin solide laufende Country-Dramaserie «Nashville» ab.

Time's up


Im Zuge der #MeToo- und Time's-up-Bewegungen wurde im Hollywoodgeschäft aufgeräumt. Die Karriere des Produzenten Harvey Weinstein ist unwiderruflich vorbei, Kevin Spacey wurde nach ihn betreffenden Anschuldigungen aus «House of Cards» und «Alles Geld der Welt» geschmissen und Warner feuerte den «Supergirl»-Showrunner Andrew Kreisberg aufgrund mehrfachen Fehlverhaltens.

Auch einige Disney-Produktionen wurden von diesem Ruck, der durch das Mediengeschäft ging, beeinflusst. So wurde Schauspieler Jeffrey Tambor, dem sexuelle Belästigung am Set der Amazon-Serie «Transparent» vorgeworfen wird, aus dem Sprechercast der Trickserie «Star gegen die Mächte des Bösen» gekegelt. Und in einem Fall rekursiver Castingentscheidungen ging «Willkommen in Gravity Falls»-Schöpfer Alex Hirsch über ein Jahr nach Beendigung der Serie zurück ans Mischpult ging, um Komiker Louis C.K. aus seinem Format zu streichen. Der Entertainer, der sich wiederholt gegen ihren Willen vor Kolleginnen selber befriedigt hat, sprach eine Cameorolle im dreiteiligen Serienfinale. In der neuen Fassung dieser Folgen spricht Hirsch höchstpersönlich die Passagen, die zuvor C.K. einsprach.

Dann aber wäre da der Fall John Lasseter: Der Kreativchef der Pixar Animation Studios und der Walt Disney Animation Studios kündigte im November 2017 an, eine Auszeit zu nehmen, um sein Verhalten zu überdenken. Lasseter selbst erklärte in einem Schreiben, er habe erfahren, dass sich einige seiner Angestellten in seiner Anwesenheit unwohl fühlen und "ungewollte Umarmungen" erhalten hätten. Diverse Branchenportale berichteten anschließend unter Berufung auf anonyme Quellen, Lasseter hätte darüber hinaus die Angewohnheit gehabt, weibliche Mitarbeiter andauernd zu betatschen und auf Firmen- und Branchenpartys weit, weit über die Stränge zu schlagen und zudem ein taubes Ohr für Ideen weiblicher Teammitglieder zu haben.

In diesem Fall werden laut einigen Branchendiensten bei der Bestrafung nur die Samthandschuhe angezogen: Lasseter wird gerüchtweise in leicht geschmälerter Form zu Pixar und den Disney-Trickstudios zurückkehren. So soll er seine Entscheidungsgewalt im Personalmanagement verlieren, aber weiterhin in hoher kreativer Position an den Projekten der Studios mitwirken.
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07.06.2018 13:21 Uhr Kurz-URL: qmde.de/101450
Sidney Schering

super
schade


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Alles Geld der Welt Chasing Amy Der talentierte Mr. Ripley Desperate Housewives Die Eiskönigin Die Königsbrüder Die Schöne und das Biest House of Cards Jessica Jones Lost Meine Schwester Charlie Nashville Pair of Kings Pair of Kings – Die Königsbrüde

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Quotermain
08.06.2018 08:23 Uhr 1
Habe irgendwie den Anschluß verloren:

Wie schafft man den Bogen von "Wenn reale Ereignisse den Disney-Plot schreiben" zu "Repräsentation der Homosexuellen?

Das muß man erst einmal hinkriegen.

Rein pädagigisch ein wunderbar eingesprungener doppelter Lutz, dann auch gleich die Belästigungsdebatte, in der komischerweise immer über "Gerüchte" berichtet wird, aber selten wenn es dann auch widerlegt wurde.



Thema Pixar:

Hier wird John Lasseter an den Pranger gestellt. Erstmal nur Gerüchte.

Warum wird nicht erwähnt, das Disney z.B. in Home Improvement/Hör mal wer da hämmert & Toy Story mit Tim Allen einen vorbestraften Drogenkurier eingestellt hat. Mit über einem Pfund Kokain erwischt und zu Haftstrafe verurteilt. Er wurde nach drei Jahren rausgelassen, da er die anderen verpfiffen hat und somit eine mildere Strafe erhielt..

1997 wurde Allen dann mit 1.5 Promille am Steuer erwischt...warum fehlt der in diesem Artikel?

Ach ja, das wäre zu viel Platz gewesen, stattdessen mußte die LGBTQHIJKLMNOPQ-Thematik da rein.



Nebenbei: Was haben in dieser Auflistung von Suff und Fehlverhalten die Schwulen zu suchen?

Ist Schwul jetzt ein Fehlverhalten?
Theologe
08.06.2018 09:20 Uhr 2


Das ist doch kein Artikel über Fehlverhalten, sondern ein Artikel darüber, dass das echte Leben Entscheidungen prägt. Ein Beispiel ist, dass persönliches Fehlverhalten Konsequenzen haben kann, aber nicht muss und ein anderes Beispiel is, dass gesellschaftlicher Wandel (hier LGBTQ) ebenfalls Einfluss hat.
Anonymous
08.06.2018 15:41 Uhr 3


Erstens: Das. Danke, Theologe. Und zweitens: Das fragwürdige Verhalten eines Staates (Tennessee), der LGBTQ diskriminiert, führte zu einer Absetzung. Was zeigen soll, dass Disney Haltung zeigt, obwohl der Konzern jedenfalls unter seiner Hauptmarke noch ordentliche Defizite in der Repräsentation aufweist. Und dieses "Mal streng, mal scheu" Disneys zieht sich durch den Artikel.



Und drittens: Quotermain, das Thema Tim Allen kam schon in einem anderen Artikel kurz zuvor zur Sprache.
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