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Die Kritiker: «You Are Wanted» - Staffel 2

Nach dem durchschlagenden Erfolg der deutschen Amazon-Prime-Produktion «You Are Wanted» geht es für Matthias Schweighöfer alias Lukas Franke in die zweite Runde. Kann das Format den an den experimentellen Charakter der Auftaktstaffel anknüpfen?

«You Are Wanted» Staffel 2

  • Eine Amazon Studios Serie
  • Produzenten: Matthias Schweighöfer, Phillipp Klausing, Dan Maag, Peti Misaila, Cornelia Popp
  • Regie: Matthias Schweighöfer, Bernhard Jasper
  • Darsteller: Matthias Schweighöfer, Alexandra Maria Lara, Michael Landes, Jessica Schwarz, Hannah Hoekstra
  • Autoren: Markus Hoffmann, Uwe Kossmann und Arndt Stüwe
Im März 2017 ging mit «You Are Wanted» die erste deutsche Produktion für den internationalen Streamingdienst Amazon Prime an den Start. Das Thriller-Format von und mit Matthias Schweighöfer («Der geilste Tag») wurde von uns damals sogar mit «Black Mirror» verglichen, während sich große Teile der hiesigen Berichterstattung weitaus weniger angetan zeigten. Blickte man kurz nach dem Release in die sozialen Netzwerke, sah es sogar noch düsterer aus: «You Are Wanted» wurde zu einem dieser Formate, das geschaut wurde, um mitreden, vor allem aber, um mitlästern zu können. Immer wieder im Fokus der Zuschauerattacken: Die klischeehafte, da betont düstere Inszenierung, das aufdringliche Product Placement und die „typisch deutschen“ und damit alles andere als wirklichkeitsgetreuen Dialoge. Mit einigen Dingen sind auch wir damals hart ins Gericht gegangen: Das Skript offenbarte in den bisweilen arg konstruierten Texten, von denen sich die Autoren im Zuge diverser Umschreibearbeiten im Anschluss distanzierten, mitunter tatsächlich einige Aussetzer (übrigens ein generelles Problem der nationalen Unterhaltungsbranche und nicht bloß explizit dieses Formats) und auch eine bestimmte Automarke wurde im Verlauf der sechs Folgen umfassenden ersten Staffel ziemlich obsessiv ins rechte Licht gerückt.

Trotzdem konnte uns «You Are Wanted» damals absolut überzeugen – und zwar nicht aus Prinzip, weil aus Deutschland endlich einmal etwas anderes kommt als RomComs und Weltkriegsdramen.

In erster Linie haben sich die Macher mit ihrem Projekt den Respekt dafür erarbeitet, aus gängigen Inszenierungsschemata auszubrechen und sich an internationalen Standards zu orientieren. Vielleicht geht das bisweilen nicht ohne das Zurückgreifen auf Bekanntes vonstatten – immer wieder mussten sich die Verantwortlichen von «You Are Wanted» anhören, anstatt Neues zu wagen, sich lieber an Altbekanntem aus Übersee zu orientieren. Aber irgendwo muss man schließlich anfangen, wenn man die deutschen Pfade verlassen will. Und auch wenn «You Are Wanted» im Vergleich zu internationaler Konkurrenz damals nicht sonderlich innovativ war – das lässt sich allenfalls mit Blick auf den deutschen Markt sagen – so war das Endergebnis doch definitiv effektiv. Mit einem hohen Tempo, das auf dem Fernsehschirm nahezu immer etwas passieren ließ und einer bemerkenswerten Konsequenz im Umgang mit Figuren und deren Gesinnung, sorgte «You Are Wanted» in der ersten Staffel für kurzweilig-spannende Unterhaltung, die sich schließlich auch in den Abrufzahlen – und seien diese nur der Neugier geschuldet gewesen – niederschlug. Mit der zweiten Staffel gilt es nun, auch das erzählerische Potenzial weiter auszuschöpfen, was zumindest in der Auftaktfolge der zweiten Season ganz gut gelingt.

Die Jagd ist (wieder) eröffnet


Mit "Burning Man", einem Programm, durch das jeder Mensch auf der Erde erpressbar wäre, indem es Einblicke in sämtlich Daten gewährt, schien der ins Visier eines Hackers geratene Hotelmanager Lukas Franke (Matthias Schweighöfer) sein Schicksal und das seiner Familie wieder in eigenen Händen zu halten. Doch nun geht der Albtraum von Neuem los. Lukas ist wieder auf der Flucht. Allmächtige Geheimdienste, internationale Kriminelle und Aktivisten wollen "Burning Man" in die Finger bekommen und eröffnen die Jagd auf den Familienvater. Doch nicht nur Lukas muss um seine Sicherheit fürchten. Auch seine Frau Hanna (Alexandra Maria Lara) und sein Sohn Leon (Franz Hagn) geraten ins Fadenkreuz der Jäger.

Obwohl die erste Staffel von «You Are Wanted» damals sehr offen endete, wäre eine Fortsetzung gar nicht unbedingt nötig gewesen. Das Thema digitale Vernetzung und die damit einhergehende Möglichkeit, die Daten eines jeden Internetnutzers weltweit nach Belieben ausspionieren zu können, hätte gerade mit einer „Es ist nie vorbei!“-Aussage umso eindringlicher werden können – der Schrecken wäre hinaus in die Welt getragen worden, wo er bis heute verweilt und von wo aus er nicht aufhaltbar ist. Dass man im Anbetracht des Erfolges dennoch an die Story anknüpft, war erwartbar. Und anstatt nun einen neuen Plot rund um Lukas Franke und seine von Hackern ins Visier genommene Familie zu spinnen, knüpft man erzählerisch eben einfach direkt dort an, wo Season eins aufgehört hat – konsequent ist man also, bringt sich nur um das bedeutungsvolle Ende der Vorgängerstaffel. Das bedeutet für Neueinsteiger allerdings auch: Wer Staffel eins nicht kennt, ist aufgeschmissen. Noch nicht mal eine kurze Zusammenfassung der vorausgegangenen Geschehnisse gibt es (das ist möglicherweise beim Streamingdienst Amazon Prime anders). Wer also nicht bereits fest mit dem Plot vertraut ist, guckt in die Röhre.

Lukas‘ und seine Familie bedürfen keine ausgefeilte Figurenzeichnung mehr. Entsprechend hält sich «You Are Wanted», Staffel zwei gar nicht länger daran auf, die erzählerische Ausgangslage zu etablieren. Stattdessen werfen die Macher ihr Publikum direkt ins Geschehen: Und das hat es in sich! Gerade aus den Fängen unbekannter Folterer entkommen, sieht sich Lukas nicht nur plötzlich damit konfrontiert, dass die vorausgegangenen Ereignisse noch lange nicht beendet sind. Auch seine Frau Hanna ist langsam aber sicher mit den Nerven am Ende. In der Pilotepisode geschieht alles und nichts: Es geht um die kleinen Auseinandersetzungen zwischen Lukas und seiner Gattin, das Familiengefüge bröckelt und wirkt sich damit mehr auf Lukas‘ Geisteszustand aus, als die vom BND und unbekannten Gruppierungen ausgehende Gefahr für Leib und Leben. Eine ungebremste Fahrt in einem manipulierten Auto durch Berlin mag in ihrer Effektivität der inszenatorische Höhepunkt sein, doch während einem das Verschwörungsgewäsch der verschiedenen Institutionen diesmal nur allzu bekannt vorkommt, ist das Zwischenmenschliche viel interessanter.

Bisweilen werden «You Are Wanted» noch immer die Dialoge zum Verhängnis. Die hier miteinander interagierenden Leute sprechen so, wie es die Autoren geschrieben haben und nur selten so, wie es auch im wirklichen Leben geschieht. Auch sonst bleibt vieles beim Alten – das gilt für den hochwertig-düsteren Look ebenso, wie für die elegante Ausstattung und das hohe Erzähltempo. Bereits in der aller ersten Folge bekommt der Zuschauer nicht bloß besagte Autofahrt zu sehen, sondern auch eine kurzzeitige Geiselnahme, in deren Konsequenz Hanna erst recht mit ihrer Moral konfrontiert wird, Lukas landet in der Psychiatrie und Geheimdienste gewähren uns einen Blick hinter verschlossene Türen. Der Kontrast zwischen den intimen, emotionalen Dramen innerhalb der Franke-Familie und den verschwörerischen Ausmaßen, die sich einmal rund um den Erdball erstrecken, verleihen «You Are Wanted» – zumindest in der Auftaktfolge – die notwendige Würze, die zum Weiterschauen animiert. Ein klein wenig enttäuscht sind wir dennoch: Zumindest in der ersten Episode hält man doch so verstärkt an den Erfolgsmechanismen der ersten Season fest, dass genau das – sofern sich das in den kommenden Folgen nicht ändern sollte – der Serie zum Verhängnis werden könnte. Die Verantwortlichen haben sich mit «You Are Wanted» bereits einem Risiko ausgesetzt, das mit der ersten Staffel funktioniert hat. So effektiv und modern das Ganze auch war, so einfach ließe sich die Serie in den Details ihrer Ausführung optimieren. Man darf gespannt sein, inwiefern die Macher diesen Gedanken umsetzen.

Fazit


Die Auftaktfolge der zweiten «You Are Wanted»-Staffel knüpft inhaltlich exakt ans Ende der ersten Season an und bleibt sich auch seines Inszenierungsstils treu. Viel ableiten lässt sich daraus allerdings noch nicht.

Die zweite Staffel von «You Are Wanted» ist ab dem 18. Mai via Amazon Prime streambar.
18.05.2018 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/101051
Antje Wessels

super
schade

81 %
19 %

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Tags

Black Mirror Der geilste Tag You Are Wanted

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