Am Freitag war bekannt geworden, dass der für die ARD tätige Sportjournalist Hajo Seppelt nicht zur WM nach Russland reisen darf. Im Gespräch mit Quotenmeter.de findet Seppelt deutliche Worte: „Was hier passiert, berührt den Kern unserer Profession“, sagt er…
Die Hintergründe zum Thema...
Wie die ARD am Freitagnachmittag mitgeteilt hatte, hat Russland dem Doping-Experte Hajo Seppelt die Einreise nach Russland anlässlich der Berichterstattung über die Fußball-WM verweigert. Das vom SWR für ihn beantragte Visum war ohne nähere Angabe von Hintergründen für ungültig erklärt worden. Hajo Seppelt steht demnach auf einer Liste der in Russland "unerwünschten Personen" und könne daher nicht einreisen. Die ARD positionierte sich klar und sprach von "einmaligen Vorgang in der Geschichte des ARD-Sportjournalismus". "Das ist für mich kein Zeichen von Respekt vor der Tätigkeit eines investigativen Journalisten, sondern eher dafür, dass man unangenehmen Themen gegenüber lieber die Augen verschließt", sagte Volker Herres, Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen. Bei großen Sport-Events ist der freie Zugang für Medienvertreter üblicherweise selbstverständlich und gehört auch zu den Voraussetzungen für die Vergabe an Ausrichterländer.Herr Seppelt, Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder Doping-Skandale aufgedeckt. Ist es für Sie ein persönliches Erfolgserlebnis, diese Dinge bekanntzumachen? Oder macht es Sie eher traurig oder vielleicht wütend?
Es macht mich weder traurig noch glücklich. Wenn man einer Spur nachgeht, die sich bestätigt, dann ist das ein Beleg dafür, dass man offensichtlich in die richtige Richtung gearbeitet hat. Aber nicht mehr und nicht weniger. Ich bin kein Richter über den Sport, sondern ein Beobachter und Begleiter und versuche die andere Seite der Medaille zu zeigen. Während eine Mehrzahl der Sportreporter eher ereignisorientiert arbeiten muss, dürfen wir tiefer bohren.
Am Freitag wurde bekannt, dass Russland Ihnen die Einreise zur Weltmeisterschaft verwehren möchte. Haben Sie etwas Vergleichbares schon einmal in der Vergangenheit erlebt?
Ich mache über 20 Jahre Berichterstattung zum Thema Doping, seit fast zehn Jahren widme ich mich dem Thema eigentlich nur noch. Wir haben in zahlreichen Ländern und Regionen der Welt recherchiert: In China, in Afrika, in Südamerika, in den USA, in Jamaika, in etlichen Ländern Europas, natürlich auch Deutschland. Aber wie Russland auf Doping-Recherchen reagiert, ist in der Tat beispiellos.
Der russische Sportpolitiker Swischtschow verteidigte am Wochenende das Vorgehen seines Landes. Er warf Ihnen vor, „mit Dreck zu werfen“. Ärgert Sie eine derartige Aussage?
Nein. Das spricht ja für sich, welches Verständnis von Berichterstattung solche Herrschaften haben. Das ist die propagandabewährte Vorgehensweise: Immer alles abstreiten, immer irgendwelche Dinge behaupten, für die es in keiner Weise eine Begründung oder Bestätigung gibt. Dabei ist der Sport durch die Russland-Affäre ja komplett auf den Kopf gestellt worden. Die Fakten liegen für jedermann auf dem Tisch, sie sind anerkannt, der Weltsport hat reagiert. Deshalb ist Russland bei den Olympischen Spielen unter neutraler Flagge angetreten. Man mag es manchen Athleten aus Russland nicht im Einzelfall nachweisen können. Aber es handelt sich hier eben auch um eine systemische Vertuschung von Doping und um Korruption - mit Beteiligung von Personen aus dem russischen Staatsapparat.
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Die Politik wäre gut damit beraten, wenn sie endlich aufsteht und sich nicht am Nasenring durch die Manege ziehen lässt, nur weil man irgendein Ereignis in seinem Land unbedingt durchführen will.
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Hajo Seppelt
Die ARD hat sich klar hinter Sie gestellt. Wie werden nun die nächsten Schritte aussehen?
Wir bitten um Verständnis, dass wir das derzeit nicht kommentieren. Wir müssen uns untereinander abstimmen und können die Dinge nicht öffentlich verhandeln.
Russland, Katar, China: Immer öfter werden sportliche Groß-Events in autoritären Staaten ausgetragen. Wäre es nicht an der Zeit, WMs und Olympia wieder vermehrt in „demokratischeren“ Staaten stattfinden zu lassen?
Die Frage, was unter demokratisch zu verstehen ist und was nicht, diskutieren ja weltweit derzeit politische Protagonisten heftig. Diese Debatte gibt es auch im organisierten Sport. Es ist sicherlich richtig, dass es Sportveranstalter oft leichter mit autoritären Regimen haben, die bestimmte Anforderungen an Ereignisse leichter im jeweiligen Land durchdrücken können. Da treffen häufig ähnliche Denkschulen aufeinander - aus Sport und Politik. Es ist ja eine Tendenz seit Jahren spürbar, dass Demokratien bei großen Sportveranstaltungen eher abwinken und diese eher nicht austragen wollen - während autoritäre Staaten den Finger heben. Nichtsdestotrotz stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Anforderungsprofil von Sport Großereignissen noch zeitgemäß ist.
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Ich bin gespannt, ob und gegebenenfalls wie sich der Verband deutscher Sportjournalisten sowie der Internationale Sportjournalisten-Verband zum dem Vorfall äußern werden. Was hier passiert, berührt den Kern unserer Profession: Sportjournalisten wird von einer Regierung der Zutritt zu einem internationalen Sportereignis verwehrt - dabei ist das Land gar nicht Veranstalter sondern nur im Auftrag des Veranstalters als Ausrichter eingesetzt. Diese Thematik berührt daher grundsätzliche rechtliche wie auch politische Fragen
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Hajo Seppelt
Was genau meinen Sie damit?
Die Politik wäre gut damit beraten, wenn sie endlich aufsteht und sich nicht am Nasenring durch die Manege ziehen lässt, nur weil man irgendein Ereignis in seinem Land unbedingt durchführen will. Denken sie nur an die erheblichen Kosten, die im Vorfeld von solchen Ereignissen mit Infrastrukturmaßnahmen einhergehen. Denken Sie an die - aus meiner Sicht völlig ungerechtfertigten - Steuervergünstigungen für Veranstalter lukrativer Großevents. Auch wenn irgendwelche Top-Funktionäre wie Thomas Bach immer behaupten, dass sie mit Neuerungen wie der sogenannten Agenda 2020 des IOC schon dran sind, die Kostenspirale aufzuhalten, bleiben viele Bedenken, die nicht ausgeräumt worden sind. Hinzu kommt, dass zahlreiche Sportfunktionäre weltweit der Korruption und Vetternwirtschaft bezichtigt werden. In einigen internationalen Sportverbänden sind die Verhältnisse alles andere als demokratisch und erinnern eher an feudale Strukturen. Die haben mit dem, was wir heute unter
good governance verstehen, nichts zu tun. Und insofern kann ich schon verstehen, dass sich viele Länder von der Ausrichtung von Sportveranstaltungen abwenden.
Inzwischen haben sich auch einige Politiker teils deutlich zu der Einreise-Verweigerung gegen Sie geäußert. Was erwarten Sie in Ihrem konkreten Fall von der Politik?
Ich würde gar nicht sagen, dass ich etwas erwarte. Die Situation ist eben die, dass die Verträge zwischen der FIFA und dem Ausrichterland eindeutig sind. Der freie Zugang für Journalisten aus aller Welt muss gewährleistet sein. Russland hält sich nicht an diese Verabredungen – und das muss sicherlich klar benannt werden. Andererseits ist das, was hier passiert, aber auch für den Sportjournalismus generell ein nahezu beispielloser Vorgang. Ich bin gespannt, ob und gegebenenfalls wie sich der Verband deutscher Sportjournalisten sowie der Internationale Sportjournalisten-Verband zum dem Vorfall äußern werden. Was hier passiert, berührt den Kern unserer Profession: Sportjournalisten wird von einer Regierung der Zutritt zu einem internationalen Sportereignis verwehrt - dabei ist das Land gar nicht Veranstalter sondern nur im Auftrag des Veranstalters als Ausrichter eingesetzt. Diese Thematik berührt daher grundsätzliche rechtliche wie auch politische Fragen - noch dazu weil es ja offenkundig ist, dass damit kritische Berichterstattung behindert oder gar verhindert werden soll.
Herr Seppelt, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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