Die glorreichen 6 – Filme über Journalismus (Teil V)
Im vierten Teil unserer Reihe über denkwürdige Journalismusfilme widmen wir uns dem Oscarpreisträger «Spotlight», der auf wahren Ereignissen basiert.
Die Handlung
Filmfacts: «Spotlight»
Genre: Drama/Thriller
FSK: 0
Laufzeit: 128 Min.
Kamera: Masanobu Takayanagi
Musik: Howard Shore
Buch: Josh Singer, Tom McCarthy
Regie: Tom McCarthy
Darsteller: Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Stanley Tucci, Liev Schreiber, John Slattery, Elena Wohl
OT: Spotlight (USA 2015)
Im Jahr 2001 erhält Walter „Robby“ Robinson (Michael Keaton), der Leiter des Investigativteams „Spotlight“ des Boston Globe, einen besonderen Auftrag. Der neue Chefredakteur Marty Baron (Liev Schreiber) setzt ihn auf die Fälle von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche an, von denen hinter vorgehaltener Hand schon lange gesprochen wird. Doch als Robby und seine Kollegen Michael Rezendes (Mark Ruffalo), Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams), Matt Carroll (Brian d’Arcy James) und Ben Bradlee Jr. (John Slattery) die ersten Opfer interviewen, decken sie Schicht um Schicht einen viel größeren Skandal auf: Seit Jahrzehnten wurden in der Erzdiözese Boston immer wieder Kinder von Priestern missbraucht – und die Taten von höchsten Würdenträgern gedeckt und vertuscht. Die Spuren führen direkt zum Kardinal, doch die Reporter stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Die Opfer schweigen aus Angst, hochbezahlte Anwälte spielen auf Zeit. Die kostspielige Recherche der Zeitung droht zu scheitern.
Die 6 glorreichen Aspekte
Selten haben die Reaktionen auf einen Film die eigentliche Problematik innerhalb desselben besser zusammengefasst als im Falle von Tom McCarthys Journalistenthriller «Spotlight». Der vielfach für unterschiedliche internationale Preise (darunter auch der Oscar) nominierte und ausgezeichnete Film über eine Gruppe von Investigativjournalisten, die Anfang des neuen Jahrtausends zum Thema Kindesmissbrauch unter dem Deckmantel der katholischen Kirche recherchierte, sorgte bei verschiedenen Wortführen ebenjenes Glaubens für ganz unterschiedliche Reaktionen. Während sich die einen von McCarthys Regiearbeit in die Ecke gedrängt fühlten, reagierten andere mit Verständnis und Einsicht. Besser könnten diese vollkommen gegensätzlichen Verhaltensweisen den Umgang mit der Thematik nicht widerspiegeln; auch in «Spotlight» wird der Zuschauer irgendwann Zeuge, wie weltfremd die einen und wie geläutert die anderen mit dem dato noch als totgeschwiegenem Tabu verstandenen Thema umgehen.
Was im Jahr 2001 noch eine niederschmetternde, neue Entdeckung war, ist mittlerweile jedoch erschreckend oft in den Medien vertreten. Doch gerade aus diesem Grund ist der in «Spotlight» gewählte Erzählzeitraum zu Beginn dieser Skandalaufklärung der beste und nächstliegende. McCarthy («Ein Sommer in New York»), zuständig für Regie und Drehbuch, wirft einen Blick auf die erste bohrende Nachfrage, die eine Mauer des Schweigens zum Einsturz brachte, und nimmt die Faust erst aus der Magengrube, als dem Zuschauer längst klar ist, dass das hier kein Einzelfall, sondern eine entsetzliche Regel ist.
Ein Blick auf den Cast offenbart, dass es Tom McCarthy trotz dieses speziellen Themas auch darum geht, ein möglichst großes Publikum auf diesen Skandal aufmerksam zu machen. In den Hauptrollen finden sich mit Rachel McAdams («Southpaw»), Michael Keaton («Birdman»), Mark Ruffallo («Marvel’s The Avengers 2: Age of Ultron»), Liev Schreiber («Creed – Rocky’s Legecy»), Stanley Tucci («Die Tribute von Panem – Mockingjay, Teil 2»), John Slattery («Ant-Man») und Brian d’Arcy James («Sisters») – um nur einige zu nennen – ausschließlich A-Klasse-Hollywoodstars wieder, die einen Cast zum Leben erwecken, deren trockene Arbeit bei näherem Hinsehen gar nicht so trocken ist. Natürlich wäre es ein Leichtes, einen Missbrauchsskandal aus einer Perspektive zu erzählen, die dem Gelegenheitszuschauer ein weitaus spektakuläreres Seherlebnis bietet. Doch die Macher konzentrieren sich ganz bewusst auf die Recherchearbeit der Journalisten, setzen auf viel Dialog und inszenieren im Finale lieber den endgültigen Abdruck der Aufklärungsstory als Schlüsselmoment, denn aufsehenerregende Festnahmen, Verfolgungsjagden oder andere Elemente aus dem klassisch standardisierten Thrillerreperoire.
Wer nun die Befürchtung äußert, innerhalb des über zwei Stunden langen Thrillerdramas lediglich mit über den Schreibtischen gebeugten Pressefutzis konfrontiert zu werden, der sei an dieser Stelle bereits beruhigt. Tom McCarthy wählt mit seinem gleichnamigen Investigativteam in «Spotlight» zwar eine weitestgehend ohne jedwede Effekthascherei auskommende Erzählperspektive, langatmig wird seine Geschichte, die er gemeinsam mit «Inside Wikileaks»-Autor Josh Singer schrieb, aber nicht. Es sind vielmehr die grundverschiedenen Ansätze, mit denen Sacha Pfeiffer und ihre Kollegin der nahezu übermächtig wirkenden Kirche auf den Pelz zu rücken versuchen. Beklemmende Interviews mit Opfern und die Suche nach juristischen Schlupflöchern nehmen in «Spotlight» die Positionen ein, die in klassischen Crime-Thrillern von mit viel Tamtam inszenierten Festnahmen oder Schießereien gefüllt werden.
Dank eines intensiv aufspielenden Casts und einer Figurenzeichnung, die jedem der Charaktere ein nötiges Maß an Backround und Privatleben zugesteht, ohne dieses zu sehr in den Vordergrund zu drängen, ist der Adrenalinkick bei solchen, auf den ersten Blick nicht allzu spannend erscheinenden Aktionen nicht weniger intensiv, als bei einer üblichen Thrillerinszenierung. Nur aufgeschlossen, das sollte man als Zuschauer einem solchen Seherlebnis gegenüber sein. Genauso ist das Erkennen der Dialogwertigkeit innerhalb eines Films unabdingbar, um «Spotlight» ausreichend zu genießen, aber auch, um ihn zur Genüge zu würdigen.
«Spotlight» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Sky Store, Microsoft, Rakuten TV, Sony, CHILI und Videoload abrufbar.
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