Serien-Sender HBO sucht noch immer fieberhaft nach einem Erbe von «Game of Thrones» und die Zeit drängt mehr denn je. Auf Hoffnungsträger «Westworld» liegt damit ein immenser Druck.
Aktuelle Drama-Serien von HBO & Zuschauerzahlen der vergangenen Staffel
- «Game of Thrones» (seit 2011): 10,26 Mio.
- «Westworld» (seit 2016): 1,82 Mio.
- «Big Litte Lies» (seit 2017): 1,17 Mio.
- «The Deuce» (seit 2017): 0,88 Mio.
- «Here and Now» (seit 2018): 0,38 Mio.
Zuschauer linear, ab 2 Jahren
Kabel-Gigant, Serien-Vorreiter, Fernseh-Maßstab. US-Sender HBO blickt auf eine schillernde Geschichte zurück, doch der Lack scheint langsam ab. Dabei fällt es schwer zu sagen, wie das Vermächtnis der TV-Station Risse bekam: Verschlief HBO den Wandel der sich immer weiter diversifizierenden Unterhaltungsindustrie, die mit neuen Akteuren wie Netflix und Amazon immer mehr Konkurrenz schuf? Oder begann der Abstieg schon mit dem Markteintritt dieser neuen Gegenspieler, weshalb es immer schwieriger wurde, überhaupt Serienhits zu kreieren? Ob es nun an der Qualität der neuen HBO-Formate liegt oder an der wachsenden Konkurrenz, lässt sich nicht genau beantworten. Vermutlich an beidem. Fakt ist: HBO blickt in eine ungewisse Zukunft und steht unter immer größer werdendem Druck, die Weichen dafür zu stellen.
Dies sollte eigentlich mit «Westworld» geschehen. Bei der Science-Fiction-Serie nach Vorlage des gleichnamigen Films von 1973 handelt es sich um ein absolutes Prestige-Projekt, an dem von Beginn an illustre Namen eine hohe Aufmerksamkeit und Qualität generieren sollten. Ed Harris, Anthony Hopkins oder Evan Rachel Wood veredelten die Darstellerriege, der dekorierte Autor Jonathan Nolan schrieb das Drehbuch und als Executive Producer fungierte unter anderem J. J. Abrams. HBO positionierte «Westworld» damit als legitimen Erben seines Straßenfegers «Game of Thrones», dessen Erfolg zwar größer denn je ist, aber nicht mehr von langer Dauer, weil die Fantasy-Serie 2019 enden wird.
Anspruchsvoller als «Game of Thrones» – aber nicht gefragter
Die Prämisse las sich von Anfang an vielversprechend: In einem futuristischen Freizeitpark geben betuchte Besucher ihr Geld aus, um sich Wild-West-Fantasien erfüllen zu lassen, indem sie dort mit menschenähnlichen Robotern interagieren. Somit können sie gefahrenfrei Saloons unsicher machen, Missionen erfüllen oder sich Schießereien liefern. Doch der Top-Programmierer des Parks informiert dessen Gründer über merkwürdiges Verhalten einiger Roboter, die kürzlich umkodiert wurden. In Folge dessen kommt es zu verhängnisvollen Zwischenfällen, bei denen aus Spaß schnell Ernst wird.
Inhaltlich konnte «Westworld» die Fußstapfen des Serien-Epos um Drachen, Ränkespiele und dunkle Magie schon in Staffel eins füllen. Während «Game of Thrones» sich zuweilen fast schon soap-artig auf seine Intrigen konzentrierte und Inhaltlich vieles an der Oberfläche blieb, lieferte «Westworld» einen hochattraktiven Genre-Mix aus Science-Fiction, Western, Drama und philosophischen Fragestellungen. Doch auch im Jahr 2018 muss der Köder noch immer dem Fisch schmecken und nicht dem Angler – und die Zuschauer bissen nur bedingt an. Zumindest nicht in einem Ausmaß, als dass sich «Westworld» nach Ablauf der ersten Staffel schon als legitimer Nachfolger von «Game of Thrones» zu erkennen gab.
Im Schnitt verfolgten 1,82 Millionen Zuschauer pro Folge die erste Staffel. Auf dem gleichen Sendeplatz sorgte «Game of Thrones» vergangene Staffel für durchschnittlich 10,26 Millionen Interessenten. Auch die erste Staffel der Fantasy-Serie lief durchschnittlich mit 2,52 Millionen Zuschauern pro Folge besser. Allerdings verweist HBO auf hohe zeitversetzte Abrufzahlen von «Westworld», die höher seien als in den ersten Staffeln von «Game of Thrones» oder «True Detective». Auch letzteres Format versuchte der Premium-Sender als möglichen Nachfolger des Lieds von Eis und Feuer zu etablieren. Das Crime-Drama fungiert mittlerweile jedoch vielmehr als Warnung, wie verhängnisvoll eine schwächelnde zweite Staffel sein kann. Nach großartigen Rezensionen im Rahmen der ersten Season flachte der Kritikerspiegel von «True Detective» in Staffel zwei mit einer neuen Geschichte rasant ab, womit sich die Hoffnungen von HBO auf einen neuen Serien-Leuchtturm zerschlugen.
Content bleibt King, die Zahlen aber auch
Fakten zu «Westworld»
- Genre: Science Fiction, Drama, Western, philosophische Fiction
- Schöpfer: Jonathan Nolan & Lisa Joy
- Vorlage: «Westworld» von Michael Crichton
- Darsteller: Evan Rachel Wood, Thandie Newton, Jeffrey Wright, James Marsden, Anthony Hopkins, Ed Harries u.w.
- Episodenzahl: 10 (1 Staffel)
- Executive Producer: Bryan Burk, Jerry Weintraub, Lisa Joy, Jonathan Nolan & J.J. Abrams
- Premiere: 2. Oktober 2016 (HBO)
Am Sonntag begann nun Staffel zwei von «Westworld» und vom Erfolg des Formats könnte so einiges abhängen. HBO galt lange Zeit als die Instanz schlechthin im Serien-Bereich und setzte mit den «Sopranos» oder «The Wire» Maßstäbe, die womöglich das große Serien-Zeitalter sogar miteinläuteten. Mittlerweile geht die TV-Station inmitten des boomenden Serien-Geschäfts jedoch allmählich unter. Nicht nur von den Zuschauerzahlen hängt dabei die Zukunft HBOs ab, sondern auch vom Inhalt seiner Formate. Natürlich könnte der Sender den Verlust von «Game of Thrones» auch mit den zahlreichen Spin-Offs auffangen, die der Sender vom Fantasy-Epos in Auftrag gegeben hat. Dies ginge jedoch auf Kosten der inhaltlichen Vielfalt und des sich immer neu erfindenden Repertoires des Senders. Um nicht nur wirtschaftlich zu handeln, sondern auch inhaltlich relevant zu bleiben, muss HBO weiter auf Serien wie «Westworld» bauen und auf deren Erfolg hoffen. Dabei gilt: Content bleibt King!
Doch wie viel Hoffnungen darf sich HBO wirklich auf den langfristigen Erfolg von «Westworld» machen? So günstig wie bei «Game of Thrones» sind die Aussichten der Science-Fiction-Serie keinesfalls. «Westworld» baut nicht auf einem umfangreichen Bücher-Kanon auf, sondern muss seine Geschichten erst neu generieren. Dafür benötigten die Macher bei deutlich weniger Ausgaben im Vergleich zu Network-Produktionen nun wesentlich mehr Zeit. Während andere Serien nur ein Jahr pausieren und um die 22 neue Ausgaben hervorbringen, brauchte «Westworld» für zehn neue Episoden eineinhalb Jahre - auch weil gerade die von Jonathan Nolan und Lisa Joy geschriebene Produktion in Staffel eins stark auf verkopfte, aber im Science-Fiction-Genre bereits zur Genüge durchexerzierte philosophische Überlegungen setzte. Die gleichen Ansätze werden sich über den Verlauf einer zweiten Staffel allerdings wohl nicht halten. «Westworld» droht damit inhaltlich trivialer zu werden und mehr zur Groschenliteratur zu verkommen. Allerdings machte genau diese Eigenschaft «Game of Thrones» für Millionen von Zuschauern aus aller Welt zugänglicher als es «Westworld» in Staffel eins war, in der Fans die Ausgaben teilweise mehrmals ansehen mussten, um alle Entwicklungen nachvollziehen zu können. Das richtige Maß ist also auch hier ausschlaggebend.
Wie HBO auf «Westworld» Lust macht
Vor dem Start der neuen Staffel rührte HBO jedenfalls kräftig die Werbetrommel und nahm inhaltliche Neuausrichtungen teilweise bereits vorweg. Ein neues großes Thema könnte die Datensammlung werden, die die Vorstandschefin Charlotte Hale von den Besuchern anfertigte, was danach klingt, als würde die Serie in Staffel zwei mehr den Zeitgeist bedienen und Bezüge zum unlängst bekanntgewordenen Facebook-Skandal herstellen. Auch den Fan-Rufen nach einer neuen Szenerie scheinen die Macher nachzukommen, die unlängst „Shogun World“ ankündigten. Damit halten sich die Charaktere in Staffel zwei nicht mehr ausschließlich im Western-Setting auf, sondern auch in einer von der japanischen Samurai-Kultur inspirierten Park-Welt.
Angesichts dessen, dass HBO in die zweite «Westworld»-Staffel große Hoffnung legt und massiv unter Druck steht, beweist der Sender dennoch Humor. Mitte April spielten die Macher ihren Fans nämlich einen deftigen Streich. Auf dem Online-Portal Reddit, wo sich die Serienschöpfer Nolan und Joy den Fragen der Fans stellten, versprachen sie, dass sie ein 25-minütiges Spoiler-Video veröffentlichen würden, sollte einer ihrer Kommentare 1.000 Upvotes bekommen. Dies geschah und tatsächlich erschien kurze Zeit später ein 25-minütiges Video im Netz. Es begann authentisch mit Jeffrey Wright, der als sein Charakter Bernard Lowe einen Monolog sprach – und endete mit Hauptdarstellerin Evan Rachel Wood, die Rock Astleys „Never Gonna Give You Up“ sang, woraufhin ein Hund lediglich 20 Minuten vor einem Klavier saß. Auch von derlei Aktionen kann eine Serie im digitalen Zeitalter profitieren. Ob diese nachhaltigen Erfolg hatte, zeigen die nächsten Wochen.
Sky Atlantic HD zeigt die neuen Folgen der zweiten Staffel immer montags ab 20.15 Uhr, einen Tag nach der US-Premiere. Auch über Sky Go und Sky Ticket lassen sich die Episoden abrufen.
Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
24.04.2018 17:35 Uhr 5
Ansonsten ist HBO klasse und bringt eine Menge tolle Serien und Dokus die mMn qualitativ immernoch über, oder zumindest mit Netflix vergleichbar sind.
24.04.2018 17:35 Uhr 6
Generell muß ich auch sagen, dass es HBO-Serien in den letzten Jahren bei mir schwer hatten. Von GoT habe ich bisher nicht eine einzige Minute gesehen, da ich mit dem Genre nicht viel anfangen kann. Die erste Staffel True Detective fand ich gut, die zweite total bescheiden. Big little lies hat mir auch gut gefallen, aber dann muß ich schon bis zu Deadwood oder Six feet under zurück, um HBO-Serien zu nennen, die mich richtig gefesselt haben. :?
26.04.2018 16:43 Uhr 7