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«Sankt Maik»-Produzentin Leibfried: „Serienfans wieder ins lineare Fernsehen holen“

Sie machte einst «Abschnitt 40», dann «Doctor’s Diary» und jetzt «Sankt Maik». Vor dem Start des neuen RTL-Seriendienstags haben wir mit Produzentin Ulrike Leibfried gesprochen. Warum sie die Sat.1-Kampfprogrammierung als „Katastrophe“ bezeichnet, wieso ihr der Casting-Prozess so wichtig ist und weshalb sie Newcomer liebt.

Zur Person: Ulrike Leibfried

Die Macherin hinter «Sankt Maik» ist seit Jahren im Serienbusiness aktiv. Zuerst auf Produztenseite bei «Abschnitt 40», dann auf Senderseite. Sie betreute damals unter anderem den Mega-Hit «Doctor's Diary». Seit 2010 arbeitete Ulrike Leibfried für RTL als freie Redakteurin und Executive Producer und hat in dieser Zeit Serien wie «Die Draufgänger», «Transporter the Series» und «Doc meets Dorf» verantwortet. Neben «Sankt Maik» arbeitet sie gerade auch an «Deutschland 86».
Frau Leibfried, wenn man eine neue Serienidee bei einem Sender pitcht, dann sind es ja oft fünf oder sechs Stichworte, die hängen bleiben. Welche sind das bei «Sankt Maik»?
Oh! Nur 5 Stichpunkte, das fällt mir gerade schwer. Ich komme direkt aus dem Writer’s Room. Wir sind mitten in der Entwicklung der Bücher zur zweiten Staffel und es steckt wirklich so viel in «Sankt Maik». Wir haben es geschafft, in Staffel eins einige Geheimnisse zu bewahren. Und gerade bei unserer Hauptfigur Maik gilt es noch einiges zu entdecken. Und das Tolle ist, dass Daniel Donskoy das mit einer solch unglaublichen Energie spielt.

Wenn ich nochmal zu den Stichpunkten komme. Dann sage ich: 80er, Cop, Koma – jeder weiß Bescheid. Ich sage: Anwältin, 1 Euro, Klapptisch. Jeder weiß Bescheid. Und bei «Sankt Maik» sage ich: Kleingauner wird Priester?
Ich würde noch die Stichworte leidenschaftlicher Hauptdarsteller und Zölibat in den Raum werfen.

Wie wichtig sind denn solche klaren Versprechen auch für den Zuschauer, der das neue Format nicht kennt?
Neben dem Titel der Serie sind diese prägnanten Aussagen das Wichtigste, um eine neue Serie zu setzen. Sie entscheiden, vermutlich sogar noch vor dem Hauptdarsteller, ob der Zuschauer einschaltet. Man hat das an «Danni Lowinski» gesehen. Jeder konnte mit der kurzen Beschreibung „Friseurin wird Anwältin“ etwas anfangen und wusste sofort, worum es geht. Das macht auch einen guten Pitch aus.

Ich persönlich finde den Casting-Prozess unfassbar wichtig. Es ist entscheidend, dass man gemeinsam, also Regie, Redaktion und Produktion, die Vorschläge diskutiert und nicht aufhört zu casten, bis man den idealen Darsteller gefunden hat.
Produzentin Ulrike Leibfried
Mit Daniel Donskoy haben Sie einen Hauptdarsteller gewählt, den kaum jemand kennt. Das ist mutig, gilt doch sonst immer die Maxime, dass man bekannte Leute besetzt, um über deren Namen vor dem Start nochmal Schlagzeilen zu generieren.
Wie bekannt waren Henning Baum und Annette Frier vor ihren Serien? Sie waren zumindest keine großen Stars, die täglich in den Zeitungen standen. Man darf das nicht verwechseln. Sie wurden vielleicht durch ihre Serien zu richtigen Stars. Wenn ich mich zurückerinnere: Wir haben mit Ausnahme von Veronica Ferres in «Die Patin», ebenfalls für RTL, eigentlich nie die ganz großen Namen besetzt. Denken Sie zum Beispiel an «Doctor’s Diary». Florian David Fitz und Diana Amft wurden erst durch die Serie richtig bekannt. Wir haben bei «Sankt Maik» lange überlegt, wie die Figur des Maik aussehen könnte. Mehr Gauner oder mehr Pfarrer. Ich persönlich finde den Casting-Prozess unfassbar wichtig. Es ist entscheidend, dass man gemeinsam, also Regie, Redaktion und Produktion, die Vorschläge diskutiert und nicht aufhört zu casten, bis man den idealen Darsteller gefunden hat. Meistens ist es übrigens so, dass der Schauspieler, mit dessen Agentur man vorher 20 Mal telefoniert hat, weil man ihn so unbedingt will und der bestens zu passen scheint, am Ende nicht der Richtige ist. Am Ende wird oft die Person besetzt, die man sich zuerst gar nicht auf dem Schirm hatte. Im Falle von «Sankt Maik» hatte unsere Casterin Iris Baumüller einen „Joker“ in der Tasche. Das war Daniel Donskoy, den wir für das Casting extra aus London eingeflogen haben. Ich persönlich kannte ihn vorher nicht, aber er hat uns alle sofort überzeugt. Natürlich waren auf der ersten Wunschliste auch die üblichen Verdächtigen dabei. Doch Daniel und Bettina Burchard, unsere weibliche Hauptrolle, haben sich durchgesetzt.

RTL hat 2017 schon Serien gezeigt, die man jetzt nicht als Flop bezeichnen kann, die aber nicht verlängert wurden. Was haben Sie von «Bad Cop», «Triple Ex» und Co. lernen können?
Keine der Serien war ein Flop. Ein richtiger Flop wäre momentan ein Format, das durchgängig deutlich einstellig läuft. Und Quote sagt natürlich nicht unbedingt etwas über die Qualität der Serie aus. Jede der von Ihnen genannten Serien hatte aber ihre Zuschauer, auch «Triple Ex» - ebenfalls eine UFA-Produktion. Sehr häufig spielt das Timing eine große Rolle. Und man muss den Zeitgeist treffen. Bei «Deutschland83» zum Beispiel war schon während der Dreharbeiten erkennbar, dass vieles passt. Vielleicht hätten wir zwei Jahre später nicht einen solchen Impact gehabt. Sowas lässt sich nicht immer kalkulieren.

«Sekretärinnen» ist da ein gutes Beispiel?
Die Serie holt jetzt im Re-Run sehr starke Quoten, die sie im First Run nicht hatte. Wir hatten einst «Die Draufgänger» konkret für den Donnerstag konzipiert. Die Serie hatte um die 15 Prozent im Schnitt, was heute prima wäre. Damals war es den Ansprüchen aber nicht ganz entsprechend. Es sind also viele Faktoren, die darüber entscheiden, ob es zweite Staffeln gibt.

Sie haben in Ihrer Karriere viele Serien gemacht. Von «Abschnitt 40» über «Doctor’s Diary» bis hin zu «Doc Meets Dorf». Woran erinnern Sie sich besonders gern?
Bei «Abschnitt 40» war ich noch sehr jung, ich habe als Producerin gearbeitet. Es war eine tolle Zeit. Danach bin ich zum Sender gegangen, habe viele Serien betreut und schließlich bin ich zur UFA gewechselt. Ich hoffe, dass man jedem meiner Projekte die Leidenschaft für die jeweiligen Figuren und Geschichten ansieht. Dass «Doc Meets Dorf» nach nur einer Staffel zu Ende ging, hat mich damals wirklich traurig gemacht. Ich habe sehr für eine Fortsetzung gekämpft. Auf «Deutschland83» bin ich natürlich stolz, aber das ist auch leicht zu sagen, wenn man mit so vielen Preisen ausgezeichnet wird.

Wenn man eine Serie konzipiert, sollte man darauf achten, dass man auch immer wieder Momente setzt, die Hoffnung geben. Schwer verträglich hingegen sind Stoffe, die dem Zuschauer nur einen Schlag ins Gesicht versetzen und ihn dann damit zurück lassen.
Produzentin Ulrike Leibfried
Wie viel Humor braucht denn heute eine Serie? Alle neuen RTL-Formate sind mit genügend ausgestattet.
Ich glaube nicht, dass es da konkret nur um Humor geht. Wir befassen uns mit genau dieser Fragestellung sehr intensiv. Ich glaube, es geht auch um Emotionen und um Hoffnung. «This Is Us», der US-Megaerfolg, ist kein witziges Format. Aber es ist emotional, hoffnungsvoll und umarmend. Emotionen sind also der große Trend. Wenn man eine Serie konzipiert, sollte man darauf achten, dass man auch immer wieder Momente setzt, die Hoffnung geben. Schwer verträglich hingegen sind Stoffe, die dem Zuschauer nur einen Schlag ins Gesicht versetzen und ihn dann damit zurück lassen. Das mag vielleicht mal für einen Abend funktionieren, aber nicht durchgängig erfolgreich in Serienform.

Welche Serien haben Sie geprägt?
Ich bin ein Kind der 80er. Damals hatten wir drei Sender. Deshalb waren das Formate wie «Magnum», «Ein Colt für alle Fälle» oder auch «Diese Drombuschs». In der Kindheit habe ich also keine Arthouse-Serien geschaut, vermutlich auch, weil es diese damals noch nicht gab. Heute mag ich die große Bandbreite. Ich habe «The Crown» und «Stranger Things» verschlungen, verpasse aber auch abseits des Serienbereichs zum Beispiel keine Folge von «Let’s Dance».

Bei «Doctor’s Diary» haben Sie Elyas M’Barek bekannt gemacht. Er wird zum Start nun mit «Fack Ju Göhte» gegen Sie antreten. Eine bittere Pille für Sie?
Eigentlich ist es ja eine Ehre, dass uns Sat.1 so ernst nimmt, dass sie gegen uns eine so erfolgreiche Kino-Reihe zeigen. Ich weiß, dass die Programmierung der Programme nichts mit den Menschen zu tun hat, die sie hergestellt haben, entsprechend bin ich da weder Bora noch Elyas jetzt böse. Für mich ist eigentlich eine andere Programmierung viel schwerwiegender.

Aber rein aus Produzentensicht gesprochen, ist diese Programmierung eine Katastrophe.
Die «Sankt Maik»-Produzentin Ulrike Leibfried über die Sat.1-Entscheidung, Staffel 2 von «Einstein» ebenfalls dienstags zu programmieren
Die von «Einstein» dann ab Februar?
Ganz genau. Ich weiß, dass Sender immer ihre Sendeplätze schützen wollen. Aber rein aus Produzentensicht gesprochen, ist diese Programmierung eine Katastrophe. Ich denke, ich spreche da auch für den von mir sehr geschätzten Michael Souvignier, der in «Einstein» viel Liebe, Zeit und Energie gesteckt hat. Genauso wie wir es auch bei «Sankt Maik» getan haben. Und bei aller Konkurrenz zwischen RTL und Sat.1 glaube ich, dass keinem geholfen ist, wenn zwei deutsche Serien parallel gezeigt werden. Da können eigentlich beide nur verlieren. Und es geht doch vor allem darum, gemeinsam die Serienfans wieder ins lineare Fernsehen zu holen.

Danke für das Interview.
21.01.2018 11:09 Uhr Kurz-URL: qmde.de/98491
Manuel Weis

super
schade

94 %
6 %

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Tags

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Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
22.01.2018 13:40 Uhr 3
Ich habe nichts gegen Fall-der Woche-serien, aber die müssen auch gut geschrieben sein. Die Kritiken lesen sich eher mau. Wahrscheinlich wird der Hauptdarsteller zum Star und die Serie ist schnell vergessen.
medical_fan
22.01.2018 17:11 Uhr 4
DIe Fälle sind eher so pseudo, und so richtig verständlich ist das Konzept nicht.

Es gibt keine richtige rote Linie, und jemand der sich nicht dauernd übers Fernsehen informiert, wie ich, wird es schwierig finden in die Story reinzufinden bzw. zu verstehen um was es da überhaupt geht.

Wie Manuel Weis schon treffend fragte was man mit der Serie verbinden könnte bzw. wie man die Serie in einem Satz zusammenfassen kann.

Danni Lowinski: Ex Frisieurin studiert Jura, und hilft den kleinen Leuten mit 1€/Minute mit dem Recht.

Der letzte Bulle: Verwundeter Cop aus den 80ern wacht in der Gegenwart auf und muss sich nun mit den Veränderungen der Welt auseinandersetzen und der Trennung von seiner Frau klarkommen.

Bad Cop: Krimineller schlüpft, um nicht entdeckt zu werden und sich um dessen Familie zu kümmern, in das Leben seines Bruders.

Kann man alles leicht herausfinden während der Pilotfolge, bei Sankt Maik ist dies allerdings sehr schwierig....
Sentinel2003
22.01.2018 19:24 Uhr 5


"Doppelter Einsatz" war auch Klasse und Genial! Diese Serie vermisse ich auch! Anscheinend kann und möchte dieser Sender in Sachen Fiktion nur noch Comedy machen...wie voll ätzend.
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