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Die Kritiker: «Bad Banks»

Die sechsteilige ZDF-Serie will keine suggestive Erzählung über die Exzesse der Hochfinanz sein – nicht nur zumindest. Stattdessen glänzt sie mit klug erzählten Drehbüchern und erlaubt eine authentische Begegnung mit ihrem Milieu.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Paula Beer als Jana Liekam
Barry Atsma als Gabriel Fenger
Désirée Nosbusch als Christelle Leblanc
Albrecht Schuch als Adam Pohl
Mai Duong Kieu als Thao Hoang
Tobias Moretti als Quirin Sydow
Jean-Marc Barr als Robert Khano
Jörg Schüttauf als Peter Schultheiß
Marc Limpach als Luc Jacoby

Hinter der Kamera:
Produktion: Letterbox Filmproduktion und Iris Productions
Idee: Lisa Blumenberg
Headautor: Oliver Kienle
Writers' Room: Jana Burbach, Jan Galli
Regie: Christian Schwochow
Kamera: Frank Lamm
Produzenten: Lisa Blumenberg und Nicolas Steil
Jana Liekam (Paula Beer), eine junge, talentierte Investmentbankerin, macht den Kardinalfehler ihres Milieus: Bei einem Gespräch mit einem Kunden überstrahlt sie ihren weniger kompetenten Kollegen, dessen Assistentin sie eigentlich ist und bei dem es sich zudem um den Sohn des Vorstandsvorsitzenden ihres Hauses handelt. Die Kündigung folgt auf dem Fuße. Doch noch während sie in der Tiefgarage einen Nervenzusammenbruch hat, naht die Rettung: Ihre direkte Vorgesetzte Christelle Leblanc (Désirée Nosbusch), die sie gerade gefeuert hat, vermittelt ihr einen Job als Strukturiererin bei einer Frankfurter Großbank, der Deutschen Global Invest.

Ihr dortiger Chef, der Niederländer Gabriel Fenger (Barry Atsma), ist ein anderer Typ Großbanker als die akkuraten Anzug- und Kostümträger, die den Kern der Vorstands- und Managementriege bei Janas ehemaligem Arbeitgeber in Luxemburg ausgemacht haben: Fenger ist einer dieser windigen Typen, deren Parodie mittlerweile wohl bekannter und verbreiteter ist als ihr Typus in der Realität, der mit Nonsens-Anglizismen um sich wirft und depperte Brainteaser in Bewerbungsgespräche einbaut, ein yuppiehafter Karrierist, schnöselig, rücksichtslos, kaltschnäuzig. Das sind die gesetzten Damen und Herren zwischen Esch-sur-Alzette und Ettelbrück zwar auch, aber nicht so offensichtlich. Dennoch: In der Figur Fenger zeigt sich bereits, dass «Bad Banks» die inneren Widersprüche nicht scheut, dass ihr Denken vielschichtiger und ihre Beschäftigung mit dem Milieu komplexer ist als in vielen anderen deutschen Fernsehfilmen und -serien, die sich dieses Berufszweiges thematisch annehmen. Denn Fenger hält sich vielleicht nicht für einen ethisch besonders integeren Mann, geht aber doch davon aus, dass seine Tätigkeit im Kern sinnvoll, wichtig und auf ein allgemeines Wohl gerichtet ist.

Zunehmend jedoch werden die Aktivitäten der Deutschen Global Invest ins Illegale gehen – und mittendrin wird Jana Liekam sein, die von Christelle Leblanc weitere Unterstützung bei schwierigen bis unmöglichen Aufgaben erhält, ihr dafür aber kompromittierendes Material über die Konkurrenz beschaffen muss, das ihr beim Ausbau ihrer Macht in der Finanzwelt helfen soll. Diese Ereignisse werden schließlich – das nimmt die Eröffnung bereits vorweg – in einen Bank Run münden, wie ihn Deutschland in der Nachkriegszeit noch nicht gesehen hat.

Insgesamt kann diese Produktion durch vieles positiv auffallen, das sie vom Gros der in Deutschland hergestellten Serien abhebt: Sie ist sehr gut geplottet, die psychologische wie faktische Plausbilität erreicht ein sehr hohes Maß, das weit über den Normalzustand deutscher Serienproduktionen hinausgeht. Trotz mancher Überspitzungen ist der hier vorgeführte Gang der Ereignisse tatsächlich unter den gegebenen Umständen vorstellbar, und auch die Figuren sind nah an einer gewissen Realität geführt: einer Realität der Eiseskälte, des brutalen Korporatismus, der zum Konsens erhobenen Illoyalität, aber eben auch einer Realität, die besonders auf herausragend intelligente Menschen mit pluralistischen, multikulturellen Idealen eine enorme Anziehungskraft ausüben kann.

Ein kluger Schritt von «Bad Banks» ist es, das nicht nur als Anklage an ein gerne als verkommen und dekadent gezeichnetes „Finanzsystem“ einzuführen, sondern auch psychologisch zu hinterfragen: Nicht nur in (manchmal zu didaktischen) Passagen dürfen die Charaktere über das „Warum?“ ihrer persönlichen Handlungen und Einstellungen sowie der Rahmenbedingungen ihres Metiers reflektieren: Diese Reflexion findet vielmehr auch implizit, dramaturgisch unterschwellig, dabei aber nie unangenehm suggestiv statt: Dann, wenn sich durch Krankheit, Schicksalsschläge oder den Verlust sicherheitsstiftender Gewissheiten die Prioritäten der Charaktere verschieben – oder eben nicht.

Die meiste Zeit über fällt die Serie durch eine intelligente, differenzierte Betrachtung ihres Milieus auf, die nur stellenweise (bei längeren Monologen über das „Immunsystem des Kapitalismus“) ins Schwülstige, Überzogene, Simplifizierte abdriftet. Ebenso sorgen zwei anerzählte Dreieckskonstellationen – eine um Janas Beziehung zu ihrem luxemburgischen Partner und dessen Ex-Frau, eine andere um eine jung verstorbene Weggefährtin von Gabriel Fenger und seinem Rivalen Quirin Sydow (Tobias Moretti), die noch dazu als emotionale Grundlage für einige essentielle Entwicklungen herhalten muss – für eine unnötige Abschwächung der ansonsten inhaltlich gelungenen Sezierung des nihilistisch-soziopathischen Großbanker-Milieus.

Letztlich hat «Bad Banks» jedoch das selbe Grundproblem wie die meisten Stoffe über dieses Sujet, die gleichzeitig relevante Analysen über die realen Exzesse der Hochfinanz sein wollen: Ähnlich wie «The Wolf of Wall Street», «Margin Call» oder «The Big Short» begnügt sich «Bad Banks» oft zu sehr mit der Darstellung des ethisch Abartigen und gesellschaftlich Obszönen, das umso abstoßender wirkt, wenn es von intellektuellen, beruflich besonders erfolgreichen und gesellschaftlich exponierten Persönlichkeiten gelebt wird.

Gleichzeitig ist es freilich eine Auszeichnung – gerade für eine deutsche – Serie, wenn gegen sie nur ähnliche Kritikpunkte vorgebracht werden können, mit denen sonst gelungene und preisgekrönte amerikanische Produktionen rezensiert werden. Und tatsächlich: «Bad Banks» ist eine von wenigen tatsächlich modernen deutschen Serien, die diese Modernität nicht als Vorwand nehmen, um mit abgestandenen Konstellationen und anmaßender Jugendsprache eine jüngere Zielgruppe zu erhaschen: In ihrem Look wie in ihrer Erzählung wie in ihrer Figurenführung ist sie verankert in einer europäischen Modernität, sowohl hinsichtlich ihrer Themen als auch hinsichtlich ihrer Narrative und ihrer Inszenierung.

Und trotzdem ist «Bad Banks» doch ein bisschen Etikettenschwindel: Denn der Titel lässt eine ähnliche Stoßrichtung erwarten, die man aus der deutschen Problemfilm-Dramaturgie kennt: eine suggestive Erzählung über kalte, menschenverachtende, psychopathische Drecksäcke, die den kleinen Mann über den Tisch ziehen, um sich dann noch an seiner Misere zu ergötzen. Und obwohl «Bad Banks» auch diese Haltung in ihren Diskurs miteinschließt, geht dieser Diskurs doch weit darüber hinaus und entwickelt gleichsam psychologische wie soziale wie milieu-spezifische Erklärungsansätze dafür, warum das alles so ist, wie es ist: und all das neben einer packenden und sehr gut erzählten Geschichte.

Das ZDF zeigt 6 Episoden von «Bad Banks» am 3. März ab 21.45 Uhr, am 4. März ab 22.00 Uhr und am 5. März ab 22.15 Uhr, jeweils in Doppelfolgen. In der ZDF-Mediathek sind bereits alle Episoden verfügbar.
02.03.2018 03:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/99389
Julian Miller

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Tags

Bad Banks Margin Call The Big Short The Wolf of Wall Street

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