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Die Kritiker: «Die Firma dankt»

Yuppie-Führungskräfte treffen auf einen anständigen deutschen Manager. Der wirtschaftliche Culture Clash aus der Feder von Paul Harather hat ein Haltungsproblem...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Thomas Heinze als Adam Krusenstern
Ludwig Trepte als Sandor
Fabian Hinrichs als John
Nora Waldstätten als Ella
Gloria Endres de Oliveira als Mayumi

Hinter der Kamera:
Produktion: SWR
Drehbuch und Regie: Paul Harather
nach einem Bühnenstück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz
Kamera: Andreas Schäfauer
Eine anständige, aber altmodisch geführte deutsche Firma wird von einem amerikanischen Konsortium geschluckt. Es kommt, wie es kommen muss: Mit menschlich banalen, aber juristisch stichhaltigen Vorwürfen wird nahezu das gesamte höhere und mittlere Management zum Rücktritt gezwungen. Von der alten Garde bleibt nur Adam Krustenstern (Thomas Heinze) übrig – warum genau er, das weiß er selber nicht. Ungeachtet dessen wird er zu einem Wochenende auf einen Landsitz eingeladen, wo er auf die allerhöchste neue Riege des Unternehmens trifft.

Diese Leute sind freilich unkonventionell – und verkörpern jedes albtraumhafte Klischee, das anständige deutsche Geschäftstreibende von ihren Kollegen aus der New Economy haben: Der neue Personalchef John (Fabian Hinrichs) ist ein schnöseliger Typ, herablassend, eitel, selbstgefällig, unangenehm jovial und entmenschlicht. Ihm zur Seite steht die Personaltrainerin Ella (Nora Waldstätten), die nach außen hin ruhig und besonnen aufzutreten scheint, dem exzentrischen Unsinn ihrer Kollegen aber entweder nichts entgegensetzen kann oder will. Koordiniert wird Krusensterns Aufenthalt von der jungen Assistentin Mayumi (Gloria Endres de Oliveira), die millenial-mäßig mit allerhand „Sorrys“ die Hand nie weit vom Smartphone entfernt hat, Krusenstern anständig seinen Tee bringt, dabei allerdings das anscheinend wichtige Briefing über den weiteren Gang der Ereignisse vergisst, bevor sie mit Sandor (Ludwig Trepte) in der Sauna verschwindet, der sich später obszön darüber auslässt.

Vor allem Sandor wird zunehmend der Fokuspunkt von Krustensterns stetig steigender Verärgerung über die ganze Veranstaltung. Genauso wie John schmeißt Sandor mit den Silicon-Valley-Buzzwords nur so um sich, dass einem fast der Smoothie aus der Hand fällt. Er kommt zu spät zu allem, hört nicht richtig zu, sitzt nicht anständig am Tisch, macht sich keine Notizen, trägt sein Desinteresse am Spezifischen ostensibel zur Schau. „Man hat Respekt und Umgangsformen! Und erst dann kommt die fachliche Kompetenz!“, brüllt Krusenstern seinen Frust aus sich heraus: Er, der große deutsche Innovationsmanager, der zwanzig Jahre am Erfolg des Unternehmens maßgeblich beteiligt gewesen sein will, gegen einen dahergelaufenen Typen, der halb so alt ist wie er, sich lächerlich kleidet, sich aus den preußischen Sekundärtugenden nicht viel macht und den großen Leistungen von Krusenstern – die natürlich eine Synekdoche auf die gewachsene Kraft alteingesessener anständiger deutscher Firmen als Ganzes sind – nicht viel macht. Da denkt Krusenstern noch, Sandor sei sein Untergebener, allenfalls mit ihm auf Augenhöhe, aber nie im Leben der, der über sein berufliches Schicksal entscheiden wird.

Sandor hingegen ist fasziniert von Krusenstern, besonders von seinem Hass: Als Krusenstern im Unternehmen angefangen hat, ging Sandor noch nicht einmal zur Schule, in einer Welt ohne Handys, ohne Internet, ohne Globalisierung. Überhaupt nicht vorstellbar für den Yuppie, doch der alte, anständige Manager hat es erlebt. An anderer Stelle oszilliert Krusenstern vom Aggressiven ins Depressive: dann, als er erfährt, warum er als einziger der alten Managerriege überlebt hat und zu diesem exzentrisch-nonsensikalen Retreat eingeladen wurde: John und Sandor hatte sein Name gefallen. Seine Leistungen, seine Verdienste, die unbändige Lebensenergie, die er über Jahrzehnte in dieses Unternehmen gesteckt hat, was seine Ehe und seine Beziehung zu seinem Kind zerstört hat: All das interessiert keinen Menschen. All das ist nichts wert.

An dieser Stelle hat uns «Die Firma dankt» tatsächlich etwas Sinnvolles, etwas Wertvolles zu sagen. Schade, dass sich der Film die meiste Zeit über aber mit abgeschnittenen Zöpfen und albernen Karikaturen zufrieden gibt, die all seine Versuche einer substanziellen Kritik leider vollständig entwerten. „Das Neue ist kein Wert an sich“, konstatiert Krusenstern in einer Szene. Damit hat er recht. Aber das Alte eben auch nicht, und Erfahrung genauso wenig: Man kann seine Sache auch vierzig Jahre lang völlig falsch machen.

Und hier entfaltet der Film seine ganze Bräsigkeit: indem er das Neue als aufgeblasenes, unmenschliches Gefasel von soziopathischen Wüterichten abtut, die den ehrenwerten bürgerlichen Führungskräften mit ihren Grundüberzeugungen von Fleiß, Disziplin und Gehorsam das Wasser abgraben. Die Sympathie von «Die Firma dankt» liegt allein beim betriebsam-altmodischen Krusenstern. Doch der offenbart Züge, die ähnlich befremdlich sind wie Sandors nihilistische Auffassung vom Big Business und Johns zum Dogma erhöhte Planlosigkeit. Krusenstern hängt sich den ganzen Film über an Kleinigkeiten auf: Dass bei seinem Vortrag nicht alle am Tisch sitzen und ihm nicht ordentlich zuhören (obwohl er nichts Wichtiges zu sagen hat), dass diese sonderbare Company Retreat ohne Ablaufpläne und konkrete Zielsetzungen stattfindet, dass seinen (stets im Unklaren gelassenen) Leistungen nicht die Wertschätzung entgegengebracht wird, die er für angemessen hält. Diese Kleinkariertheit macht ihn nicht gerade zum Sympathieträger.

Ohnehin liegen die Kritikpunkte, die man den hier vorgebrachten Vertretern der „neuen“ Geschäftswelt entgegenbringen könnte, an ganz anderer Stelle: die Intransparenz, die Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten und –freiheiten, die fehlende Haltung im gesellschaftlichen Kontext. Dass die „neuen“ Führungsriegen nicht artig am Tischchen Platz nehmen und brav zuhören, was der große deutsche Ingenieur so von sich absondert, scheint vor diesem Hintergrund eher ein Randproblem.

Aber Krusenstern steigt in der „modernen“ Welt mit ihren Anglizismen nicht mehr durch. „Es gibt so viele schönere deutsche Worte als dieses Sorry!“, raunzt er die unangenehm mäuschenhafte Mayumi an, und man denkt für einen Moment, hier spreche Jens Spahn: ein Vertreter des Überkommenen, ein Überbleibsel der Welt von gestern, der sich gekünstelt in irrelevanter Identitätspolitik echauffiert, um daraus (politisches) Kapital zu schlagen. Noch eine Parallele: Ähnlich wie Jens Spahn zelebriert auch «Die Firma dankt» das Verwalten des Bestehenden anstelle des Aufbruchs in die Zukunft. Nichts zu danken!

Das Erste zeigt «Die Firma dankt» am Mittwoch, den 28. Februar um 20.15 Uhr.
27.02.2018 06:24 Uhr Kurz-URL: qmde.de/99308
Julian Miller

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Die Firma dankt

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