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«Here and Now»: HBO im Hier und Jetzt?

Alan Balls neue HBO-Serie will auf Biegen und Brechen aktuell sein und einen kosmopoliten Gegenentwurf zu Trumps weißem Ethno-Amerika erzählen. Leider ist sie dabei zu didaktisch.

Cast & Crew

Produktion: Your Face Goes Here Entertainment und HBO Entertainment
Schöpfer: Alan Ball
Darsteller: Holly Hunter, Tim Robbins, Jerrika Hinton, Raymond Lee, Daniel Zovatto, Sosie Bacon, Joe Williamson u.v.m.
Executive Producer: Alan Ball, Peter Macdissi und David Knoller
Der Titel verrät bereits eine der Kernambitionen: «Here and Now» will unbedingt im Hier und Jetzt spielen – und dieses Hier und Jetzt auch zeitlich wie örtlich zu erkennen geben; sprich: ein Amerika nach der Wahl 2016, die von einem breiten Konsens ambitionierter moderner amerikanischer Serien als einschneidende Zensur im gesellschaftlichen Leben und im kulturellen wie politischen Selbstverständnis des Landes betrachtet wird. «Here and Now» geht erzählerisch als Reaktion auf dieses Ereignis den Weg, den bereits andere Formate gegangen sind: den einer dezidiert progressiven Gegenöffentlichkeit, die die Mehrheit der Amerikaner weiterhin verkörpert.

Die Anwältin Audrey (Holly Hunter) und der Philosophieprofessor Greg (Tim Robbins) sind ein älteres Ehepaar und stolze Eltern von vier Kindern, drei davon aus verschiedenen Erdteilen adoptiert: Ashley (Jerrika Hinton) aus Liberia, mittlerweile Betreiberin eines Online-Mode-Shops. Duc (Raymond Lee) aus Vietnam, der heute als Life Coach arbeitet. Ramon (Daniel Zovatto) aus Kolumbien, der Video-Game-Design studiert. Und Kristen (Sosie Bacon), das einzige leibliche Kind von Audrey und Greg, das gerade die High School hinter sich bringt und dabei ausgiebig seine Sexualität erkundet.

Diese Konstellation ist in einer ethnopolitisch so aufgeladenen Welt wie unserer natürlich schon in sich ein Politikum. Der Kardinalfehler von «Here and Now» dürfte darin bestehen, dass die Serie es nicht dabei belassen kann, dass sie diese Haltung nicht als starken Hintergrund für ihre Geschichte und ihre Erzählung verwendet, sondern dass sie ihre grund-progressive Position ständig lautstark betonen zu müssen glaubt.

Diese Abwesenheit von Subtilität, die – so viel darf man spekulieren – vielleicht aus einem fehlenden Vertrauen in die Stärke der Narrative und die Faszination an den Charakteren herrührt, ist nicht zuletzt im Kontext mit dem Gesamtwerk ihres Schöpfers Alan Ball erstaunlich: Denn mit «American Beauty» hat Ball einmal die moderne heuchlerisch-konservative pittoresk amerikanische Vorstadtgesellschaft so klug und folgerichtig dekonstruiert wie das in der jüngeren Filmgeschichte kaum einem anderen Autor gelungen ist. Wenige Jahre später gelang ihm mit «Six Feet Under» eine Serie, die mit großem erzählerischen Fingerspitzengefühl und einem ausgereiften Sinn für psychologische Feinheiten das Makabere mit dem emotional Aufrichtigen, das Düstere mit dem Nahbaren zu verbinden verstand.

«Here and Now» ist jenseits seiner marktschreierisch vorgetragenen politischen Ambition dagegen frustrierend leer und der Duktus, den Ball für eine neue Serie gewählt hat, ist unangenehm – und vor allem unnötig – didaktisch. Mit Gewalt werden hier vermeintliche gesellschaftliche Brandthemen in Dialoge gepresst und Charakteren Haltungen aufgezwungen, zu mühselig wirkt das Panoptikum der amerikanischen Gesellschaft konstruiert, um jedwede marginalisierte oder diskriminierte Gruppe – Schwule, Transsexuelle, Moslems, Afroamerikaner, etc. – aufzunehmen. In den schlimmeren Momenten wirken sie zur Schau gestellt.

«Here and Now» hätte gut daran getan, sich auf seinen erzählerischen Kern – die Geschichte um die kosmopolit-progressive Familie – zu konzentrieren und die kosmopolit-progressiven Haltungen dezidiert im Hintergrund zu halten: nicht um sie unter den Teppich zu kehren, sondern um sie als die Normalität zu präsentieren, die sie sind. Die Zuschauer hätten es verstanden, und diese Serie hätte durch eine psychologischere, einnehmendere Erzählweise, womit Ball schon in vielen anderen Projekten beeindruckt hat, eine viel stärkere Wirkung entfalten können. So dagegen wirkt sie wie ein schulmeisterliches Lehrstück, das beim progressiv-linksliberalen HBO-Publikum ohnehin offene Türen einrennt – und so überhaupt nicht da ankommt, wo es gebraucht würde.

«Here and Now» ist seit 12. Februar 2018 in englischer Sprache bei Sky Go und Sky on Demand erhältlich. Ab dem 28. März sind die zehn Episoden wahlweise auf Deutsch oder im Original immer mittwochs um 20.15 Uhr auf Sky Atlantic HD zu sehen – zum Start in einer Doppelfolge, ab dem 4. April dann mit jeweils einer Episode pro Woche.
16.02.2018 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/99079
Julian Miller

super
schade


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American Beauty Here and Now Six Feet Under

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