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«Downsizing»: Kleine Leute, große Probleme, mittelschwere Katastrophe

Alexander Paynes «Downsizing» ist zäh, unkonzentriert, unsubtil und dennoch wenig aussagekräftig.

Filmfacts: «Downsizing»

  • Regie: Alexander Payne
  • Produktion: Mark Johnson, Alexander Payne, Jim Taylor
  • Drehbuch: Alexander Payne, Jim Taylor
  • Darsteller: Matt Damon, Christoph Waltz, Hong Chau, Kristen Wiig
  • Musik: Rolfe Kent
  • Kamera: Phedon Papamichael
  • Schnitt: Kevin Tent
  • Laufzeit: 135 Minuten
  • FSK: ohne Altersbeschränkung
Was passiert, wenn jemand den existentialistischen «Die Truman Show»-Humor in einer verwässerten Form nimmt, über ein unsympathisches «Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft» gießt, eine große Prise "Das unfassbare Leiden des Durchschnittsamerikaners"-Oscar-Baiting hinzugießt und dann noch Hong Chau, die Tochter vietnamesischer Auswanderer, dazu überredet, eine grelle, an Rassismus grenzende Karikatur vietnamesischer Immigranten zu spielen? Eventuell kommt aus diesem wüsten, grobschlächtigen Mix so etwas wie «Downsizing» heraus. Der neue Film von «Nebraska»-Macher Alexander Payne ist eine konfuse, zähe, nichtssagende Luftnummer, die aus Paynes Schaffen hervorsticht wie ein rostiger Nagel. Leider nicht wie ein Mininagel, sondern wie ein gigantischer Industrienagel.

«Downsizing» beginnt damit, dass engagierte skandinavische Wissenschaftler eine Methode entwickeln, um Menschen auf einen Bruchteil ihrer Größe zu schrumpfen. Sie erhoffen sich davon die Lösung zahlreicher globaler Probleme: Überbevölkerung, Ressourcenverbrauch, Abfallberge. Einige Jahre später fasst die Schrumpferei auch in den USA Fuß. "Die Kleinen" werden zwar von "den Normalen" verwundert angeschaut, teils sogar verachtet. Und manche behaupten, dass "die Kleinen" dadurch, dass sie sich in ihre kleinen Parallelgesellschaften fliehen und viel weniger verbrauchen, der Wirtschaft schaden. Aber nicht wenige feiern ihre Downsizing-Entscheidung, reicht ein kleines Erspartes doch plötzlich für ein langes Leben in Saus und Braus.

Einer, der sich durch diese wirtschaftlichen, luxuriösen Versprechungen locken lässt, ist der mittelständige Therapeut Paul Safranek (blass: Matt Damon). Und selbst wenn Alexander Paynes und Jim Taylors Skript schon von Anfang an nur durch seine Situationen mäandert, hat die anfängliche Gegenüberstellung von "Neue Methoden zum Allgemeinwohl nutzen" und "Ich bin mir über das Allgemeinwohl nicht im Klaren, aber wenigstens geht's mir super" Pepp und satirischen Biss – nicht zuletzt aufgrund der übertrieben gut gelaunten Nebenrolle des «Wir sind die Millers»-Darstellers Jason Sudeikis. Doch dann schleppt sich Payne durch eine Abfolge an Szenen, die Paul dabei zeigt, wie er sich an sein neues Leben in "Leisureland" gewöhnt. Diese "Trockene Situationskomik in einer absurden, künstlichen Welt"-Passagen laufen spürbar konträr zu Paynes inszenatorischen Sensibilitäten, weshalb selbst eine halbwegs pointiert geschnittene Partyszene im Loft des großtuerischen Kleinganoven und Playboys Dusan Mirkovic (Chrisoph Waltz in einer waschechten Christoph-Waltz-Rolle, mit feistem Grinsen und serbischen Akzent) diesen auf nennenswerte Gesellschaftskritik verzichtenden Akt kaum zu vitalisieren weiß.

Dann holt Payne auf einmal den Holzhammer raus und verliert zudem jegliches Feingefühl in Sachen Charakterzeichnung, als Paul die Putzkraft/Aktivistin Ngoc Lan Tran kennenlernt. Die Golden-Globe-Nominierte Hong Chau bemüht sich redlich, eine warmherzige Performance einer gegen ihren Willen geschrumpften Frau abzugeben, die sich in einem fremden Land mit neuen kulturellen Gewohnheiten, einer neuen Sprache und der Ignoranz ihres Umfeldes zurechtzufinden versucht. Doch Chaus Schauspiel und redlich-herzliche Ambition werden jäh dadurch getrübt, wie Payne diese Rolle kontextualisiert und inszeniert:

Ngoc Lan Tran ist eine extrem überspitzte, grelle vietnamesische Karikatur in einem Film, der den weißen Mittelstand, skandinavische Umweltwissenschaftler und osteuropäische Lebemänner mit kriminellen Tendenzen in nuancierten Facetten zeichnet. Es wird unentwegt als Brüllergag verkauft, wie schlecht ihr Englisch (bzw. ihr Deutsch) ist, genauso wie ihr intensives soziales Engagement, das sie mit strenger Verbissenheit verfolgt, als Kuriosität verkauft wird, von der sich unser austauschbarer Protagonist trotzdem ein Stück (aber nicht zu viel!) abschneiden kann, um zu einem besseren Menschen zu werden.

Auf diese in staksendem Tempo vermittelte "Schau nur, wie viel Leid es in der Welt gibt und, haha, ist die widerborstige Asiatin nicht ulkig?!"-Parade, die kaum noch etwas aus dem Schrumpfgimmick des Films herausholt, wird gegen Schluss eine forcierte, in zähen Dialogen durchdeklinierte, keinerlei Funken versprühende Romanze gepfropft. Am Ende sind dann doch die normalen Mittelständer, die sich aus wirtschaftlichem Interesse zu gemeinnützigen Ideen durchringen können, die edelsten und daher begehrenswertesten Menschen. Und diese suggerierte, vielleicht unbeabsichtigte Aussage würde nicht so extrem böse auffallen und zum Kopfkratzen einladen, wäre Paynes Haken schlagender (oder eher: Schlangenlinien fahrender) Touribus durch die Welt der "Kleinen" nicht so eine mit Pathos geschmückte Klischeesammlung.

Fazit: Eine mittelgroße Katastrophe von einem Film, der die kleinen Schönheiten im Leben so zäh feiert, wie er die großen Probleme der Welt grobschlächtig adressiert.

«Downsizing» ist ab dem 18. Januar 2018 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
17.01.2018 13:05 Uhr Kurz-URL: qmde.de/98403
Sidney Schering

super
schade


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Tags

Die Truman Show Downsizing Nebraska Wir sind die Millers

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