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Die Kritiker: «Tatort: Dunkle Zeit»

In diesem stark politisch geprägten «Tatort» aus dem Norden versuchen die Kommissare Falke und Grosz den Mord an einem hochrangigen Funktionär einer rechtspopulistischen Partei aufzuklären.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke
Franziska Weisz als Julia Grosz
Anja Kling als Nina Schramm
Udo Schenk als Richard Schramm
Sophie Pfennigstorf als Paula
Patrick von Blume als Prof. Gerhard Schneider
Ben Braun als Benjamin Reinders
Jordan Dwyer als Vincent

Hinter der Kamera:
Buch: Niki Stein
Regie: Niki Stein
Kamera: Clemens Messow
Produktionsleitung: Holger Heinßen, Daniel Buresch
Der «Tatort: Dunkle Zeit» beginnt – natürlich nach dem institutionalisierten Vorspann – so ungewöhnlich wie aufregend: Donald Trump läuft durch Washington und grüßt seine Anhänger. Plötzlich gefriert das Bild und ein Fadenkreuz bewegt sich auf den Kopf des US-Präsidenten. Dann fallen Schüsse. Dieses fiktive Video stammt im Film aus der linken Szene und ist als Warnung an Rechtspopulisten zu verstehen: Ab jetzt wird eure Hetze nicht mehr geduldet und mit Gewalt beantwortet. Bereits in den ersten Minuten wird also deutlich, dass es sich beim dritten gemeinsamen Fall des Ermittlerduos Falke-Grosz um einen hochpolitischen «Tatort» handelt. Dieses Thema setzt sich auch im weiteren Plot fort:

Nina Schramm (Anja Kling), Fraktionsvorsitzende der „Neuen Patrioten“, wird immer häufiger Ziel von Hass-Posts und Morddrohungen. Falke und Grosz werden zu ihrem persönlichen Schutz abgestellt. Zum Leidwesen seiner Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) machen Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und die Rechtspopulistin keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung. Als Schramms Wagen durch eine Explosion zerstört und dabei ihr Ehemann Richard (Udo Schenk) getötet wird, melden rechte Netzwerke den Anschlag eines „linken Mobs“ und werfen der Polizei vor, tatenlos zu zuschauen. Für die Ermittler ergeben sich allerdings Ungereimtheiten in der medienwirksamen Kampagne der Rechtspopulisten, zumal im Hintergrund offensichtlich der Staatsschutz mitmischt.

Die rechtspopulistische Partei, in deren Umfeld ermittelt wird, orientiert sich sichtbar an ihrem realen Vorbild. Nicht nur die in blau gehaltenen Plakate, sondern auch die verklausuliert bis offen rechtsextremen Ansichten erinnern äußerst stark an eine Partei, die bei der zurückliegenden Bundestagswahl mit 12,6 Prozent der Wählerstimmen erstmals in den Bundestag einzog. Zudem ein Kurswechsel von einer Partei der Euroskeptiker zu einer rechtspopulistischen Bewegung beschrieben. Das Werk von Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein versucht also gar nicht, seinen politischen Anstrich zu verbergen, sondern gibt ein unmissverständliches Statement gegen Rechtspopulismus ab. Hier werden sich die Meinungen vermutlich spalten. Was die einen als «Tatort» mit klarer Haltung loben werden, ist für die anderen vermutlich zu explizit.

Das wiederum könnte jene reale Partei nutzen, um sich in die beliebte Opferrolle zu drängen, die auch innerhalb des Krimis immer wieder passend dargestellt wird. In dieser fühlen sich die Rechtspopulisten bekanntlich besonders wohl. Die Berichterstattung der Medien ist kritisch? Klar die „Systemmedien“ müssen ja obrigkeitshörig berichten. Linksautonome protestieren vor dem Parteigebäude? Die Polizei tut zu wenig und ist „auf dem linken Auge blind“. Sie hingegen haben aus eigener Sicht die Wahrheit gepachtet und haben den Mut diese auch auszusprechen. Die Parteimitglieder decken vom redegewandten Gesicht der Bewegung, über den Radikalen, bis hin zum gemäßigten Wirtschaftsexperten ein breites Spektrum ab.

Die beiden Figuren der linken Szene, deren Affäre einen nebensächlichen Handlungsstrang darstellt, wirken zunächst wie Klischees. Auf der einen Seite die punkige Autonome, mehrfach vorbestraft und Erfahren im Umgang mit der Polizei. Auf der anderen Seite der unbedarfte Junge, der noch bei Mama wohnt und seinen Idealen folgend ein bisschen Randale machen will. Allerdings ist einer der beiden Charaktere nicht das, was er zu sein scheint.

Ein weiteres Thema des Krimis ist das vermeintlich schwere Los der Polizisten. Von den Linken bekommen sie vorgeworfen, Nazis zu schützen und einen „Bullenstaat“ zu repräsentieren, von den Rechten, nicht genug für deren Schutz zu unternehmen. Zudem schieben sie aufgrund von Personalmangel Schichten von früh bis spät und bekommen das noch nicht einmal gedankt. Diesen Job übernimmt der Film dann direkt selber, indem er die aufopferungsvolle Arbeit unterstreicht, die die Beamten leisten. Obendrein funkt auch noch der Staatsschutz in die mühevolle Arbeit. Als Bundespolizist hat man es offensichtlich schwer und der Film wird nicht müde das zu betonen.

Bei aller politischen Ambition ist «Dunkle Zeit» natürlich in erster Linie ein Krimi, der nach bewährten dramaturgischen Mustern arbeitet. Es tauchen immer wieder Hinweise auf, die das bereits entstandene Bild ins Wanken bringen und die Ermittler zwingt, ihre bisherigen Überlegungen zu überdenken. Trotz diverser kleiner Wendungen, wird man das Gefühl nicht los, schon relativ früh die Verdächtigen auf eine gewisse Gruppe reduzieren zu können. Natürlich ist das Miträtseln des Zuschauers immer individuell, für den Autor dieser Zeilen war das jedoch ein dicker Minuspunkt. Nichts desto trotz sorgt der Plot für eine durchgehend gehaltene, solide Spannung. Auch für Action ist gesorgt, inklusive musikalisch unterlegten Auseinandersetzungen zwischen der linken Szene und Polizisten sowie komplett unerwarteten Maschinengewehrschüssen aus einem fahrenden Auto.

In Fall drei des Kommissar-Duos Falke-Grosz erfährt man recht wenig Privates über die beiden Ermittler. Während Falke in Gesprächen mit Nina Schramm und seinem Sohn zumindest noch seinen politischen Standpunkt deutlich macht, bleibt von Grosz nur hängen, dass sie so pflichtbewusst ihren Job erledigt, dass für Privates ohnehin kaum Zeit bleibt. Erfrischenderweise siezen sich die beiden Polizisten gegenseitig und bilden so einen Gegenentwurf zu den manchmal sogar zu eingespielten «Tatort»-Kommissaren, die untereinander Freundschaften pflegen. Zumindest die Vornamen werden ab dieser Episode verwendet. So behält sich die Reihe vor, die Beziehung zwischen den Charakteren in kommenden Folgen weiterzuentwickeln.

Der «Tatort: Dunkle Zeit» ist am Sonntag, den 17. Dezember 2017 im Ersten zu sehen
15.12.2017 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/97774
Christopher Schmitt

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Dunkle Zeit Tatort Tatort: Dunkle Zeit

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