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«Schlag den Henssler»: ProSiebens neue Kampfsau

Steffen Henssler tritt in die Fußstapfen von Stefan Raab. Die erste Ausgabe von «Schlag den Henssler» zeigte: Das kann ein großer Spaß werden. Unsere Kritik:

Das größte Hindernis für Steffen Henssler dürfte die Erwartungshaltung gewesen sein. Denn Stefan Raab hat den Leuchtturm der ProSieben-Samstagabendunterhaltung «Schlag den Raab» nicht nur deshalb maßgeblich und unverwechselbar geprägt, weil sein Name auch im Titel stand. Der Erfolg des Formats lag primär in seiner Person begründet, seinem unerbittlichen Ehrgeiz, seiner Freude am Wettbewerb, seinem anarchischen Sinn für Humor und seinem Talent, die perfekte Dosis Chaos in die geordnete Struktur einer solchen Sendung zu bringen.

Eigentlich wäre es unfair, an dieser Stelle wie auch immer geartete Vergleiche zwischen «Schlag den Raab» und «Schlag den Henssler» zu ziehen: Weil dies gerade erst die Premierenfolge der Henssler-Version war und Raab 55 Shows lang jede Menge Gelegenheiten hatte, zu glänzen. Und weil sich die goldenen Momente von «Schlag den Raab» bei den langjährigen Fans und Bewunderern des Formats eingebrannt haben: sein Ritt auf dem Freee, sein Kampf mit den Sportgeräten, seine ewigen Diskussionen mit dem Moderator, seine Glanzmomente auf Baggern und den obskursten Fahrzeugen, die Brainpool finden konnte, seine wilden Strategien. Der Modus der Punkteverteilung schraubte den Spannungsbogen den Abend über derweil kontinuierlich hoch, bis oft erst weit nach Mitternacht der Sieger feststand – zu diesen Stunden natürlich bei atemberaubenden Marktanteilen, die den Marktanteilsschnitt des Formats insgesamt noch einmal deutlich anhoben.

Nicht nur Steffen Henssler ist neu in diesem Format. Auch der Rest der Show-Familie musste ausgetauscht werden. Frank Buschmann verließ ProSiebenSat.1 in Richtung RTL, Steven Gätjen zog es zum ZDF. In der Kommentatorenkabine sitzt nun Elmar Paulke, der die Sportspiele angenehm witzig begleitet hat und nicht den Fehler machte, in die Fußstapfen von Buschis wortspielerischen Unikaten zu treten. Elton, der in «Schlag den Raab» immer nur für „Blamieren oder Kassieren“ aufgetreten war, kann derweil auch als abendfüllender Hauptmoderator des Formats glänzen. Souverän und charmant führte er durch die Sendung, plauderte bei einem Spiel ironisch-kameradschaftlich mit dem Publikum und bewahrte auch dann noch die nötige Ruhe, als das aus solchen Shows in Deutschland nicht wegzudenkende rote Telefon des Notars klingelte und Spielentscheidungen revidiert werden mussten.

Steffen Henssler wurde schon zu Beginn der Show von einer wuchtigen Off-Stimme als furchtlos, aggressiv und schmerzfrei angepriesen, drei der Kernkompetenzen, in denen er sich als würdiger Raab-Nachfolger bewähren musste. Sicherlich ist das Format nun ein anderes; und manches vermisst man schmerzlich: Raabs ewige Diskussionen, wenn er nicht richtig zuhörte, wenn er nach Werkzeug rief und seine Aussetzer auf das Spielgerät schob, diese Mischung aus liebenswerter Anarchie und rabiater, aber fairer Verbissenheit in einen Sieg. Doch Henssler zeigte schnell, dass er nicht nur schmerzfrei, sondern in der Tat furchtlos war: Er hatte keine Angst, er selbst zu sein, und stellte sich souverän der Herausforderung.

Die gelungene Auftaktausgabe zeigt: «Schlag den Henssler» kann ein großer Spaß werden, mit etwas Glück ein genauso großer wie zuvor «Schlag den Raab». Denn auch wenn eine etwaige Skepsis im Vorfeld wohl nicht ganz unbegründet war, ob es in Deutschland überhaupt jemanden gibt, der sich mit der Kampfsau Raab in ihren besten Fernsehjahren messen lassen könnte: «Schlag den Henssler» ist ähnlich spannend, ähnlich unterhaltsam, ähnlich witzig und abendfüllend wie sein Vorgänger. Nicht weil die Fußstapfen kleiner gewesen sind als gedacht, sondern weil Henssler sie sehr gut ausfüllt.

Deutschland hat eine große Samstagabendshow wieder. Kleiner wurde sie nur durch vergleichsweise unauffällige Änderungen, etwa die Reduzierung des Preisgeldes von einer halben auf eine Vierteilmillion. Die wichtigen Parameter blieben unangetastet: Eine gute Mischung aus Fragerunden am Pult, Geschicklichkeitsspielen und Sportwettkämpfen im matschigen Außenbereich sorgte für Abwechslung und eine stimmig ansteigende Spannungskurve, Eltons gelungene Moderationen ließen eine angenehme Atmosphäre aufkommen und Steffen Henssler tat genau, was er tun musste: Er zeigte, dass er genauso ehrgeizig sein kann wie Stefan Raab, um die Show bis zur letzten Minute spannend zu halten. Raab hat diese Dauerbelastung fast zehn Jahre durchgehalten. Steffen Henssler darf gerne genauso lange machen.
01.10.2017 01:49 Uhr Kurz-URL: qmde.de/96177
Julian Miller

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Schlag den Henssler Schlag den Raab

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Es gibt 12 Kommentare zum Artikel
P-Joker
01.10.2017 15:48 Uhr 10
Irgendwie scheint man hier eine andere Show gesehen zu haben.

Allerdings halte ich diese Kritik dort für glaubwürdiger!



http://www.stern.de/kultur/tv/tv-kritik-zu-schlag-den-henssler--so-langatmig-war-das-show-debuet-7643356.html



Ich habe es selbst nicht angeschaut, mir war "Spiel für dein Land" lieber, und ich wurde nicht enttäuscht!
eis-fuchsi
01.10.2017 16:27 Uhr 11
naja, das ist ja so, als wenn www.galileo.tv/tv-kritik-blablabla über ne RTL-Sendung kritisieren würde... auch sehr 'glaubwürdig' :wink:
Florence
01.10.2017 16:55 Uhr 12

Du musst die gleiche Show wie der Autor hier gesehen haben. Kann es sein dass Pro7 zwei unterschiedliche Versionen "live" gesendet hat und ich, sowie viele andere haben die zu sehen bekommen, in der Henssler zwar redlich bemüht aber nicht Ansatzweise an Raab heranreichte, was vor allem beim Entertainment auffiel?



Wobei die Spiegelkritik weit näher an der Realität dran ist, als was Quotenmeter zu gestriegen Sendung zu sagen hatte.
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