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Wahlfieber ausgebrochen? Wie sehr interessiert die Bundestagswahl im TV?

TV-Duelle, noch intensivere Talkshow-Beschallung als sonst, Dokus und mehr: Im Fernsehen gibt es in diesen Tagen kaum ein Vorbeikommen an der Wahl. Doch wie kommt das eigentlich beim Zuschauer an?

Wissen Sie schon, wem Sie am Sonntag in zwei Wochen Ihre Stimme geben wollen? Wie der in Umfragen nach wie vor meilenweit zurückliegende SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gebetsmühlenartig betont, ist noch immer ein guter Teil der Wahlberechtigten unentschlossen, sodass es immer noch genügend gute Gründe für die Vertreter sämtlicher Parteien gibt, um weitere Stimmen zu werben. An televisionären Möglichkeiten, Wahlkampf zu betreiben, mangelt es aktuell nicht - vor allem die Öffentlich-Rechtlichen bieten ihrem Publikum ein umfassendes Angebot an Entscheidungshilfen an. Wir wollen einmal darauf blicken, wie das ganz aktuell eigentlich bei den Fernsehenden ankommt und haben uns dabei auf die Zeit seit dem vergangenen Sonntag beschränkt, wo mit dem Aufeinandertreffen der beiden Spitzenkandidaten das zumindest breitenwirksamste TV-Ereignis im Zuge des Bundestagswahlkampfes stattfand.


Das «TV-Duell»: Über 16 Millionen - und doch freut sich nur Das Erste


Quoten des TV-Duells

  • 2009: 14,19 Mio. (42,1% / 35,4%)
  • 2013: 17,55 Mio. (50,5% / 45,5%)
  • 2017: 16,11 Mio. (45,8% / 43,3%)
Kumulierte Werte aller vier Sender, die das TV-Duell ausstrahlten.
Das mit Spannung erwartete Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz wurde am Sonntagabend ab 20:15 Uhr von durchschnittlich 16,11 Millionen Menschen verfolgt, womit es sich zwischen Merkels Duelle gegen Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück einordnete (siehe Infobox). Für den Quotenanalysten aber fast spannender ist die Verteilung des Publikums auf die gleich vier Sender, die parallel das Duell ausstrahlten. Mit 9,33 Millionen versammelte sich mehr als die Hälfte aller Zuschauer beim Ersten Deutschen Fernsehen, ein weiteres knappes Viertel erreichte das ZDF mit 3,72 Millionen, während die beiden Privaten mit 2,13 Millionen (RTL) und 0,93 Millionen (Sat.1) kaum noch nennenswerte Stücke des Kuchens abkriegten.

Mit dem Standing der beteiligten Journalisten dürfte das kaum zu tun haben, immerhin gilt Peter Kloeppel als einer der beliebtesten Nachrichtensprecher des Landes und hat wohl kaum nennenswert weniger Renommee vorzuweisen als Sandra Maischberger und Maybrit Illner, die für ARD und ZDF am Start waren. Viel mehr schlug sich hier einmal mehr die generelle Haltung des deutschen Publikums nieder, das dem Ersten schon seit Jahrzehnten - nicht zuletzt dank seiner «Tagesschau» - die höchste journalistische Kompetenz beimisst, während das ZDF klar an zweiter Stelle vor den Privaten steht. Ähnliche Publikumsverteilungen lassen sich nämlich auch immer wieder feststellen, wenn mehrere große Sender etwa gleichzeitig Sondersendungen ins Programm nehmen.

Und doch gab es hinsichtlich der Publikumsverteilungen diesmal einen deutlichen Unterschied im Vergleich zu 2013: Damals nämlich durfte Stefan Raab noch für ProSiebenSat.1 an den Start gehen, wurde für seine forsche, unkonventionelle Herangehensweise gelobt und war mit 1,51 Millionen Zuschauern und immerhin 8,0 Prozent für seinen Haus- und Hofsender ProSieben immerhin konkurrenzfähig. Diesmal dagegen versuchte sich Claus Strunz (Foto) auf eher bemüht daherkommende Art und Weise, mit verkürzten Zitaten und latentem Wutbürger-Duktus aus dem Einerlei hervorzustechen und überzeugte damit weder inhaltlich noch aus Quotensicht: Mit nur 0,93 Millionen und 3,8 Prozent der Zielgruppe war Sat.1 ein äußerst kleines Licht, die anschließende «Analyse» sowie ein «Faktencheck Spezial» kamen nach 21:50 Uhr sogar nur noch auf 3,2 und 2,4 Prozent.

Und im Ersten? Da durfte das Team von «Anne Will» ab 21:50 Uhr über eine Rekord-Zuschauerzahl von 7,47 Millionen jubeln, die so hoch ausfiel wie nie zuvor in der Geschichte des immerhin schon seit zehn Jahren laufenden Polittalks - Selbiges galt für die 26,4 Prozent Marktanteil sowie die 2,04 Millionen jungen Fernsehenden und 19,7 Prozent.


«Fünfkampf» überrascht, Weidel-Show wird kaum gesehen


Quoten der Duelle der Kleinen

  • 2009: 4,20 Mio. (13,9% / 6,8%) [Dreikampf, ab 21 Uhr, 75 Minuten Laufzeit]
  • 2013: 4,00 Mio. (13,0% / 8,7%) [Dreikampf, ab 20:15 Uhr, 60 Minuten Laufzeit]
  • 2017: 4,49 Mio. (14,5% / 11,9%) [Fünfkampf, ab 20:15 Uhr, 75 Minuten Laufzeit]
Betrachtet wurden die ARD-Duelle der kleinen Parteien am Tag direkt nach dem "großen" TV-Duell.
Wer ein größeres Augenmerk auf das Konflikthafte des politischen Meinungsaustausch legte, wurde allerdings erst am Montagabend im Rahmen des «Fünfkampfs nach dem TV-Duell» bedient - schließlich agierten Merkel und Schulz doch über weite Strecken arg handzahm, was erwartungsgemäß bei einem Aufeinandertreffen von Linken, Grünen, AfD, FDP und CSU gänzlich anders ablief. Das inhaltlich wesentlich mitreißendere Live-Format sahen zur besten Sendezeit immerhin 4,49 Millionen Menschen, was sehr guten 14,5 Prozent des Gesamtpublikums und ebenfalls äußerst respektablen 11,9 Prozent der Jüngeren entsprach. Damit machte sich die abermalige Ausweitung des "Duells nach dem Duell" bezahlt, denn die Dreikämpfe zwischen Linken, Grünen und der FDP aus den 2009 und 2013 hatten noch weitaus schwächere Werte verzeichnet (siehe Infobox).

Respektabel lief im Anschluss auch eine weitere Folge von «Hart aber fair», die immerhin noch 3,78 Millionen Menschen und 12,9 Prozent aller bzw. 9,1 Prozent der jungen Fernsehenden bei der Stange hielt. Bedenkt man, dass parallel hierzu das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalelf gegen Norwegen lief und rund achteinhalb Millionen Zuschauer erzielte, ist der Erfolg des politischen ARD-Abends noch ein Stück weit höher zu bewerten. Einen deutlich schwereren Stand hatte übrigens am Vorabend ein 50-minütiger Dreikampf im ZDF zwischen den Linken, den Grünen und der CSU, der sich mit 2,82 Millionen Zuschauern und leicht unterdurchschnittlichen 11,4 bzw. 5,0 Prozent begnügen musste.

Damit hatte sich dann allerdings auch ganz offensichtlich das Bedürfnis der meisten Zuschauer an politischen Schlagabtauschen gelegt, denn der Versuch des ZDFs, am Dienstagabend einen weiteren Fünfkampf im Rahmen von «Wie geht's, Deutschland?» mit Marietta Slomka (Foto) an den Mann zu bringen, schlug weitgehend fehl: Nur 2,55 Millionen sahen zur besten Sendezeit zu, was richtig schwachen 8,8 Prozent des Gesamtpublikums entsprach. Immerhin: Bei den 14- bis 49-Jährigen reichten 0,57 Millionen, um immerhin durchschnittliche 6,0 Prozent zu verbuchen, aber auch das war natürlich kein echter Erfolg. Sollte der oft gehörte Vorwurf, die AfD habe sich im Rahmen des plötzlichen Abgangs ihrer Spitzenkandidatin Alice Weidel nach gut einer Stunde selbst inszenieren wollen, also zutreffen, hätte man also auch eine etwas zugkräftigere Bühne hierfür finden können. Immerhin war Weidel schon am Montag im Ersten zu sehen.


Illner: Intensiv, aber wenig erfolgreich


Vergleich der ZDF-Talks

  • Illner: 2,07 Mio. (11,7% / 5,3%)
  • Lanz: 1,51 Mio. (14,3% / 5,8%)
Durchschnittliche Werte von Dienstag bis Donnerstag dieser Woche.
Von wenig Erfolg gekrönt ist indes auch der Versuch des ZDFs, mit «Illner intensiv» eine Woche lang sogar täglich seine bekannteste Polittalkerin ins Rennen gehen zu lassen. Das Konzept, jeweils drei Politiker unterschiedlicher Parteien eine halbe Stunde lang über ein Thema debattieren zu lassen, kam in den vergangenen Tagen kaum an: Die ersten beiden Folgen am Dienstag und Mittwoch kamen auf gerade einmal 1,65 bzw. 1,67 Millionen Zuschauer, mit nur 10,7 und 9,6 Prozent aller bzw. 4,1 und 4,7 Prozent der jungen Fernsehenden hatten die jeweils kurz vor 23 Uhr gezeigten Folgen kaum etwas zu melden. Erst am Donnerstag, wo man gleich mit zwei Folgen auf Sendung ging, kletterten die Werte vor allem hintenraus auf wirklich gute 15,0 und 7,2 Prozent bei 2,57 Millionen. Im direkten Vergleich mit «Markus Lanz», das jeweils im Anschluss auf Sendung ging, zog Illner von Dienstag bis Donnerstag klar den Kürzeren (siehe Infobox) - vor allem am Dienstag, wo bei Lanz unter anderem Klaas Heufer-Umlauf zu Gast war und der Show grandiose 16,6 Prozent des Gesamtpublikums und zumindest sehr gute 7,6 Prozent des jungen Publikums einbrachte.

Doch noch einmal zurück zu «Illner intensiv»: Das war bereits 2009 und 2013 ausprobiert worden und hatte sich im ersten Anlauf noch ziemlich schwer getan, wo es allerdings auch nur wöchentlich am Dienstagabend auf Zuschauerjagd gegangen war. Vor vier Jahren hingegen hatte die tägliche Ausstrahlung weitgehend zumindest beim älteren Publikum gut geklappt, wobei hier die Dienstagsfolge auch erst ganz spät um 23:55 Uhr nach einer Champions-League-Übertragung auf Zuschauerjagd gegangen war und damit kaum seriös mit der Ausstrahlungswirklichkeit in diesem Jahr verglichen werden kann. Übrigens: Alice Weidel hätte am Donnerstag auch hier noch einmal zum Thema "Wer schützt uns im Alter?" auftreten sollen, sagte aber kurzfristig ab und wurde von ihrem Parteikollegen Andre Poggenburg ersetzt.


Und sonst so? Abdelkarim holt Politik zu RTL II, Klaas zu ProSieben


Nicht unter den Tisch fallen sollte bei aller öffentlich-rechtlichen Dominanz der Umstand, dass sich auch RTL II an einem politischen Format namens «Endlich Klartext!» versuchte, das sich nach einem mit nur 3,8 Prozent Zielgruppen-Marktanteil sehr behäbigen Auftakt in dieser Woche auf schöne 5,8 Prozent verbesserte und beim Gesamtpublikum trotz der mit 23:15 Uhr deutlich schlechteren Sendezeit als noch vor Wochenfrist mit 0,38 Millionen seine Reichweite weitgehend aufrecht erhielt. Damit war das sehenswerte Format mit Kabarettist Abdelkarim zwar hinsichtlich seines Publikumsaufkommens kaum mit den großen Sendungen bei ARD und ZDF vergleichbar, hat aber vielleicht einige jüngere Menschen für die Bundestagswahl oder politische Themen generell gewinnen können, die sonst kaum zugeschaut hätten. Ähnliches wird übrigens auch Klaas Heufer-Umlauf am Montag auf ProSieben versuchen, wo um 22:05 Uhr «Ein Mann, eine Wahl!» debütieren soll.

Was sonst noch so los war? «Maischberger» kehrte am Mittwoch aus der Sommerpause zurück und erzielte beim Gesamtpublikum eher verhaltene 10,2 Prozent bei 1,47 Millionen, wusste aber mit überraschend starken 8,0 Prozent beim jungen Publikum zu überzeugen - hier ging es allerdings nur am Rande um die Bundestagswahl, im Fokus standen einmal mehr der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, die von ihm festgenommenen deutschen Staatsbürger und Deutschlands schwierige Beziehungen zur Türkei. Und nach Neuland begab sich Das Erste schon am Montag, als man nach 23 Uhr «Die Wahl und das Netz» thematisierte - und angesichts von nur 0,90 Millionen Gesamt-Zuschauern bzw. 6,1 Prozent offensichtlich die ältere Zuschauerschaft eher abschreckte. Bei den Jüngeren standen dagegen recht ordentliche 6,3 Prozent bei 0,33 Millionen für die 45-minütige Doku zu Buche, die sich dem Einfluss des Internets auf die politische Meinungsbildung widmete.

Das eigentliche Highlight der Woche wartete allerdings ganz offensichtlich erst am Sonntag auf viele Zuschauer, wo endlich die «heute-show» aus der Sommerpause zurückkehrte und mit 4,72 Millionen gleich mal die höchste Reichweite ihrer Geschichte verzeichnete. Die Folge waren tolle 20,2 Prozent Marktanteil, bei den 14- bis 49-Jährigen standen 13,7 Prozent bei 1,06 Millionen zu Buche.
09.09.2017 15:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/95690
Manuel Nunez Sanchez

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
medical_fan
09.09.2017 17:52 Uhr 1
Claus Strunz hat wenigstens keine Arschkriecherei betrieben wie Illner und Maischberger. Im Grunde war Strunz wie Raab 2013...
Sentinel2003
09.09.2017 18:49 Uhr 2
Mich interssieren die momentan fast schon massigen Wahl - Sendungen kaum bis gar nicht....ausser dem Duell am Sonntag habe ich noch dieses Aufeinander Treffen der "kleinen Parteien" am Montag in der ARD gesehen plus Plasberg, seitdem nichts mehr.
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