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Die Kritiker: «Verräter: Tod am Meer»

1988: Ein Volkspolizist stößt bei den Ermittlungen zu einer aus der Ostsee geborgenen Leiche auf Verbindungen zwischen Stasi, RAF und BND. Der ZDF-Krimi wandelt zwischen Fakten und Fiktion.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Albrecht Schuch als Martin Franzen
Hannah Herzsprung als Nina
Christian Redl als Gerd
Stephan Kampwirth als Andreas Jerichow
Marek Harloff als Lars Janson
Anian Zollner als Harry
Uwe Preuss als Claus Stutthalter
Jan Messutat als Paul Schön

Hinter der Kamera:
Regie: Franziska Meletzky
Drehbuch: Stefanie Veith, Nils Willbrandt
Kamera: Bella Halben
Produzentin: Rima Schmidt
Produktion: ZDF und H & V Entertainment
RAF-Mitglieder und die DDR. Spätestens seit Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ weiß man von den Beziehungen zwischen den Terroristen und der Staatssicherheit. Der gemeinsame Klassenfeind verband die ungleichen Partner, und so nahm man Mitglieder der Roten Armee Fraktion bereitwillig auf und trainierte sie sogar an der Waffe. Aussteiger wurden mit einer neuen Identität ausgestattet und fanden Zuflucht im sozialistischen Teil Deutschlands. Soweit sind die Geschehnisse im ZDF-Krimi «Verräter – Tod am Meer» historisch belegt.

Allerdings geht der Film, der auf dem Roman „Innere Sicherheit“ von Christa Bernuth basiert, den entscheidenden Schritt weiter – von Fakten zur Spekulation. Inwieweit reichte der Einfluss der Stasi auf die Terrorzellen im Westen, und wusste man beim BND möglicherweise sogar von diesem Einfluss? Hierfür gibt es zwar Hinweise, schließlich kannte der BND sogar die Tarnnamen der Gesuchten, die diese beim Grenzübertritt verwendeten. Beweise blieben aber bislang aus und so verschwimmen in Roman und Verfilmung Historie und Fiktion zu einem radikalen, vielversprechenden Filmstoff:

DDR, 1988. Volkspolizist Martin Franzen (Albrecht Schuch) hat Dienst, als eine Frauenleiche aus der Ostsee gezogen wird. Das Opfer, Johanna Schön, ist durch Schüsse gestorben und alles deutet auf eine missglückte Republikflucht hin. Doch bei den Ermittlungen stößt Martin auf Ungereimtheiten. Dann stirbt auch noch ein wichtiger Zeuge. Angeblich hat er sich umgebracht. Die Stasi übernimmt den Fall. Aber Martin ermittelt heimlich weiter.

Ein rätselhafter Brief, den Johanna Schön noch kurz vor ihrem Tod geschrieben hat, führt ihn nach Berlin zu Nina (Hannah Herzsprung). Martin ist von der geheimnisvollen Frau fasziniert. Ihm wird schnell klar, dass Nina etwas Wichtiges über Johanna verschweigt. Es wird deutlich, dass sie und das Opfer eigentlich beide aus der BRD stammen. Als er bei Nina Dokumente über die RAF findet, weiß er nicht mehr, wem er vertrauen kann.

Grundsätzlich bieten sich die Figuren eines zunächst braven Volkspolizisten sowie einer ehemaligen RAF-Aktivistin dem Zuschauer erstmal nicht zur Identifikation an. Martin ist nicht per se unkritisch, aber hinsichtlich seines Berufs pflichtbewusst. Erst auf der Suche nach der Wahrheit entkommt er dem grauen Trott seines Arbeitsalltags und baut eine Haltung auf. Auch wenn sein Werdegang vom treu-naiven Genossen zum Staatsfeind zu schnell anmutet, vermittelt Albrecht Schuch die Wandlung seiner Figur glaubwürdig. Auch Hannah Herzsprung weiß in ihrer Rolle als gleichzeitig verzweifelte und eiskalte Ex-Terroristin zu überzeugen. Die teils hölzernen Dialoge können die beiden Hauptdarsteller jedoch nicht gänzlich überspielen.

Ihre Figuren werden in eine angedeutete Liebesgeschichte gepresst, die zwar der Entwicklung des Plots dient, jedoch kaum emotionalen Mehrwert bietet. Vielmehr steht die Frage nach dem Vertrauen im Vordergrund – Vertrauen gegenüber dem System, der Staatsgewalt, der geheimnisvollen Partnerin. Beide Hauptcharaktere sind oder werden im Laufe der Geschichte desillusioniert und ihr Weltbild gerät ins Wanken. Die Spannung steigert sich bedächtig, aber stetig, richtig packend wird es nur selten. Die Story nimmt sich viel Zeit, die Charaktere und ihr Lebensumfeld vorzustellen.

Viel Wert wurde auf Authentizität gelegt. Sowohl die Drehorte, als auch die Requisite wissen zu überzeugen und lassen die späte DDR auferstehen. Die folterartigen Verhörmethoden der Stasi wirken ebenso hart wie realistisch. Angenehmerweise wird jedoch in der Schuldfrage auf Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet, und auch der BND verfolgt rücksichtslos seine zweifelhaften Interessen.

Die Aufnahmen sind generell recht kühl gehalten, was einerseits typisch für vergleichbare Krimis ist, andererseits aber auch wieder unvermeidlich auf eine bleierne Schwere des DDR-Alltags hinweist. Als hätte jemand einem gesamten Land die Sättigung entzogen. Es gibt durchaus auch Platz für unkonventionelle und abwechslungsreiche Einstellungen, beispielsweise direkt zu Beginn das Treiben der Leiche am Ostseestrand. Zudem bedient man sich der unruhigen Kameraführung als Visualisierung von Unbehagen. Während dieses Stilmittel etwas dezenter hätte eingesetzt werden dürfen, setzt die spannungsfördernde Musik die richtigen Akzente. So können Martins Soli am Schlagzeug als Ventil seiner ungerichteten Wut gedeutet werden.

Fazit: Trotz viel Liebe zum Detail wird man das Gefühl nicht los, dass aus dem höchstinteressanten Filmstoff mehr herauszuholen gewesen wäre. Ein hohes Maß an Authentizität sowie zwei gut aufgelegte Hauptdarsteller stehen einem Drehbuch gegenüber, das teilweise auf die falschen Schwerpunkte setzt.

Das ZDF zeigt «Verräter - Tod am Meer» am Montag, den 21. August um 20.15 Uhr.
21.08.2017 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/95235
Christopher Schmitt

super
schade

62 %
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