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Gottschalk & Jauch: Moderatoren, die das Fernsehen braucht, aber nicht verdient

Thomas Gottschalk und Günther Jauch gehören zu einer aussterbenden Art von Moderatoren, die Sendungen allein tragen können – wenn man sie nur lässt, was heutzutage selten der Fall ist.

Wenn Thomas Gottschalk und Günther Jauch heute zum bereits 16. Mal als «Die 2» vor die Kamera treten, kann man sich gut vorstellen, dass sie dieses Format genießen. Denn anders als in den meisten Formaten treten die beiden Entertainer, die sich im Fernsehen als Moderatoren einen Namen gemacht haben und schließlich zu den beliebtesten Personen ihres Fachs aufgestiegen sind, als Kandidaten in Erscheinung, nicht als Showmaster. Eine Erleichterung könnte man annehmen, blickt man auf die jüngere Vergangenheit Jauchs und Gottschalk im deutschen Fernsehen. Ihre Präsenz, ihr Improvisationstalent und Spontaneität, ihr Unterhaltungsfaktor – wenig davon ist den beiden Fernsehstars über die Jahre verloren gegangen. Doch das Geschäft hat sich verändert. Zuungunsten zweier Moderatoren, die dem Fernsehpublikum so viel mehr geben können als die bloße Leitung eines Formats.

Einfach machen lassen


Natürlich, Thomas Gottschalk genießt noch immer das Scheinwerferlicht eines Fernsehstudios. Gerade nach seinen jüngeren Engagements könnte man jedoch verstehen, wenn sich beim Fernsehurgestein mit der Lockenmähne allmählich Frustration einstellt. Zusammen mit Günther Jauch erlernte er einst im Radio das Handwerk, das ihm später etwa im Zuge von «Na sowas!» in den 80er Jahren oder «Gottschalk Late Night» in den 90er Jahren Auszeichnungen der Goldenen Kamera einbrachte und schließlich im Zuge von «Wetten, dass…?» zur Nationalikone werden ließ: Ein stets lockeres Auftreten, häufig gepaart mit gewagten Outfits sowie eine stets spontane Gesprächsführung, die auch dem Dialog mit Weltstars einen Unterhaltungsfaktor abgewann. Dieser Thommy war unverwüstlich, souverän und einfach wie gemacht fürs Fernsehen und Live-Shows. Man musste ihn nur machen lassen. Und das taten die Fernsehmacher jahrzehntelang.

Spätestens nach seinem 17-jährigen Engagement bei «Wetten, dass…?» änderte sich die Situation für Gottschalk. Im Zuge der langjährigen Moderation von «Wetten, dass…?», dieser antiquierten, aus der Zeit gefallenen Samstagabendshow, die Deutschland international letztlich viel Spott einbrachte, steckte Gottschalk in einer Art Zeitblase. Dieses verrückte Konzept, so stellte sich später heraus, funktionierte zu großen Teilen auch aufgrund des enormen Talents Gottschalks und hielt sich bis in eine Zeit hinein, in der Fernsehproduktionen längst andere Ansprüche an ihre handwerklichen Facetten stellten und Zuschauer über neue Sehgewohnheiten verfügten.


«Mensch Gottschalk», warum klappt’s nicht mehr?


Sein nächstes Engagement, die Vorabend-Personality-Show «Gottschalk Live» wurde 2012 schon nach wenigen Monaten mangels Zuschauerinteresse eingestellt und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, kein richtiges Konzept zu haben. Ein Umstand, mit dem Gottschalk früher womöglich dennoch Erfolg gehabt hätte. Ohnehin präsentierte Gottschalk fünf Jahre später bei RTL mit «Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland» eine buntes Potpourri aus Interviews, tagesaktuellen Themen und Showacts – sehr unterhaltsam, aber ebenfalls ohne klare Linie. Doch erstmals seit langer Zeit erlebten Gottschalk-Fans den Unterhalter wieder so, wie sie ihn lieben lernten: Charmant, spontan, gemütlich - wie damals am Samstagabend. Doch auch hier blieben die Quoten weit hinter den Erwartungen zurück, sodass Gottschalk in der zweiten Ausgabe Ende Mai 2017 liefern muss, damit das Format nicht auch früh abgesetzt wird.

Spätestens im Jahr 2017 kam Thomas Gottschalk sicher die Erkenntnis: Es ist nicht mehr das gleiche Fernsehen, in dem er seine großen Erfolge feierte. Das Fernsehen, das sich Zeit lässt und in dem souveräne Live-Moderationen noch gefragt und die Kür im Moderatorendasein darstellen. Schon nach seinem kurzen Intermezzo bei «Das Supertalent» beklagte Gottschalk, die Show sei keine Show gewesen, sondern sei nachher im Schnitt montiert worden. Eine Aussage, die er Mitte April 2017 noch einmal bekräftigte – noch bevor seine neue Sat.1-Show «Little Big Stars» debütierte, die sich erst zum Schnitt-Desaster und schließlich zum Quoten-Desaster entwickeln sollte, weil Fernsehschaffende diese Machart heutzutage scheinbar zu oft als ‚state of the art‘ begreifen. Kann dieser Thomas Gottschalk, der wohl letzte wahre Showmaster Deutschlands, noch einmal aufstehen? Oder tritt er lieber kürzer, wie sein langjähriger Wegbegleiter Günther Jauch?


Rückzug des 'beliebtesten Deutschen'


Jauchs Kompetenzen waren zwar seit jeher anders verteilt als die Gottschalks, doch auch er verfügte stets über die Spontaneität, das Augenzwinkern, durch die er herausfordernde Situationen elegant und souverän zu lösen wusste. Radio, BR, «aktuelles Sportstudio» und schließlich ab 1990 bei RTL, wo er nicht nur fast 21 Jahre durch «stern TV» führte, sondern es 1998 im Rahmen des „Torfalls von Madrid“ zusammen mit Marcel Reif Dank einer kurzweiligen Überbrückung von 76 (!) Minuten Sendungsverzögerung endgültig zu großer Bekanntheit brachte. Welcher Moderator könnte Jauch das dieser Tage nachmachen?

Dem Sport blieb er einige weitere Jahre treu. Ab 1999, als Jauch die Moderation von «Wer wird Millionär?» übernahm, entwickelte er sich endgültig zur TV-Ikone, die dem gebürtigen Münsteraner sogar den Titel des 'beliebtesten Deutschen' des Jahres 2005 einbrachte. Über vier Jahre wollte es Jauch ab 2011 noch einmal journalistisch wissen und übernahm mit «Günther Jauch» den Talkshow-Sendeplatz nach dem «Tatort», bis es ihm damit wieder reichte. Mittlerweile beschränkt sich Jauch nur noch auf seine RTL-Produktionen - fünf an der Zahl, von denen er jedoch mit «Menschen Bilder, Emotionen», «Wer wird Millionär?» und «500 – Die Quiz-Arena» nur noch drei selbst moderiert, während er in «5 gegen Jauch» und «Die 2» eigentlich als Kandidat auftritt. So scheint er sich wohlzufühlen. Jedenfalls muss er sich nicht nachträglich über einen seltsamen Schnitt wundern, denn die Mehrzahl der Formate produziert er selbst.

Moderatoren mit Profil - von einer sterbenden Art


Und trotzdem: Mit Jauch hat RTL zumindest noch ein starkes Sendergesicht. Das ist etwas, das man von dem Rest der großen deutschen Privatsender kaum noch behaupten kann. Man möchte Jauchs Aussage aus einem Interview mit der „ZEIT“ aus dem Jahr 2009 gerne unterschreiben, in der er die „Halbwertszeit für Fernsehleute“ schon damals auf sechs bis neun Monate bezifferte. Kein Wunder, dass Moderatoren mittlerweile schnell wieder in der Versenkung verschwinden und Zuschauer keine Beziehung mehr zu den Gesichtern im Fernsehen mehr aufbauen können. Das Fernsehen verliert sich dieser Tage permanent in Hektik. Wenn ein Format auf Anhieb nicht funktioniert. Wenn eine Einstellung in einer Fernsehshow vergleichsweise lang gerät oder man etwas dem Zufall überlassen müsste. Wenn es darum geht, einen Moderator aufzubauen und ihm in eigenen Formaten Raum und ein Profil zu geben.

Frische Moderatoren heutzutage als Nachfolger Gottschalks oder Jauchs zu bezeichnen, trifft alleine schon deswegen nicht mehr zu, weil das Fernsehen nicht mehr auf Typen wie «Die 2» ausgelegt ist. Dabei wäre eine Rückbesinnung auf deren Talente bitter nötig, wenn die Arbeit, für die ursprünglich versierte Moderatoren vorgesehen waren, nicht bald von austauschbaren Schaufensterpuppen erledigt werden soll. Man könnte Thomas Gottschalk und Günther Jauch gut verstehen, wenn sie sich aus diesem Geschäft bald ernüchtert zurückzögen. Falls die Sender sich und ihren Shows wieder Profil verleihen wollen, finden sie in Thomas Gottschalk und Günther Jauch Moderatoren, die sie dafür bräuchten.
21.05.2017 11:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/93167
Timo Nöthling

super
schade

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