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Stefan Scheider: Über die Kunst, die Ruhe zu bewahren

Im Rahmen unserer neuen Reihe „2017 – Ihre Wahl“ sprachen wir mit BR-Moderator Stefan Scheider über heikle Fernsehmomente, den Kampf gegen „Fake News“ und dem Zeigen von Haltung.

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5 kurze Fragen - 5 kurze Antworten: (Teil 1)

  1. Wissen Sie schon, wen Sie im Herbst wählen, oder müssen Sie sich noch entscheiden? Ich kenne zumindest die Himmelsrichtung.
  2. Wen würden Sie gerne mal interviewen und was würden Sie ihn/sie fragen? Habe ich lange überlegt. Ich würde sehr gerne mal einen Bundespräsidenten interviewen. Ich habe das Gefühl, dass unsere Gesellschaft sehr überhitzt und überfordert ist mit allem, und die Welt sehr unruhig ist. Da würde ich gerne mal den Bundespräsidenten fragen, warum er sich in so einer Zeit eher still verhält.
(Fortsetzung auf Seite 2)
90 Minuten unter Dauerstrom. Der 22. Juli 2016 ist Stefan Scheider besonders im Gedächtnis hängengeblieben. Kurz vor der regulären Ausgabe der «Rundschau», den Abendnachrichten im BR Fernsehen, erhält das Team die Meldung von einer Schießerei im Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ). Was nun? Die Sendung aufgrund der dünnen Nachrichtenlage wie geplant durchziehen oder improvisieren? Mit drei dürren Sätzen fasst Stefan Scheider zu Beginn der Nachrichten die Situation zusammen, mehr ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Und das Versprechen an die Zuschauer: Im Hintergrund wird weiter recherchiert. Es folgten ein paar Minuten normale Rundschau, dann warf man den geplanten Ablauf doch noch über Bord.

Anderthalb Stunden lang stand Moderator Stefan Scheider an diesem Abend nonstop vor der Kamera – nicht mal die Gelegenheit für einen Schluck Wasser ergab sich. Das Wichtigste in diesem Moment, geprägt von Spekulationen und Falschmeldungen: Ruhe bewahren und einen Gang runterschalten. „Das war damals eine ganz gefährliche News-Blase, in der viele Gerüchte auftauchten, die sich später als falsch herausgestellt haben“, erinnert sich der 55-Jährige bei unserem Gespräch im BR-Studio München-Freimann. „Plötzlich hatte man im Studio das Gefühl, ganz München sei unter Beschuss.“ Für einen Moderator und Politikjournalisten sind solche Situationen besonders fordernd und heikel – immerhin will man keine Spekulationen verbreiten. Die Berichterstattung im Fernsehen sei in solchen Momenten noch ein wichtiger Leuchtturm für die Menschen, so Scheider, wodurch die Verantwortung des Moderators nur umso größer wird.

„Bis heute macht mich dieser Job glücklich“


Der Bayerische Rundfunk lässt einem, was die eigene Arbeit und Handschrift betrifft, unglaublich viel Freiheit. Da ist keiner, der einen versucht zu verbiegen oder der einem reinredet. Man hat mich sozusagen all die 26 Jahre machen lassen. Das ist für die Arbeitszufriedenheit natürlich großartig.
Stefan Scheider
Seit mittlerweile fast 27 Jahren arbeitet Stefan Scheider für den Bayerischen Rundfunk. Nur zwei Wochen nach seiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München und dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaft sowie der Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität fing er beim BR an. „Ich war schon als Kind immer ein kreatives Wesen“ – eine Leidenschaft zum Texten, Malen, Fotografieren und Filmen hatte er schon in seinen frühen Jahren. Daraus ist auch der Wunsch entsprungen, einen entsprechenden Karriereweg einzuschlagen. Seine Bewerbung bei der Hochschule für Film und Fernsehen war nicht von Erfolg gekrönt und ihm wurde schnell klar, dass Fernsehjournalist der eigentlich perfekte Beruf für ihn sei. Und diese Entscheidung bereut er nicht. „Bis heute macht mich dieser Job glücklich, und ich würde auch nichts Anderes machen wollen.“

Bereits während der Praktika an der Journalistenschule lernte Stefan Scheider die kniffligen Seiten des Berufs kennen. In der Landkreisredaktion des Münchner Merkur musste man sich mit unnachgiebigen Bürgermeistern und aggressiven Gemeinderäten auseinandersetzen – eine „gute Schule“ für das eigene journalistische Können. Das begleitet ihn bis heute, unter anderem im «ARD-Mittagsmagazin»: „Man hat oft Politiker als Studiogäste, alte Medienhasen, denen man nicht die falsche Frage stellen darf, sonst bekommt man sie gleich als Bumerang zurück. In solche Interviews muss man schon sehr gut vorbereitet hineingehen.“ Hinter dem Mittagsmagazin stecke viel Arbeit, manche Moderationen werden erst ein paar Minuten vor Sendebeginn fertig.

Eine Operation am offenen Herzen


Die Abwanderung des Mittagsmagazins zum RBB ab dem 2018 ist für Stefan Scheider natürlich ein Verlust, auch wenn er die Sendung nur in fünf bis sechs Wochen pro Jahr moderiert hat. „Das «ARD-Mittagsmagazin» war immer eine tolle Visitenkarte. Eine schöne, sehr gute und sehr aufwändige Sendung.“ Diese Zeit wolle er künftig anderweitig füllen, jedoch nicht mit Ruhe und Entspannung am Tegernsee, wo der 55-Jährige beheimatet ist. Mit seinen übrigen Aufgaben dürfte er durchaus noch gut beschäftigt sein.

In ungeraden Kalenderwochen ist Stefan Scheider jeden Abend eine halbe Stunde lang in der «Rundschau» zu sehen. Die Reform des nachrichtlichen Steckenpferds des Bayerischen Rundfunks vor einem Jahr war eine „Operation am offenen Herzen“, schließlich habe man die beliebte Sendung nicht nur vorverlegt, sondern auch verlängert. „Mutig“ war es, ein solches Format „komplett neu aufzustellen“ – mit Erfolg. „Die Vertiefung durch die doppelte Sendezeit tut uns gut“, so Scheider. Vor allem der größere Fokus auf bayerische Themen wurde vom Publikum lange gefordert. „Es ist tagtäglich eine Diskussion bei uns: Wie bayerisch sollen wir sein? Wir tasten uns an die richtige Mischung heran.“ In erster Linie ticke die Rundschau aber immer noch nachrichtlich-inhaltlich, jedoch könne man bei vielen Themen einen bayerischen Dreh finden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Stefan Scheiders Erfahrungen mit Breaking News, dem richtigen Umgang mit heiklen Informationen, "Lügenpresse"-Vorwürfen und dem Zeigen einer eigenen Haltung.
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03.05.2017 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92818
Robert Meyer

super
schade

92 %
8 %

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Tags

ARD-Mittagsmagazin Rundschau

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