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Die Kritiker: «Tatort - Wehrlos»

Die neue «Tatort»-Folge aus Österreich beackert stark das persönliche Verhältnis zwischen Moritz Eisner und Bibi Fellner. Eine gute Entscheidung.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Thomas Stipsits als Manfred Schimpf
Simon Hatzl als Thomas Nowak
Hubert Kramar als Ernst Rauter
Rachelle Nkou als Aziza el Sayed
Simon Schwarz als Inkasso-Heinzi

Hinter der Kamera:
Produktion: Gebhardt Productions
Drehbuch: Uli Brée
Regie: Christopher Schier
Kamera: Thomas Kiennast
Produzent: Florian Gebhardt
Bei Moritz Fellner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) brechen alte Konflikte durch. Denn während Fellner eine Neue hat, von der er Bibi im Unklaren ließ, ist Bibis Liebesleben so weit degeneriert, dass sie auf Online-Partnerbörsen nach Bekanntschaften sucht. Beiden geht es ziemlich dreckig, aber in Puncto Selbstzerstörung hat sie ihm noch einiges voraus: Sogar ihre vor Jahren getroffene Entscheidung, mit dem Saufen aufzuhören, steht zunehmend zur Disposition.

Zunächst aber wartet Arbeit auf die Beiden: Der Leiter der Wiener Polizeischule liegt erschossen in seinem Anwesen, seine Frau wird wenig später mit gebrochenem Genick im Obergeschoss gefunden. Im Nachbarhaus wurde etwa zur selben Zeit eingebrochen; doch zum Leidwesen des grantelnden Ressentiment-behafteten Opfers hat dieser Fall gerade keine Priorität.

Die Spur im Polizistenmord führt zu einem der Ausbilder an der Polizeischule, Thomas Nowak (Simon Hatzl), der mit seiner rabiaten, misogynen Art gerne mit Bibi aneinandergerät und, das merkt man schnell, seinen Zöglingen mit harter Hand begegnet. Die ständigen Streitereien zwischen Bibi und Moritz liefern derweil das perfekte Cover, damit Bibi verdeckt an der Polizeischule ermitteln kann, um an Informationen zu kommen. Nach einem (mehr oder weniger) inszenierten Krach lässt sie sich dorthin versetzen – als Nowaks neue Dienstvorgesetzte.

Unterdessen grast Moritz die weiteren Spuren ab und schaut in diesem Zuge beim alten Bekannten Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz) vorbei, der mit derbem Wiener Humor neue Anekdoten aus der Unterwelt erzählt. Diesen Duktus kennt man – doch „Wehrlos“ ist kein «Tatort», der sich auf das Aneinanderreihen bekannter Motive verlässt.

Sein größtes Interesse gilt der jahrelang gewachsenen, schwer beschreibbaren und immer komplizierteren Beziehung zwischen Eisner und Fellner. Die ist zwar nicht im Geringsten romantisch, aber doch nicht ganz frei von einer gewissen zwischenmenschlichen Spannung. Der Mordfall gerät nicht selten zum dramaturgischen Nebenschauplatz, womit das Drehbuch die richtigen Prioritäten setzt: Eisner und Fellner sprechen vieles aus, was sich in den letzten Jahren angestaut hat: schwelender Frust, latent schon lange bekannte Anschuldigungen, alte Taktlosigkeiten – und doch versucht jeder der Beiden, vor dem anderen zu bestehen.

Am Schluss steht die Katharsis: Das Gewitter ist vorüber, beide sind die Gleichen geblieben, aber innerhalb dieser Folge doch aneinander gewachsen. Die vielleicht etwas altmodische stabile «Tatort»-Welt erlaubt keine Charakterwandlungen, aber immerhin ein neues Austarieren, graduelle Entwicklungen. Gerade als man, nach einer längeren Strecke eher erbärmlicher Episoden, dachte, das Duo Eisner und Fellner bewege sich seit den einstigen, hochpolitischen Glanzzeiten auf den Status zu, den man in dieser Branche „auserzählt“ nennt, setzt man narrativ die richtigen Akzente, und legt eine sinnige Grundlage, um den Stoff doch noch für einige Zeit mit neuem Reiz zu erzählen.

Die persönlichen, charakterlichen Auseinandersetzungen der beiden Hauptfiguren sind in „Wehrlos“ keine vorgeschobene Ausrede, um es einmal pathetisch menscheln zu lassen, sondern ein narrativ aufrichtig spannender Ausgangspunkt für einen einnehmenden, klugen und weitsichtigen Film.

Die Kehrseite dieser klaren Prioritätensetzung im Drehbuch: Der objektiv relevantere Stoff – die tyrannisch geführte Polizeischule mit ihren faschistoiden, obrigkeitsstaatverklärenden Tendenzen, deren Leiterin Bibi Fellner zum Schein wird – spielt die zweite Geige und muss auch etwas oberflächlicher erzählt werden, als es grundsätzlich möglich wäre. Ein weiteres Zeichen, dass „Wehrlos“ ein so gelungener Film ist, besteht darin, dass man mit diesem kleinen Defizit gerne lebt.

Das Erste zeigt «Tatort – Wehrlos» am Sonntag, den 23. April um 20.15 Uhr.
23.04.2017 10:03 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92644
Julian Miller

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Tatort Tatort – Wehrlos Wehrlos

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