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Auf der Suche nach kleinen Geschichten, die oftmals Großes beinhalten

Im Rahmen unserer neuen Reihe „2017 – Ihre Wahl“ sprachen wir mit N24-Mann Steffen Schwarzkopf über seinen Arbeitsalltag und die Herausforderungen seiner USA-Korrespondenz.

Kurzfragen an Steffen Schwarzkopf

  1. Wenn ich US-Präsident wäre, würde ichanordnen, dass keine Papphäuser mehr in den USA gebaut werden dürfen. Ich weiß nicht, wie oft wir schon die Handwerker zuhause hatten, weil wieder mal irgendetwas kaputt gegangen war.
  2. Als US-Politiker wäre ich... Demokrat, weil ich nicht ständig den harten Hund spielen müsste.
  3. Am meisten Sorgen an Donald Trump macht mir… dass er nicht unbedingt nachdenkt, bevor er spricht.
  4. Mein liebster US-Präsident ist… William Harrison, weil er bei seiner Inauguration Wind, Wetter und eisiger Kälte trotzte und die längste Rede in der Geschichte der USA hielt. Unglücklicherweise verstarb er vier Wochen später an einer Lungenentzündung…
„Der Mann ist erledigt“, erklärte Steffen Schwarzkopf noch wenige Wochen vor der US-Wahl in einem Interview über den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, als dessen Frauenbild dank des berüchtigten „Pussy“-Zitates einmal mehr Schlagzeilen machte. Seit Mai 2016 wohnt er mit seiner Familie in den USA, berichtet von dort aus als Leiter des N24-Studios in Washington und begleitete den US-Wahlkampf im Herbst bereits zum vierten Mal. Dass es anders kam, als die meisten Beobachter auch diesseits des Atlantiks erwarteten, dürfte nicht die letzte unerwartete Wendung gewesen sein, der sich Schwarzkopf in seinem neuen Job wird stellen müssen.

Seit seinem Umzug in die USA und dem Jobantritt im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ hat sich seine Arbeit massiv verändert. „In der Vergangenheit war ich oft als ‚Feuerwehrmann‘ im Einsatz; irgendwo auf der Welt brannte es nachrichtlich lichterloh – und ich war vor Ort. Schnelligkeit war gefragt, ich habe quasi immer eine Reisetasche und meinen Pass dabei gehabt. So konnte ich innerhalb kürzester Zeit im Flugzeug auf dem Weg zum nächsten Brennpunkt sein“, schildert Schwarzkopf im Gespräch mit Quotenmeter.de Als Korrespondent trage er nun mehr Verantwortung - für das Büro, seine Mitarbeiter vor Ort und redaktionell. Seine neue Position besetzt Schwarzkopf auch mit einer gewissen Demut: „Als Korrespondent hier arbeiten zu dürfen, verstehe ich auch als Wertschätzung meiner bisherigen Arbeit für N24.“


Ob Afghanistan oder USA - es wird scharf geschossen


Zur Person: Steffen Schwarzkopf

Steffen Schwarzkopf wurde 1973 in Berlin geboren. Von 1992 bis 1994 volontierte er bei Radio Hundert, 6 und arbeitete danach dort als Redakteur. Von 1995 bis 1997 war er Redakteur beim Berliner Lokalfernsehsender 1A Fernsehen, später Chefreporter. 1997 wechselte er als Redakteur und Reporter ins SAT.1 Landesstudio Berlin. Seit 1998 ist er Reporter bei den SAT.1 Nachrichten, später gehörte er zum festen N24-Reporterpool. Ende 2016 löste Schwarzkopf den langjährigen USA-Korrespondenten Stephan Strothe ab.
N24
Der jetzige Arbeitsalltag des Reporters unterscheidet sich dabei massiv von seinen bisherigen Stationen. Schon seit der Gründung von N24 zählt Schwarzkopf zum Reporterteam des Senders, was ihn unter anderem in die Tsunami-Region in Thailand, an die Schauplätze des Arabischen Frühlings sowie in Krisen- und Kriegsgebiete wie Irak, Afghanistan, Libyen und Syrien führte. Als Korrespondent arbeite er nun langfristiger planend, oftmals auch tiefgründiger, erzählt der gebürtige Berliner. Zu seinem Alltag gehöre nun nicht nur, mit dem Mikro unterwegs zu sein, sondern auch Hintergrundgespräche zu besuchen, Politiker zu treffen. „Eines ist aber gleich“, so Schwarzkopf. „Ich stehe ständig unter Strom, denn auch in den USA wird scharf geschossen, wenn auch eher politisch. Geschichten und wichtige Informationen zu verpassen, ist ein ‚No-Go‘ – oder sollte es zumindest sein.“

Statt Einsätzen in umkämpften Gebieten bestehen für Schwarzkopf nun neue Gefahren von weniger greifbarer Natur. „Ob in Syrien oder Ägypten, um mich herum wurde geschossen, gebombt – und gestorben. Hier ist die größte Gefahr, dass du inhaltlich zwischen die Fronten gerätst. Alle Seiten konfrontieren dich mit ihren eigenen Wahrheiten. Zwischen facts, fake facts und alternative facts den Überblick zu bewahren, ist nicht immer einfach.“

Trump erhöht den Arbeitstakt


Insbesondere die Personalie Donald Trump offenbarte für Schwarzkopf die veränderten Anforderungen an seine Arbeit, bei der er sich zur Zeit des US-Wahlkampfs Gegebenheiten ausgesetzt sah, die eine wesentlich diffusere und interpretationsoffene Natur besaßen als bislang. So änderte sich auch Schwarzkopfs Blick auf den Mann, der mittlerweile im Weißen Haus die Fäden zieht, fortwährend. „Bei mir war es ein ständiges Auf und Ab. Von ‚Der kann es wirklich packen‘ bis hin zu ‚Der Mann ist erledigt‘ habe ich die gesamte Bandbreite der Einschätzungen durchlaufen“, resümiert Schwarzkopf. In einem Punkt habe er seine Meinung aber nie geändert: „Trump ist nicht präsidial und hat keinen Respekt – vor niemandem. Aber das sei wohl genau der Grund, warum er gewählt wurde, warum ihn weit mehr als 80 Prozent aller Republikaner lieben, vermutet Schwarzkopf. Eines habe Trump ihn jedenfalls gelehrt: „Er ist alles andere als dumm, er ist berechnend und weiß genau, was er will und wie er das erreichen kann.“

Aus der bislang kurzen aber dafür umso turbulenteren Amtszeit von Donald Trump hat Steffen Schwarzkopf bereits einige Schlüsse gezogen. Man müsse den Präsidenten ernst nehmen, so Schwarzkopf. „Er versucht tatsächlich, ein Wahlversprechen nach dem anderen umzusetzen. Und das ist nicht nur die Mauer, die Einwanderungspolitik, der sogenannte travel ban. Es ist auch die Deregulierung, die Dezentralisierung, das Kippen von Umweltschutzmaßnahmen. America first – darauf muss sich die Welt einstellen“, sagt Schwarzkopf. Wobei der US-Präsident auch habe lernen müssen, dass die politische Realität selbst ihm Grenzen setze, wie zum Beispiel in Sachen Gesundheitsreform.

Politisch prophezeit der N24-Mann schwierige Jahre für die bisherigen Partner der USA, Deutschland inbegriffen. „Ich empfehle aber eines – und möchte dabei nicht arrogant klingen und auch nicht den Präsidenten lauthals verteidigen, aber: Bevor man bei jeder Entscheidung, bei jedem Wort aus dem Weißen Haus laut aufschreit: ‚Skandal! Lüge!‘ – erst einmal genau hinschauen, den Inhalt, die Hintergründe und die Konsequenzen überprüfen und dann urteilen. Und gegebenenfalls kritisieren.“

Nicht nur professionell, auch privat verlangt der Job des USA-Korrespondenten Schwarzkopf einiges ab. Mit der ganzen Familie zog Schwarzkopf vor knapp einem Jahr nach Washington, wo die Politik ganz anders funktioniert als in Deutschland. Von einer politisch aufgeheizten, teilweise von regelrechtem Hass geprägten Situation spricht Schwarzkopf, die er in dieser Form in einem westlichen Land noch nicht erlebt habe. „Spannend ist es vor allem auch deshalb, weil du abends ins Bett gehst und oft keine Ahnung hast, welcher Paukenschlag dich morgen wieder erwartet.“

Der Job erschwert damit auch ein entspanntes Familienleben. „Du kannst eigentlich nie abschalten. Ständig kommen Breaking News rein“, führt Schwarzkopf aus. „Um es ganz platt zu beschreiben: Du sitzt am Abend auf dem Wohnzimmersofa, überlegst Dir, ob alle Beiträge, O-Töne, Aufsager ‚drüben‘ in Deutschland sind – und plötzlich erscheint die nächste Eilmeldung aus dem Weißen Haus auf Deinem Handy.“ Das gehe nun schon seit Monaten so, mache Spaß, sei aber auch anstrengend. „Ich habe inzwischen aufgehört zu zählen, wie häufig ich nachts live aus Washington berichtet habe“, gesteht Schwarzkopf.


Die USA verstehen


2017 - Ihre Wahl

Im Herbst 2017 findet die Bundestagswahl in Deutschland statt. Da auch wir in unserer Rolle als Medienmagazin unserer Verantwortung gerecht werden wollen, lassen wir in unserer Reihe "2017 - Ihre Wahl" auch die politischen Journalisten einmal zu Wort kommen. Bis zur Bundestagswahl erscheinen daher alle zwei Wochen unsere Gespräche mit Akteuren aus dem Politjournalismus.
Diese Strapazen nimmt Steffen Schwarzkopf aber gern in Kauf. Beruf und Berufung scheinen sich im Falle des Journalisten zu decken. „Ich bin Reporter durch und durch, immer gewesen und werde das immer sein. Um es mit den Worten meiner Mutter zu sagen: Der Junge hat Hummeln im Hintern.“ Nur auf selbigem zu sitzen sei nicht seine Sache, dementsprechend versuche er sein Korrespondentendasein auch zu gestalten. So verschreibt er sich einer zentralen Maßgabe: „Möglichst viel unterwegs sein, auf der Suche nach den kleinen Geschichten, die aber oftmals Großes beinhalten.“ Vor kurzem habe Schwarzkopf Frau und Kinder an einem Samstagmorgen ins Auto gepackt. Es ging ins ländliche Pennsylvania, wo sie eine Großfamilie besuchten, die stramm auf Trump-Kurs liegt. Auch die Kamera sei natürlich dabei gewesen. „Nur wenn ich unterwegs bin, kann ich über das wahre Amerika berichten. Und das ist ein anderes als in der Demokraten-Hochburg Washington D.C.“

Diese Herangehensweise ermöglicht Schwarzkopf auch die Erfüllung einer zentralen Aufgabe, die der USA-Korrespondent neben all dem Trump-Zentrismus zu erfüllen hat: Den Deutschen das Thema Amerika und die Anliegen seines Volks verständlich zu machen. Schwarzkopf selbst hat in seiner Zeit jenseits des Atlantiks bereits viel dazugelernt. „Amerikaner sind viel weniger oberflächlich, als viele Deutsche annehmen. In unserer Nachbarschaft außerhalb von Washington leben unglaublich nette Menschen, wir haben hier gute Freunde gefunden. Fast jeder hat irgendein Ehrenamt inne – für die Schule, für die Community, für die Nation“, schildert Schwarzkopf, der darin den wesentlichen Punkt für das Selbstverständnis dieses Landes sieht. „Die Amerikaner sind stolz auf ihr Land – und das Land muss großartig sein. Warum haben so viele Menschen für Donald Trump gestimmt? Genau aus diesem Grund. Unglaublich kluge, freundliche, warmherzige Menschen vertreten radikale Ansichten – weil die USA und ihre Einwohner an erster Stelle stehen. Das zu verstehen ist nicht einfach, aber extrem wichtig.“
21.04.2017 10:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/92625
Timo Nöthling

super
schade


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