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I Don't Like That, Raymond!

Im Alter von 90 Jahren starb am vergangenen Wochenende mit Doris Roberts eine Grande Dame der amerikanischen Sitcom-Landschaft.

Die Meisten von Ihnen dürften «Everybody Loves Raymond» nur vom Hörensagen kennen. In den USA mag die Serie viele Jahre ein Hit gewesen sein (in ihren besten Zeiten Anfang der 2000er rangierte sie auf Platz Sechs in den amerikanischen Quotentabellen), doch hierzulande lief sie als «Alle Lieben Raymond» weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Nun waren auch «Seinfeld» und «Frasier» im deutschen Fernsehen nie auf prominenten Sendeplätzen präsent und konnten sich trotzdem ein engagiertes Cult Following aufbauen. Das lag neben ihren erstklassigen Stoffen, herrlichen Figuren und dem grandiosem Cast auch an ihrem jeweils sehr innovativen Ansatz.

«Everybody Loves Raymond» hatte keinen solch innovativen Ansatz, sondern funktionierte als gut geschriebene Familiensitcom, ohne das Ziel, erzählerische Konventionen zu brechen oder sophisticated-exzentrische Charaktere auftreten zu lassen und ihre intellektuell-tiefenpsychologischen Konflikte zu verhandeln. Trotzdem stach sie mühelos aus der Massenproduktion ähnlich gelagerter amerikanischer Formate heraus. Wegen ihrer einnehmenden, witzigen Figuren, wegen der Allgemeingültigkeit und Relateability ihrer Themen. Und vor allem wegen ihrer großartigen Darsteller.

Eine von ihnen war Doris Roberts, die am vergangenen Sonntag im Alter von neunzig Jahren verstorben ist. In «Everybody Loves Raymond» spielte sie Marie Barrone, eine nicht frei von Klischees entworfene italoamerikanische Mutter in ihren besten Jahren, die sich hemmungslos ins Eheleben ihres Sohnes einmischt, dabei vor kaum einer Grenzüberschreitung und Übergriffigkeit zurückschreckt und doch eine grundgütige, liebenswerte Figur ist.

In Amerika ist sie äußerst bekannt. Viele heutige Twenty- und Thirtysomethings sind mit ihr aufgewachsen. Roberts brachte sie vier Emmys ein – und eine öffentliche Plattform, auf der sie schonungslos die oftmals perverse Altersdiskriminierung in Hollywood anging.

Marie Barone machte Doris Roberts zu einer Art Grande Dame der amerikanischen Sitcom, in einer Serie, die trotz ihres großen Erfolgs doch immer ein wenig im Hintergrund blieb, hinter erzählerisch ambitionierteren Formaten wie «Seinfeld» und «Frasier». Was die Leistungen von «Everybody Loves Raymond» freilich nicht schmälert. Die von Doris Roberts erst recht nicht.

Die Nachricht ihres Todes lässt einen etwas wehmütig auf die Sitcom-Landschaft von vor zwanzig Jahren zurück blicken. Nicht nur war der Output der amerikanischen Networks damals noch größer – es gab auch mehr vergleichsweise leise Formate, denen der Spagat zwischen geringer Innovationskraft, aber großer Unterhaltung gelang. Und die ihre Figuren – anders als etwa im modernen «Big Bang Theory» – nicht zum Spott freigaben oder aus allerhand Stereotypen zusammennagelten, sondern sie als (gerne schrullige) Charaktere auftreten und ihnen eine Dynamik jenseits einfachster Punchline-Strukturen zuteil werden ließen.

Ich will wieder mehr Ray Barones und weniger Sheldon Coopers sehen. Und gerne auch Figuren in einem für Hollywood-Verhältnisse fortgeschrittenen Alter, jenseits der 30, vielleicht gar der 40.
22.04.2016 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/85127
Julian Miller

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Tags

360 Grad Alle Lieben Raymond Big Bang Theory Everybody Loves Raymond Frasier Seinfeld

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Nr27
23.04.2016 14:35 Uhr 1
Aber Sheldon Cooper IST doch über 30 (Darsteller Parsons sogar über 40) ...
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