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Was Fernsehnachrichten können, Twitter aber nicht

Der Kurznachrichtendienst spielt auch in diesen Tagen wieder eine wichtige Rolle. Er macht aber auch deutlich, dass er gegen fundierte TV-News nach wie vor chancenlos ist.

Tag 2 nach den schlimmen Anschlägen in der französischen Hauptstadt Paris. Attentaten, denen rund 130 Menschenleben zum Opfer fielen. Viel wurde in den vergangenen knapp 48 Stunden über die Attentate gesprochen. Zu viel? Im deutschen Fernsehprogramm - und nicht nur dort, sondern natürlich auch in England, Frankreich und anderen europäischen Nationen, jagt eine Sondersendung die nächste. Solche Schlagzeilen bringen eben Quote. N24 vermeldet den zweithöchsten Tagesmarktanteil seiner Geschichte, gemeinsam mit n-tv generierte man am Samstag knapp acht Prozent.

Für die Fernsehjournalisten, egal ob im warmen Studio - etwa in Hamburg, Köln oder Berlin - oder draußen vor Ort im Frankreich zwischen dem vielen Blaulicht hat am Freitagabend eine Mammut-Aufgabe begonnen. Der Terror ist wieder greifbar nahe, schürt Ängste. Auch in Deutschland. Erinnerungen an den 11. September 2001 kommen hoch. Wer von uns ist an diesem Dienstagabend vor mehr als 14 Jahren nicht mit einem richtig mulmigen Gefühl nach Hause gekommen und ins Bett gegangen?

Der 13. November ist nun das neue 9/11 Europas. Wieder sind Ängste da. Wieder Gewalt. Wieder Terror. Und wieder sind wir auf der Suche nach Wissen, vermittelt von Fachleuten. Direkt in der Nacht auf Samstag haben sich mehr als drei Millionen Menschen im Ersten informiert. Zählt man die Reichweiten von N24, n-tv und dem ZDF hinzu, gierten weit mehr als vier Millionen nach Informationen.

Sie taten dies trotz - oder sogar mit - Twitter. Der Kurznachrichtendienst, das merken die Journalisten in diesen Tagen wieder, hat den Journalismus nachhaltig verändert. In Sekundenschnelle verbreitete sich am Samstagabend die Nachricht, dass die Pariser Polizei das Gebiet rund um den Eiffelturm absperrt. Eben so schnell machte am Abend zuvor die Botschaft von den Attacken in einer Konzerthalle und in Restaurants die Runde. Genauso aber auch verbreiteten sich in den vergangenen Stunden Unwahrheiten über das soziale Netzwerk.

Facebook hilft derweil, dem Terror ein Gesicht zu geben. Ausführliche Schilderungen von Beteiligten sind derzeit ein Renner. Ebenso ist Facebook aber auch weiter Plattform für all diejenigen, die den gleichen menschenverachtenden Hass schüren wie jene Attentäter, die am Freitagabend zu den schlimmsten Verbrechern des Jahres wurden.

Eines aber kann weder Facebook noch Twitter liefern. Vertrauen in die Nachricht, die gerade übermittelt wird. Paradebeispiel hierfür ist ohne Frage Peter Kloeppel, der sich damals am 11. September 2011 zwar weiter und weiter wiederholen musste, weil es ja nicht ständig neue Informationen gab. Er aber nahm die Menschen an jenem schicksalhaften Tag einfach an die Hand. Ähnlich war dies auch am 13. November 2015. Da waren es Marietta Slomka und ZDFs stellvertretender Chefredakteur Elmar Theveßen, die schon ab kurz nach 23.00 Uhr für Einschätzung und Information sorgten.

Wer Twitter und Co. zuletzt also auf der Überholspur in Sachen Nachrichten sah, wurde an diesem Wochenende eines Besseren belehrt. Twitter wird niemals das können, was «heute-journal» und vergleichbare Sendungen schaffen. Diese Botschaft sollte übrigens auch in Unterföhring gehört werden, die das ohnehin schon völlig zerstörte Informationsimage ihrer Kanäle noch weiter ramponiert haben. Während anderswo informiert wurde, zeigte Sat.1 unbeirrt seine «Knallerfrauen» und eine «The Voice»-Wiederholung, ProSieben setzte auf «Wild Island». Dass die erste ausführliche Nachrichtensondersendung von Sat.1 über 20 Stunden nach den Geschehnissen, dann wenig Impulse zum Einschalten vermittelt, versteht sich quasi von selbst. Dieses Vertrauen haben ProSieben und Sat.1 noch nie gehabt oder seit Jahren verloren.
15.11.2015 14:38 Uhr Kurz-URL: qmde.de/82018
Manuel Weis

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Knallerfrauen The Voice Wild Island heute-Journal heute-journal

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