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Die Kritiker: «Tatort: Happy Birthday, Sarah»

Milieustudie mit viel Prodigy: Noch besser hätte der Film funktioniert, wenn eine 17-Jährige nicht ein 13 Jahre altes Mädchen hätte spielen müssen.

Inhalt:


Hinter den Kulissen

  • Produktion: Maran Film
  • Buch: Wolfgang Stauch
  • Regie: Oliver Kienle
  • Musik: Heiko Maile
  • Kamera: Jürgen Carle
  • Produzent: Nils Reinhardt
"Klaus' Haus" ist ein Jugendtreff an einer der vernachlässigteren Ecken Stuttgarts, gefördert von einem reichen Erben, der sich als cooler Wohltäter gibt. Als einer der Sozialarbeiter von "Klaus' Haus" ermordet wird, fällt den Kommissaren Thorsten Lannert und Sebastian Bootz vor allem Sarah Baumbach auf, frühreif, aufmüpfig, aus einer ziemlich kriminellen Familie und häufige Besucherin im Jugendtreff, wo Leiter Sven Vogel eine Vertrauensperson für sie ist. Als Lannert und Bootz die durchaus renitente Sarah mit Indizien konfrontieren, die sie in den Mord verwickeln, gesteht sie freimütig die Tat. Der Sozialarbeiter habe sie sexuell bedrängt, da schlug sie zu. Doch Sarah, stellt sich heraus, ist noch nicht strafmündig und muss auf freien Fuß gesetzt werden. Ohnehin sind die Kommissare nicht überzeugt von ihrem Geständnis.

Darsteller:


Richy Müller («Die letzte Spur, Alexandra 17 Jahre») ist Thorsten Lannert
Felix Klare («München 72 – Das Attentat») ist Sebastian Bootz
Ruby O. Fee («Allein gegen die Zeit») ist Sarah Baumbach
Miranda Leonhardt («Alles außer Sex») ist Nika Banovic
Jürgen Hartmann («Kissenschlacht») ist Dr. Vogt
Tobias Oertel («IK 1») ist Sven Vogel
Patrick von Blume(«About: Kate») ist Frank Schöllhammer

Kritik:


Der neue «Tatort» aus Stuttgart bleibt seiner bisherigen Linie treu: Auch im 13. Fall blickt man nicht mir Humor und Gemütlichkeit auf die schwäbischen Eigenheiten, sondern zeigt Stuttgart als Großstadt, die auch ihre schmutzigen Ecken hat. Man muss diesen «Tatort» nur kurz gesehen haben, um die wesentlichen Grundzüge zu erkennen: An vielen Stellen setzt der für die Musik verantwortliche Heiko Maile Songs der Band „The Prodogy“ ein, unter anderem „Firestarter“ und „Mindfields“, also eher raue und herbe Klänge. Aufgenommen wurde der «Tatort» gerne an verschmutzten und mit Graffits ausgestalteten (oder verschmierten) Örtlichkeiten.

Es ist wohl das, was die ARD gerne als eine Milieustudie bezeichnet – der von Ricky Müller wieder eindrucksvoll gespielte Kommissar Lannert ermittelt diesmal im Bereich der Jugendkriminalität, lässt sich selbst in den Jugendtreff als Sozialarbeiter einschleusen und bekommt somit auch hautnah mit, wie es um die finanzielle Situation der Einrichtung bestellt ist. Während der Fall zu Beginn etwas vor sich hin dümpelt, kommt Spannung in die Produktion erst nach einer guten halben Stunde, als die hinter „Klaus‘ Haus“ stehende Stiftung in ein gewisses Zweilicht gerät.

Durchgehend wird in diesem «Tatort» aber mit zu vielen Klischees gearbeitet – das fängt bei den Kostümen der „Problemkids“ an und hört bei den Dialogen auf. Da lässt man die Schauspielerin eben den gewollt unkorrekten Satz „Der Mann, der wo meine Schwester bumsen tut“, sagen – und den Großteil des ARD-Publikums wird dieser auch zufrieden stellen. Ja, er übermittelt das, was übermittelt werden soll. Das arme Ding beherrscht die deutsche Sprache nicht korrekt. Den geklauten Dostojewski muss sie gleich zwei Mal lesen, vermutlich ohne ihn selbst dann verstanden zu haben. Mit den wahren Verhältnissen auf der Straße draußen in Stuttgart hat dies aber recht wenig zu tun. Obendrein sind die im Jugendtreff auftauchenden Jugendlichen allesamt mit zu alten Schauspielern besetzt. Da wird versucht durch eine lässige Käppie oder einer „baggy“ getragenen Jeans ein möglichst jugendliches Erscheinungsbild zu kreieren.

Dennoch: Es ist einfach deutlich anzusehen, dass die Figuren nicht 14 oder 15 sein können, sondern eben wesentlich älter sind. So nimmt man der 17-jährigen „Sarah“-Darstellerin nicht ab, dass die Filmfigur eigentlich erst 13 sein soll. Das ist schade, weil hier ein gewisser Mut der Macher fehlt, auch jüngeren Darstellern eine Chance zu geben. Die Schauspielerin Ruby O. Fee, bislang weitgehend unbekannt, liefert aber dennoch eine überzeugende Leistung ab. Es wird sicherlich nicht ihr letzter Auftritt in einem deutschen Primetime-Film sein.

Um Kommissar Sebastian Bootz spinnt sich derweil eine Private Line – er hat Stress mit seiner ehemaligen Frau, weil die gemeinsamen Kinder es bei ihr und ihrem neuen Lebensgefährten nicht mehr ausgehalten haben. An genau diesen Stellen punktet der von Krimispezialist Wolfgang Stauch (schrieb schon Folgen der Reihe aus Konstanz, Münster und arbeitet an einem Fall in Dortmund) verfasste «Tatort».

Auch Tobias Oertel sammelt Pluspunkte, weil er mal in einer für ihn etwas ungewohnten Rolle zu sehen ist. Raus aus dem Anzug, den er in der RTL-Serie «IK 1» trug, rein in ein sportliches Outfit mit Baseball-Cap. Unter dem Strich bleibt ein nicht immer ganz stimmiger «Tatort», der einige unnötige Patzer (beispielsweise in der Besetzung) beinhaltet, aber an sich ein gutes Gesamtbild abgibt. Das Stuttgarter Team bleibt weiterhin angenehm frisch und jung, die Spannung stimmt vor allem zum Ende hin. Und das nächste Mal haben Kostüm und Besetzung vielleicht etwas mehr Mut.

Das Erste zeigt «Tatort: Happy Birthday, Sarah» am Sonntag, 1. Dezember 2013 um 20.15 Uhr.

Der Quotenmeter-Podcast beschäftigt sich in dieser Woche ebenfalls mit dem «Tatort».
30.11.2013 10:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/67636
Manuel Weis

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