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Die Kritiker: «Totenengel - Van Leeuwens zweiter Fall»

Der zweite Fall von Kommissar Bruno Van Leeuwen gerät zu einem zweischneiden Schwert.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Matti Geschonneck
  • Drehbuch: Magnus Vattrodt, Jörg von Schlebrügge
  • Kamera: Theo Bierkens
  • Produzent: Wolfgang Cimera, Bettina Wente
  • Musik: Florian Tessloff
Inhalt:
Im Amsterdamer Rotlichtviertel wird die Leiche des Lehrers Gerrit Suiker gefunden. Zuletzt gesehen hat ihn die Prostituierte Sherry, die sich der Polizei gegenüber zwar in Schweigen hüllt, nachts dem Moderator einer Call-In-Sendung im Radio aber erzählt, dass sie den Mord beobachtet hat. Wahrheit oder Lüge? Bruno van Leeuwen steht vor einem Rätsel. Und das wird noch größer, als er die Frau des Verstorbenen benachrichtigen will. Er findet sie nicht daheim, sondern im Krankenhausbett - als austherapierte Patientin, die sterben möchte. Das aber hatte ihr Mann zu verhindern versucht. Nun ist er tot und sie noch immer am Leben. Könnte der behandelnde Neurologe Dr. van der Meer etwas mit dem Tod Suikers zu tun haben? Immerhin ist er ein erklärter Verfechter der aktiven Sterbehilfe. Und wie hängt der Mann im Radio mit diesem Fall zusammen? Diese Fragen stellt Bruno van Leeuwen nicht nur sich selbst, sondern auch der Psychologin Feline Menardi, zu der er geschickt wird, weil er es seit dem Tod seiner Frau daheim nicht mehr aushält, sondern nachts durch die Stadt treibt - wie Gerrit Suiker und all die anderen Schlaflosen Amsterdams.

Darsteller:


Peter Haber («Verblendung», «Eine Frau verschwindet») ist Bruno van Leeuwen
Katja Riemann («Das Wochenende», «Fack ju Göhte») ist Dr. Feline Menardi
Christian Berkel («Das Experiment», «Inglorious Basterds») ist Dr. van der Meer
David Rott («Heute bin ich blond», «Blutgeld») ist Roelof "David" Jacobs
Christina Hecke («Barbara», «Ruhm» ist Sherry
Jasmin Gerat («Kokowääh», «Heute bin ich blond») ist Julika Tambur
Patrick Abozen («Nachtschicht», «Kein Sex ist auch keine Lösung») ist Remko Vreeling

Kritik:


Das Dranbleiben an einem Film ist für die Beteiligten vor und hinter den Kulissen fast noch wichtiger als ausschließlich das Einschalten. Für letzteres ist die interessanten Stoff versprechende Prämisse zuständig. Ersteres funktioniert einzig und allein über Qualität. Der ZDF-Krimi «Totenengel» ist ein gutes Beispiel dafür, dass diese beiden Elemente nicht immer Hand in Hand gehen. So gaben sich die Macher um einen der erfahrensten, deutschen TV-Regisseure Matti Geschonneck («Das Ende einer Nacht») alle Mühe, mit der an skandinavische Thriller erinnernden Eröffungssequenz einen packenden Einstieg zu bieten. Vor allem auf Basis der technischen Umsetzung fällt das Einschalten für all diejenigen leicht, die am Stoff und der Umsetzung der nordisch-herben Crime-Thriller Gefallen finden. Langsame Kamerafahrten (verantwortlich: Theo Bierkens, «Eine Frau verschwindet»), fangen das nächtliche Treiben auf den Straßen der Kulisse Amsterdam beobachtend ein und sind von einem Off-Kommentar, den ein Telefongespräch zwischen einem Radiomoderator und einer Hörerin darstellt, untermalt. Dies gerät aufgrund der Fokussierung auf die beiden zu hörenden, noch unbekannten Charaktere durchaus intensiv.

So gelungen der Einstieg, so interessant gerät die Story. Der Geschichte um einen Mordfall hauchte der Autor Claus Cornelius Fischer bereits in seiner Romanvorlage mit dem Thema Sterbehilfe einige gesellschaftliche Relevanz ein. Die beiden Drehbuchautoren Magnus Vattrodt («Tod einer Polizistin») und Jörg von Schlebrügge («Entführt») arbeiteten in ihrer Aufbereitung vor allem die Brisanz dieses Themas heraus und konzentrieren sich hauptsächlich auf den Teil der Thematik, der gerade von Befürwortern und Gegnern immer wieder in Diskussionen mündet. Dabei gerät das Aufwerfen neuer Ansichten merklich in den Hintergrund und bildet zu Gunsten der Mordfall-Aufklärung lediglich einen recht spannenden Hintergrund, ohne Gefahr zu laufen, zu dramatisch zu geraten.

Für das Drama respektive die Überdramatisierung ist die Hauptfigur, der niederländische Kommissar Bruno van Leeuwen zuständig. Dessen Figur, die in der ersten Folge der neuen Ermittlerreihe, «Eine Frau verschwindet», seine Frau verlor und seinen Alltag nun als Witwer bestreiten muss, hat per se genügend Möglichkeiten, aufgrund dieses Hintergrunds eine ausgefeilte, kantige Figur zu verkörpern. Bis auf stereotypes Abschotten und wenige, kurze Gespräche zwischen ihm und einem Kollegen, bei dem lediglich herauskommt, das van Leeuwen nicht über den Schicksalsschlag sprechen möchte, gerät die Darstellung seines Charakters reichlich eindimensional und dabei sogar anstrengend. Sollte es einen weiteren „Kommissar van Leeuwen“-Krimi geben, täten die Verantwortlichen gut daran, sich genauer der Figurenzeichnung ihres das Geschehen tragenden Protagonisten zu widmen.

Wenngleich Peter Harber alles daran setzt, mit der Ausrichtung seiner mürrischen Figur auch zum Tonfall von «Totenengel» beizutragen, gelingt dieses Vorhaben auf der falschen Ebene. Der mundfaule, ruhig agierende Kommissar verleiht seiner eigenen Krimireihe nicht etwa etwas Eigensinniges, sondern überträgt die Lethargie seiner, vom Alltag gezeichneten Figur aufs Tempo des Handlungsverlaufs. Geradeaus gesagt muss man sich als Zuschauer der ZDF-Produktion immer wieder daran erinnern, am Geschehen zu bleiben, wodurch das eingangs beschriebene Dranbleiben zu einer Krux wird. Wo die Ruhe in den Bildern zu Anfang noch eine voyeuristische Atmosphäre ausstrahlte, gerät «Totenengel» schon sehr bald zäh und bisweilen langweilig. Die Dialoge sind ohne Biss und teilweise viel zu lang geschrieben und wirken dadurch konstruiert. Während man sich nebenbei viel zu sehr auf die – unbestreitlich perfekt passende – Kulisse Amsterdams verlässt, finden Storywendungen eher beiläufig statt und die agierenden Darsteller wirken, bis auf wenige Ausnahmen (großartig: Matthias Matschke in einer für ihn ungewohnten Rolle) lustlos. Vor allem das Spiel von «Kokowääh»-Star Jasmin Gerat gerät eintönig und die demnächst in der Pennälerkomödie «Fack ju Göhte» zu sehende Katja Riemann bleibt konturlos.

Fazit: «Totenengel» ist auf allen technischen Ebenen ein gelungener Augenschmaus, tut sich mit seinem bedächtigem Tempo jedoch keinen Gefallen und geht zu stiefmütterlich mit dem ansonsten interessant in die Story eingebundenen Thema Sterbehilfe um.

«Totenengel» läuft am Montag, den 04. November um 20:15 Uhr im ZDF.
03.11.2013 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/67035
Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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