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Die Kritiker: «Der Seewolf»

Story


San Francisco 1902: Wolf Larsen, der Kapitän des Schoners „Ghost“, heuert eine Crew für die nächste Robbenjagd an. Zeitgleich läuft sein Bruder Death Larsen mit dem Dampfschiff „Macedonia“ ebenfalls in Richtung Japan aus mit dem Ziel, die begehrten Robbenfanggründe als erster zu erreichen. Er ahnt nicht, dass die junge Schriftstellerin, die ihn für eine Passage bis Yokohama bezahlt, ausgerechnet die Tochter von Brewster ist, seinem verhassten Boss.

Und noch jemand tritt eine Seereise an, die sein Leben entscheidend verändern wird: Der Literaturkritiker Humphrey van Weyden wird bei einem Zwischenfall von der Fähre „Martinez“ gestoßen und von der „Ghost“ Stunden später aus dem Wasser gerettet. Kapitän Wolf Larsen, der seine Besatzung mit eisernen Methoden im Griff hat, denkt jedoch nicht daran, ihn im nächsten Hafen abzusetzen, sondern zwingt ihn als Schiffsjungen in seiner Mannschaft zu arbeiten.

Der Dandy van Weyden findet sich plötzlich in der fremden und rauen Welt der Seeleute wieder und muss um sein Überleben kämpfen. Sein gefährlichster Herausforderer ist allerdings der überraschend gebildete Kapitän selbst, der ihn in der „geschlossenen Gesellschaft“ der „Ghost“, die vom Seewolf zur moralfreien Zone erklärt wurde, in diabolische Spiele und philosophische Gespräche verwickelt.

Derweil unterhalten und belauern sich auf der „Macedonia“ Kapitän Death Larsen und Maud Brewster. Als er erfährt, wer sie wirklich ist, muss sie in einem Beiboot fliehen. Auf diese Weise versuchen sich auch die Matrosen Leach und Johnson von der „Ghost“ abzuseilen und vor weiteren Schikanen durch den tyrannischen Kapitän Wolf Larsen in Sicherheit zu bringen. Als der Seewolf Kurs auf das Boot der Abtrünnigen nimmt, protestiert Humphrey van Weyden und richtet sein Gewehr auf den Seewolf...

Darsteller
Sebastian Koch («Speer und Er») ist Wolf Larsen
Stephen Campbell Moore («Ashes to Ashes») ist Humphrey Van Weyden
Neve Campbell («Scream») ist Maude Brewster
Tim Roth («Lie to me») ist Death Larsen
Andrew Jackson («The Collector») ist Johnson
Tobias Schenke («Das Feuerschiff») ist Leach
Peter MacNeill («Queer as Folk») ist Fat Louis
Julian Richings («Stephen King's Kingdom Hospital») ist Mugridge
Wayne Robson («The Red Green Show») ist Hanssen
Scotty Cook («The Bridge») ist Harrison

Kritik
38 Jahre nach dem allseits geachteten und vielfach diskutierten Weihnachts-Vierteiler mit Raimund Harmstorf in der Hauptrolle als berühmt-berüchtigter Kapitän Wolf Larsen wagte sich das ZDF im vergangenen Jahr daran, Jack Londons weltberühmten Roman «Der Seewolf» neu zu verfilmen. In der Hauptrolle dieses Mal: «Speer und Er»-Darsteller Sebastian Koch.

Doch es ist nicht die einzige Neuverfilmung dieser Tage. Schon im vergangenen Jahr lieferten sich das ZDF und ProSieben einen Wettstreit um die Erstausstrahlung des jeweiligen Zweiteilers. Selbst um die Namensrechte gab es 2008 so manche Diskussion. Das Ende ist bekannt. ProSieben strahlte seine Version mit Thomas Kretschmann bereits im vergangenen Herbst aus und musste dabei einen herben Rückschlag hinnehmen. Die Quoten waren schlecht, erreichten im Schnitt gerade einmal knapp über zwei Millionen Zuschauer. Doch woran ist man gescheitert? Aufwand der Produktion und die Besetzung waren gut bis sehr gut und auch die PR-Maschinerie warb eifrig um Zuschauer. Nun ist es unwahrscheinlich, dass das ZDF die gleiche Bauchlandung hinlegen wird, doch sicher sein kann man sich bekanntlich ja nie.

Genauso wie in der ProSieben-Adaption hält man sich auch bei der Koproduktion von ZDF und Tele München Gruppe näher an der Romanvorlage von Jack London. Abweichungen zum Vierteiler von 1971 sind also zu erwarten, aber auch durchaus beabsichtigt. Aber keine Angst, die berühmte Szene mit der Kartoffel ist in abgewandelter Form auch im aktuellen Film enthalten. Da es sich zudem um eine internationale Co-Produktion handelt, wurde komplett auf Englisch gedreht und durchweg renommiertes Personal engagiert. Angefangen bei Autor Nigel Williams, der sich u.a. für die Drehbuch-Umsetzung des mehrfach Emmy-prämierten Fernsehspiels «Elizabeth I» verantwortlich zeigt und Regisseur Mike Barker («A Good Woman» mit Scarlett Johannson) setzt man neben den Verantwortlichen hinter der Kamera auch vor der selbigen auf große Namen. So stehen Sebastian Koch glänzend aufspielende Hollywoodstars wie Neve Campbell und Tim Roth sowie der britische Theaterschauspieler Stephen Campbell Moore zur Seite. Einzig Tobias Schenke ist hier als Leach noch als weiterer deutscher Schauspieler mit im sprichwörtlichen Boot. Das zeigt dann auch, wie ernst es den Machern mit der internationalen Auswertung des Films ist. Bei all den großen Namen muss die Chemie aber trotzdem erst einmal stimmen. Was nützt die beste Besetzung und das beste Drehbuch, wenn die Figurenkonstellationen nicht harmonieren und die Akteure unglaubhaft agieren?

Doch hier ist die Sorge unberechtigt. Koch liefert eine wahre Glanzleistung ab. So hart und barbarisch seine Figur doch sein mag, er schafft es über die Dauer der Verfilmung immer mehr, den Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Die innere Zerrissenheit Larsens, die Verletzlichkeit, der Selbstzweifel – all das macht ihn menschlicher – ja sogar fast sympathisch. So weiß man bei aller körperlichen und hitzigen Dominanz seiner Rolle in bestimmten Situationen kaum noch zu unterscheiden, wer denn nun der Bösewicht und wer der Sympathieträger des Films sein soll. Campbell, Roth und Campbell Moore sowie der Rest der Cast stehen ihm in Punkto Überzeugungskraft und Spielfreude aber in nichts nach.

Erfreulicherweise spielt bei der Neuverfilmung neben der sehr guten charakterlichen Besetzung und Umsetzung auch der Realismus eine große Rolle. Auf Szenen vor dem Greenscreen und aufwendige Animationen der „Ghost“ wurde verzichtet. Vielmehr wurde vor der Küste Kanadas auf offener See gedreht. Kein künstlich angelegtes Seebecken, harter Realismus bei drei Grad Celsius waren an der Tagesordnung. Und das merkt man dem neuen «Seewolf» auch an. Neben dem an sich schon üppig klingenden Budget von rund 12,5 Millionen Euro sind es nämlich vor allem die hervorragenden Bilder des «Shakespeare in Love»-Kameramanns Richard Greatrex, die bestechen.

Autor Williams und Regisseur Mike Barker haben es also geschafft, dem Klassiker mit kleinen Nuancen in den Handlungsebenen und, in Punkto psychologischer und philosophischer Ausarbeitung des Stoffes, neue Schwerpunkte bei der Romanadaption einen frischen Farbanstrich zu verpassen. Fans des Klassikers von 1971 oder einer der anderen Verfilmungen mögen vielleicht etwas irritiert reagieren, dennoch lohnt sich das Einschalten allemal. Intensives Event-Kino, das dieses Prädikat auch endlich mal wieder durchweg verdient hat. Von Anfang an und bis zur letzten Minute.

Das ZDF zeigt den ersten Teil des aufwendigen Zweiteilers «Der Seewolf» am Sonntag, den 01.November 2009, um 20:15 Uhr. Der zweite Teil folgt am Mittwoch, den 04. November 2009, ebenfalls um 20:15 Uhr.
30.10.2009 09:24 Uhr Kurz-URL: qmde.de/38162
Torben Gebhardt

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Der Seewolf

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