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Zur Lage der deutschen Fernseh-Nation

Nein, das deutsche Fernsehen ist nicht schlecht. Der Zuschauer erwartet nur nicht mehr viel von ihm. Quotenmeter.de-Redakteur Alexander Krei über die Misere, die Sat.1 derzeit wahrscheinlich am stärksten zu spüren bekommt.

Rückläufige Werbeeinnahmen, Fernsehzuschauer, die zu Gewohnheitstieren geworden sind und sich nicht auf Neues einlassen wollen, die wachsende Bedeutung des Internets. Unsere Fernsehmacher finden gerne Ausreden um von der Realität abzulenken. Die sieht nämlich ein bisschen anders aus als uns das so mancher Boss weismachen möchte.

Nehmen wir doch mal Sat.1 – ein Sender, der in letzter Zeit oft als Negativ-Beispiel der Fernsehbranche herhalten musste. Wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Seit Monaten schon jammert man in Berlin über schlechte Einschaltquoten und nicht selten hört man auch ein wenig Verzweiflung heraus. Der Grund: Was immer man sendet, keiner will es sehen. Ob «Schillerstraße», neue Serien oder gar unterhaltsame Shows wie jene zu Hella von Sinnens Geburtstag – niemand schaltet ein.

Man kann es sich natürlich einfach machen und auf Gewohnheiten der Zuschauer schieben, die sich so schnell nicht ändern lassen oder auf die ach so starke Konkurrenz durch RTL. Nein, das wäre mindestens genauso einfach wie Marcel Reich-Ranickis Fernseh-Schelte vom vergangenen Herbst. Bei Sat.1 liegt der Grund auf der Hand: Die Zuschauer erwarten nichts mehr. Aus mehrerlei Gründen: Wer derart sträflich kompetente Nachrichten vernachlässigt und seine Magazine nur noch zum Abspielen mehrfach gesehener Beiträge und Reportagen verwendet, hat einen Erfolg einfach nicht verdient.

Es wird wiederholt, was das Zeug hält – ob «Frühstücksfernsehen», «Sat.1-Magazin» oder was sich sonst noch alles für eine Ausstrahlung eignet, ehe es familiengerecht zur Wiederverwertung im kabel eins-Programm verwendet und schließlich in preiswerten N24-Sendung abgewrackt werden darf. Nach dutzenden Ausstrahlungen, versteht sich. Mag sein, dass sich die Zuschauer das ansehen. Doch blöd sind sie nicht: Wer erst einmal gemerkt hat, dass er von einem Sender nichts zu erwarten hat, bleibt irgendwann weg.



Anderes Beispiel sind die Gerichts- und Ermittlershows, die an manchen Tagen mehr als die Hälfte des Sat.1-Programms ausmachen. Klar: Dank preiswerter Formate dieser Art rettet Sat.1 derzeit seine Quote und bleibt noch über der Marke von zehn Prozent. Doch ganz ehrlich: Wer erwartet abends schon Qualität, wenn ansonsten fast nur noch Mist zu sehen ist? Kratzt man sich wirklich noch am Kopf? Wundert man sich wirklich noch über die Zuschauerzahlen? Die wenigen Erfolge sind jedenfalls teuer erkauft: Vor allem Fußball soll es richten, dazu hin und wieder ein Zufalls-Erfolg eines eigenproduzierten Spielfilms und alle paar Monate mal ein Quoten-Hit dank eines Blockbusters. So sieht Fernsehen im 21. Jahrhundert aus.

Nein, wundern sollte man sich darüber nicht. Wenn dann auch noch von einer Arztserie wie «Klinik am Alex» mehr als 25 Folgen bestellt werden, stellt sich schon die Frage nach richtigem Einsatz von Bauchgefühl und Verstand. Wäre es nicht viel mehr die Aufgabe gewesen, dem Sender wieder Leben einzuhauchen? Relevanz? Nähe? Von „Mehr Information“ oder „Mehr Spaß“, wie Sat.1 sich selbst beweihräuchert, ist jedenfalls nichts zu spüren. Auf leere Sprechblasen und 0815-Phrasen hat doch inzwischen selbst der letzte Zuschauer keine Lust mehr.

Wacht auf aus euren Träumen und wischt euch den Nebel von der Brille. Wahrscheinlich können noch dutzende neue Serien in Auftrag gegeben werden und wahrscheinlich werden sie alle gnadenlos floppen. Nicht, weil sie zwangsläufig schlecht gemacht sind und das Publikum nicht ansprechen könnten. Sondern weil sie das Publikum zwischen bis zum Erbrechen versendeten Magazin-Beiträgen und niveaulosen Ramsch-Shows einfach nicht mehr sucht. Die Sat.1-Zuschauer haben resigniert und es wird schwierig, sie wieder zurückzuerobern. Teurer Fußball alleine hilft da jedenfalls nicht.

● Kontakt zum Autor
20.04.2009 09:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/34402
Alexander Krei

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Tags

Sat.1 Schillerstraße Klinik am Alex

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