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«Fernsehpreis 2008»: Eine Folter für die Zuschauer

Christian Richter sah die diesjährige Verleihung des «Deutschen Fernsehpreises», die am Sonntagabend vom ZDF übertragen wurde.

Jedes weitere Wort, das über die zehnte Verleihung des «Deutschen Fernsehpreises» verloren wird, ist eigentlich eine pure Verschwendung von Arbeit, Zeit und Luft. Und eigentlich muss man den Worten von Marcel Reich-Ranicki auch nichts mehr hinzufügen. Die Vergabe der wichtigsten, deutschen Fernsehauszeichnung war von vorn bis hinten ein Blödsinn, der nur schwer erträglich war.

Dankenswerte Weise hat das ZDF die Gala für die Fernsehzuschauer auf zweieinhalb Stunden herunter gekürzt, aber selbst dies war immer noch gute zwei Stunden zu lang. Man konnte sich nur durch die Gala aufgrund der Vorfreude auf Reich-Ranickis Auftritt durchquälen. Bereits im Vorfeld war bekannt geworden, dass er den Preis für sein Lebenswerk nicht annehmen würde, da er die Verleihung entsetzlich fand.

Mit diesem Vorwissen, entstand tatsächlich eine unfreiwillige Komik, die die Macher sicher nicht erzeugen wollte. Schon bei der Laudatio für den Literaturkritiker brach sich Thomas Gottschalk vor Bewunderung fast einen Zacken aus der Krone, nur um wenige Minuten die Auszeichnung sinnbildlich vor die Füße gerotzt zu bekommen. Auch das Galapublikum, bestehend aus nahezu sämtlichen Fernsehmachern, applaudierte bei Auftritt stehend, nichtsahnend, dass er kurz darauf die gesamte Branche – ausgenommen arte – kritisieren würde. Doch damit nicht genug, als er die Bühne wieder verließ, liefert das Saalpublikum wie es im Ablaufplan stand, ebenfalls stehende Ovationen. Sie umjubelten den Mann, der sie gerade öffentlich runtergeputzt hat. Eine bizarre Szene, wie man sie sonst nur aus einer Folge der «Simpsons» kennt. Leider wurde Reich-Ranicki bei seiner Kritik schamlos durch den Moderator Thomas Gottschalk abgewürgt. Bleibt nur zu hoffen, dass in der geplanten öffentlichen Aussprache zwischen Gottschalk und Reich-Ranicki letztere ausreichend zu Wort kommt.




Überhaupt muss an dieser Stelle endlich ein Moderationsverbot für Thomas Gottschalk gefordert werden. Nicht genug, dass er den einzigen sehenswerten Moment des Abends zerstört hat, auch die Art wie er durch den Abend führte war eine Zumutung für jeden Zuschauer. Gottschalk moderierte die Veranstaltung dermaßen selbstverliebt, dass der Gestank des Eigenlobs sogar über das Fernsehen übertragen wurde. Nur in einer einzigen seiner Moderationen, und davon gab es wahrlich reichlich, sprach er nicht von sich. Dies ist keine Übertreibung und lässt sich leicht nachprüfen! Es begann bereits bei der Eröffnung, in der er sich als der ideale Moderator anpries, setzte sich über mehrere Anekdoten über sein Verhältnis zu Weltstars bis hin zur Aufzählung seiner Fernsehgewohnheiten fort. Sogar in seiner Laudatio für Marcel Reich-Ranicki, sprach er vor allem über sich. Ekelhaft.

Auch das eigentliche Kernstück des Abends, die Vergabe der Preise, war mehr als fragwürdig. Wie kann eine lieblose 08/15-Massenware wie «Deine Chance – 3 Bewerber, ein Job» für den wichtigsten Fernsehpreis auch nur in Erwägung gezogen werden. Damit macht man vor allem sämtlich andere Nominierte und Preisträger lächerlich. Dieses Faktum ist offensichtlich der Tatsache geschuldet, dass beim Fernsehpreis niemals ein Format mehrfach ausgezeichnet oder nominiert werden darf. Da «Wer wird Millionär?», «Schlag den Raab» und «Zimmer frei» schon an der Reihe waren, blieben am Ende nur noch mittelmäßige Formate wie «Das weiß doch jedes Kind – Promi Special» übrig. Vielleicht sollten sich die Macher hier mehr am amerikanischen «Emmy» orientieren, wo Sendungen auch mehrfach für konstant gute Leistungen geehrt werden.

Dieser Mangel an noch nominierungswürdigen Formaten führt zudem dazu, dass die Kategorien, immer abstruser und spezieller werden. Zum Teil so speziell, dass man kaum drei Nominierte findet. Wie sonst sind Kategorien „Bester Auslandsreporter“, „Beste Reality-Show“ oder „Beste Late Night“ zu erklären. Witzigerweise befand sich bei den potentiellen Preisträgern für zugletztgenannte neben «Achtung Hartwich» kein klassisches Late-Night-Format, sondern nur Talkshows. Auch bei den ausgewählten Fernsehfilmen zeigte sich ein eindeutiger Trend: Wenn man etwas beim Fernsehpreis reißen wollte, musste man mit einem Stasi-Film oder zumindest einer Geschichte über die deutsche Teilung antreten.

Und so verabschiedete Thomas Gottschalk um kurz vor elf endlich das Publikum im Saal und erlöste damit auch den Zuschauer von einer Sendung, die jedes Jahr zunehmend schlechter wird. Aber was will man auch von einer Veranstaltungsreihe erwarten, als dessen größtes Highlight Dirk Bachs Auftritt in einem Abendkleid gilt.
14.10.2008 08:43 Uhr Kurz-URL: qmde.de/30346
Christian Richter

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Fernsehpreis

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