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«Neues aus der Welt»: Der Star der Stunde

Paul Greengrass entdeckte die Schauspielerin Helena Zengel im Film «Systemsprenger». Nun durfte sie mit Tom Hanks einen Western drehen.

Das muss ihr erst mal jemand nachmachen. Die Berlinerin Helena Zengel ist erst 12 Jahre alt, aber schon der Star der Stunde. Bereits 2019 beeindruckte sie mit ihrer Rolle eines schwer erziehbaren Mädchens, dass die Sozialbehörden verzweifeln lässt. «Systemsprenger» kam bei der Kritik und beim Publikum gleichermaßen gut an, brachte Helena Zengel des Deutschen Filmpreis und nun auch eine Rolle neben Hollywoodstar Tom Hanks in dem Western «Neues aus der Welt». Das ist deshalb schon ungewöhnlich, weil es in den USA von Teenagern nur so wimmelt, die von einer großen Filmkarriere träumen.

Doch Regisseur Paul Greengrass («Jason Bourne») war von ihrer Performance als wuterfüllte Benni in «Systemsprenger» dermaßen angetan, dass er gar nicht nach der geeigneten Darstellerin für seinen Film weitersuchen musste. Dass er aufs richtige ‚Pferd‘ gesetzt hat, beweisen nun auch die drei Nominierungen für Helena Zengel, die in den letzten Tagen bekannt gegeben wurden. Der Jungstar darf sich Hoffnungen für den Satelite Award, den Screen Actors Guild Award und den Golden Globe machen. Da würde es nicht wundern, wenn auch die Academay of Motion Picture Arts and Sciences demnächst bekannt geben könnte, dass man sie auch für den Oscar nominiert ist. Wie dem auch sei, allein eine Nominierung für diese Preise ist eine große Anerkennung aus den USA für ein kleines deutsches Mädchen.

Eine gefährliche Reise durch die Prärie
Im früheren Leben war Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks) ein verheirateter Drucker. Dann kam der amerikanische Bürgerkrieg, und er kämpfte als Captain auf der Seite der Südstaaten, während seine Frau Zuhause an Cholera starb. Nun reist Captain Kidd durch Texas von einer Stadt in die nächste, um vor einem Publikum aus der Zeitung vorzulesen. Er berichtet von Epidemien und Ereignissen aus anderen Ländern, macht aber auch Hoffnung auf eine bessere Welt. Eines Tages trifft er auf ein blondes Mädchen (Helena Zengel) in indianischen Kleidern.

Es stellt sich heraus, dass Cicada mit richtigen Namen Johanna Leonberger heißt und nach dem Tod ihrer deutschen Einwanderereltern von den Kiowa aufgezogen wurde. Nun wurde auch ihre Ersatzfamilie ausgelöscht und Captain Kidd soll sie im Auftrag der Regierung zu ihren nächsten Verwandten bringen soll. Widerwillig nimmt er die Aufgabe an, doch vor ihnen liegen 400 Meilen. Ein Weg voller Gefahren, auf dem sich der Mann und das Mädchen langsam anfreunden. Als schließlich Menschenhändler ihren Weg kreuzen, muss Captain Kidd noch einmal sein militärisches Wissen aktivieren, um sich noch einmal einen Kampf auf Leben und Tod auszusetzen.

Auf in eine neue Welt
Mit einem Western betreten sowohl Paul Greengrass als auch Tom Hanks Neuland, Helena Zengel sowieso. Ein typischer Vertreter dieses Genres ist «Neues aus der Welt» aber gewiss nicht geworden, auch wenn die eine oder andere erforderliche Zutat nicht fehlen durfte. Ob galoppierende Pferde, Schießereien oder die Weite des Wilden Westens. All das gibt es auch hier zu bestaunen, auch wenn den Grundton eher missfällig und trostlos ausfällt. Greengrass zeigt ein Amerika, dass gerade einen Krieg Bruder gegen Bruder hinter sich hat, Ausbeuterum noch ebenso gegenwärtig ist wie Rassismus.

Ein Land, das Menschen angezogen hat, die emigriert sind und ein neues Leben aufbauen wollten, aber auch ein Land, dass seine Ureinwohner niedergeknüppelt hat und in Reservate einpferchen will. Solche Bilder laufen bei Greengrass nebenbei ab, wenn seine beiden Protagonisten ihre beschwerliche Reise von einem Punkt zum nächsten fortsetzen. Ein schmutziger Western, der nicht von ungefähr an die heutige Spaltung der USA erinnert.

Gleichzeitig fallen dabei gerade seine beiden Protagonisten aus diesem Bild heraus. Zwei Außenseiter, die erlebt haben, wie hart das Leben wirklich sein kann und sich gerade deshalb nicht polarisieren lassen. Wenn Captain Kidd aus der Zeitung vorliest, verkündet er die Wahrheit und öffnet gebrochenen Menschen den Blick auf das Ganze. Zugleich schenkt er ihnen Zuversicht, dass nur der Zusammenhalt eine Zukunft garantieren kann. Das gilt auch für ihn in seinem Verhältnis zu dem ihm anvertrauten Mädchen. Auch sie müssen einen gemeinsamen Kontext finden, eine Annäherung, und je weiter dieser Prozess vorn schreitet, umso berührter ist man als Zuschauender. Ein kluger und zugleich gefühlvoller Western.



Ein Verlust fürs Kino
Nur schade, dass es dem Kino vorenthalten werden musste. Denn geplant war, dass «Neues aus der Welt» im Januar auf die große Leinwand kommen würde, wo dieser Western schon wegen seiner epischen Bilder und seiner poetischen Story auch hingehören würde. Corona hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ob man Netflix dankbar sein sollte, nun nicht länger auf diesen Film warten zu müssen, sei dahingestellt. Immerhin hat es Helena Zengel die verdiente Aufmerksamkeit gebracht, und auch für Tom Hanks ist es ein Glücksfall, der in seinen letzten Filmen «Der wunderbare Mr. Rogers» und «Greyhound – Schlacht im Atlantik», beide ebenfalls auf Streaming-Plattformen abgeschoben, nicht mehr gänzlich überzeugen konnte. Für Paul Greengrass überzeugte er dafür schon 2013 als «Captain Phillips». Manchmal kommt es eben doch auf den richtigen Regisseur an.

Fazit: Ein tiefgründiger Western mit Parallelen zur Gegenwart und zwei Hauptdarstellern, die man auf Anhieb ins Herz schließt.

«Neues aus der Welt» ist bei Netflix zu sehen.
17.02.2021 10:44 Uhr Kurz-URL: qmde.de/124907
Markus Tschiedert

super
schade


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Tags

Systemsprenger Neues aus der Welt Jason Bourne Der wunderbare Mr. Rogers Greyhound – Schlacht im Atlantik Captain Phillips

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